Wahlen im Senegal: Macky Sall will bleiben

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Eigentlich sollte der Senegal mitten im Wahlkampf sein, doch Präsident Macky Sall hat die Wahl kurzfristig verschoben. Das führte zu Protesten.

«Macky Sall: Diktator», schimpfen Demonstrant:innen in der senegalesischen Hauptstadt Dakar den Präsidenten, während Expert:innen sowie Teile der Opposition sachlicher, aber nicht weniger entsetzt und enttäuscht von einem institutionellen Staatsstreich sprechen.

Die Situation für den westafrikanischen Staat mit rund achtzehn Millionen Einwohner:innen ist jedenfalls historisch: Vergangenen Samstag kündigte Präsident Macky Sall an, dass die für den 25. Februar geplante Präsidentschaftswahl nicht stattfinden werde. Offiziell begründet wurde das mit angeblichen Unstimmigkeiten bei der Zulassung der Kandidat:innen.

Seither schwankt die Stimmung und ist immer wieder sehr angespannt. Bei den ersten Protesten, die 24 Stunden nach der Absage erfolgten, setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstrierende ein. Politiker:innen twittern, sie seien angegriffen und verhaftet worden. Der Staat macht deutlich: Proteste werden im Keim erstickt, damit sie sich nur nicht ausbreiten.

Dritte Amtszeit durch die Hintertür

Daba Sene geht trotzdem auf die Strasse. «Ich möchte, dass sich das Land wandelt. Wir brauchen einen neuen Präsidenten.» Sie erzählt, dass sie am Montagmorgen um 9 Uhr zur Nationalversammlung in Dakar gefahren sei. Schon am Vormittag hing dort der Geruch von Tränengas in der Luft, und die Polizei setzte es erneut ein, sobald eine kleine Gruppe von Menschen zusammenstand. Sene flüchtete deshalb immer wieder in einen Hinterhof. Das Aufgebot der Sicherheitskräfte war an zentralen Orten in der Stadt riesig.

Für Daba Sene ist klar: Es geht um eine dritte Amtszeit des Präsidenten durch die Hintertür. Für eine solche wäre allerdings eine Verfassungsänderung notwendig. Macky Sall gewann vor zwölf Jahren recht bemerkenswert eine Stichwahl gegen den damaligen Präsidenten Abdoulaye Wade, der ebenfalls eine dritte Amtszeit anstrebte. Durch eine geeinte Opposition und andauernde Proteste gelang der Machtwechsel.

Für viele war das eine Vorzeigegeschichte. Der Senegal gilt als zuverlässiger Partner für den Westen, setzt auf erneuerbare Energien und fördert die Industrialisierung. Vor allem aber ist das Land stabil in einer Region, die immer unsicherer wird. Terrorgruppen, die dem Islamischen Staat und al-Kaida nahestehen, haben schon vor Jahren im Sahel ganze Dörfer besetzt und verüben Anschläge. Die Gewalt findet aktuell noch nicht auf senegalesischem Boden statt, breitet sich aber längst in Richtung Küste aus. Hinzu kommt, dass Mali, Burkina Faso und der Niger mittlerweile von Militärs regiert werden, ein deutliches Interesse an Kooperationen mit Russland haben und Ende Januar ihren Austritt aus der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) ankündigten.

Auf Dezember verschoben

Macky Sall wollte lange nicht sagen, ob er eine dritte Amtszeit anstrebe. Letztes Jahr sprach sich der 62-Jährige dann dagegen aus. Zuvor hatte es immer wieder Proteste gegeben. Menschenrechtsaktivist:innen zufolge sollen seit März 2021 in diesem Zusammenhang bis zu tausend Menschen verhaftet worden sein. Am Montag wurde das mobile Internet für mehr als 36 Stunden abgeschaltet. «Es gibt seit einigen Jahren grosse Einschränkungen bei den Freiheitsrechten», sagt Samira Daoud, Leiterin des Westafrikabüros von Amnesty International.

Nach aktuellem Stand könnte Sall nun ein knappes weiteres Jahr an der Staatsspitze bleiben. Am Montag debattierten Parlamentarier:innen stundenlang über einen Gesetzesentwurf, der vorsieht, die Wahl am 15. Dezember abzuhalten. Nachdem es während der Sitzung zu Tumulten gekommen war, wurde der Entwurf am späten Abend schliesslich angenommen – auch mit Stimmen aus der Opposition. Das letzte Wort hat allerdings die Justiz.

Beobachter:innen halten das Vorgehen für politisches Kalkül, damit Sall weiterhin aktiv über seine Nachfolge mitbestimmen kann. Kandidat des Regierungslagers, der Koalition Benno Bokk Yakaar, ist Amadou Ba, der bisherige Premierminister, der als blass und schwach gilt. Er könnte bis zur Wahl ausgewechselt werden. Auch ist möglich, dass der wohl populärste Oppositionskandidat, Bassirou Diomaye Faye, in den nächsten Monaten verurteilt wird. Er ist derzeit in Haft. Kommt es zu einer Verurteilung, wäre nach geltendem Recht eine Kandidatur ausgeschlossen. Das gilt bereits für Ousmane Sonko. Er ist bei jungen Menschen beliebt, wurde letztes Jahr jedoch wegen «Aufwiegelung der Jugend» verurteilt.