Auf allen Kanälen: Im Hamsterrad der Stereotype

Nr. 25 –

Die Swisscom und das Newsportal «Watson» reproduzieren mit einer Satire über einen schwarzen Bundesrat zuhauf rassistische Bilder.

Das Spektakel der Exotisierung scheint zur Schweizer Kultur zu gehören wie «Röschti und Gschnätzlets». Die neuste Episode dieser rassistischen Alltagskultur serviert uns Swisscom in Zusammenarbeit mit dem Newsportal «Watson». Hamster heisst der schwarze Protagonist der Webserie, der jetzt den Clown spielt.

In vier Folgen begleiten die ZuschauerInnen den neu gewählten Bundesrat Ferdinand Hugentobler aka Hamster. Der Sprengkandidat ist Künstler, gehört nicht zum politischen Establishment – und er ist schwarz. Was nach einer postmigrantischen Auseinandersetzung mit Schweizer Politik klingt, entpuppt sich schnell als zeitgenössisches koloniales Theater, das auf dem Stereotyp des triebgesteuerten, ungebildeten, infantilen nichtweissen Mannes aufbaut.

Spiel mit weissen Kastrationsängsten

Solche Bilder haben Tradition. Ein Vorläufer von Hamster ist Viktor Giacobbos Fernsehfigur Rajiv Prasad. Mit seinen Reden über Sexualität überschritt Rajiv Prasad beständig die Grenzen des bürgerlichen Anstands. Er verkörperte damit in kolonialer Manier männliche heterosexuelle Fantasien, die auf nichtweisse Männer ausgelagert werden. Auch der schwarze Bundesrat, der nur an Dates und Viagra denkt und seine Sekretärin wegen ihrer Beine ins Büro kommen lässt, ermöglicht ZuschauerInnen den Konsum ausgelagerter sexistischer Fantasien. Als sich dem Bundesrat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt eine Frau im Femen-Stil mit nacktem Oberkörper und der Aufschrift «Hamster4Ever» auf dem Rücken in den Weg stellt, drückt Hamster sein Gesicht zwischen ihre Brüste. Der Berater im Hintergrund, Generalsekretär Häfliger, traut seinen Augen nicht.

Häfliger lässt sich als Dreh- und Angelfigur einer weissen Inszenierung lesen. Gespielt wird mit der politisch viel beschworenen Angst, dass die anständige, patriarchale und implizit immer weiss imaginierte Schweiz von einer fremden Macht ergriffen wird. Dies zeigt sich im Verhältnis zwischen Häfliger und Hamster: Obwohl Häfliger die staatsmännische Expertise und die notwendige Loyalität zum Staat besitzt, liegt die Macht alleine in den Händen von Hamster, der mit seiner Sex- und Spielbesessenheit der Albtraum jedes rechtschaffenen Schweizers ist. Nicht von ungefähr greift der neu gewählte Bundesrat in der ersten Folge nach dem blütenweissen Penis einer nackten griechischen Statue im Bundeshaus. Die Szene zeigt nicht nur, dass der Politiker nicht mit der altehrwürdigen Kultur des Abendlands umzugehen weiss, sie spielt offensichtlich auch mit den Kastrationsängsten weisser Männer.

Während Rajiv Prasad vom weissen Kabarettisten Giacobbo in Brownface gespielt wurde, wird Bundesrat Hamster von einem schwarzen Schauspieler verkörpert. Aber inwiefern ist es ein Fortschritt, wenn VertreterInnen marginalisierter Gruppen für stereotype Rollen beschäftigt werden? Und wofür steht diese Figur, die in einer Zeit auftaucht, in der wir feststellen dürfen, dass nicht Barack Obama durch Exzesse Schlagzeilen machte, sondern sein weisser rechtspopulistischer Nachfolger?

Der Youtube-Kanal von Swisscom und die Hintergrundinformationen zur Serie auf «Watson» erfüllen anders als staatliche Sender nicht einen öffentlichen Auftrag, sondern verfolgen wirtschaftliche Ziele. Ist die Erfrischung, die der schwarze Bundesrat als Vorsteher des «Departements für Volksnähe, Freshness und Sozialkultur» der Bundespolitik bringen soll, eigentlich jene, die sich die Swisscom als teilprivatisierte Aktiengesellschaft selber wünscht – nämlich eine erweiterte Kundschaft jenseits des bürgerlichen Mittelstands?

Humor, der nach unten tritt

Ein schwarzer Bundesrat weckt Interesse, weil er in der hiesigen weiss dominierten politischen Landschaft eine Transgression darstellt. Fraglich ist, wer begeistert werden soll, wenn sich die Webserie eines Humors bedient, der nach unten tritt: Wenn schwarze Männer wieder einmal gleichgesetzt werden mit einer tieferen sozialen Schicht, die prinzipiell kriminell, misogyn und unbelehrbar ist – und wenn schwarze Frauen einmal mehr schon gar nicht sichtbar werden? Tatsache ist, dass der hier geschaffene schwarze Trump mehr über die für diese Werbekampagne Verantwortlichen aussagt als über die jungen Männer, die davon angesprochen werden sollen.

Die Autorinnen forschen und lehren an der Universität Bern zu Gender und Postkolonialismus.