Bundesgericht: Vom Fischen und von Racial Profiling

Nr. 12 –

Mitte Februar rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz für ihren Umgang mit Racial Profiling. Jetzt hat das Bundesgericht (BGer) erstmals in einem Urteil darauf Bezug genommen. Dem Anschein nach eher widerwillig.

Beschuldigt ist ein Mann, der – wie auch das BGer festhält – ohne konkreten Anfangsverdacht in Genf kontrolliert wurde. Er musste sich gegenüber den Polizist:innen nicht nur ausweisen, auch sein Smartphone wurde durchsucht. Eigentlich bräuchte es dafür eine Anordnung der Staatsanwaltschaft oder «Gefahr in Verzug»: Das ist Jurist:innendeutsch für die Notwendigkeit, sofort zu handeln. Beides war hier nicht gegeben. Die Polizei agierte aufgrund einer spontanen Eingebung, wonach auf dem Handy spannende Inhalte zu finden sein könnten.

Und tatsächlich stiessen die emsigen Beamt:innen auf Hinweise auf Kokainhandel. Der Beschuldigte befindet sich deswegen in Untersuchungshaft. Ob dies zulässig ist, darüber hat das BGer letzte Woche befunden. Als entscheidend erachtete es dabei die Frage, ob die Beweise, die die Polizei auf Basis ihrer willkürlichen Kontrolle fand, juristisch verwertbar seien. Wenn ein Beweismittel «offensichtlich unverwertbar» sei, dürfe auf dessen Grundlage auch keine U-Haft verhängt werden.

Das strittige Vorgehen der Polizei bezeichnen die Bundesrichter:innen als «fishing expedition». Darunter versteht man die «Beweisausforschung», also die Suche nach Beweisen für eine Straftat ohne Anfangsverdacht. «Fishing expeditions» sind in der Schweiz nicht erlaubt.

Das ist dem BGer aber nicht besonders wichtig. Schon 2023 relativierte es das Verwertungsverbot; es gehe um eine «Interessenabwägung», argumentierte es damals. Darauf stützten sich die Richter:innen im jüngsten Fall. Die bei der Smartphonedurchsuchung sichergestellten Beweise seien ja nicht «offensichtlich unverwertbar». Es bleibe also noch zu entscheiden, was höher zu gewichten sei: die Aufklärung der Straftat  oder die Grundrechte, die «namentlich das Verbot von ‹racial profiling› umfassen». Das Ergebnis wird der Beschuldigte – vermutlich monatelang – in Haft abwarten müssen.