«Rock Down Asylgesetz»: Ungefragt eingemischt

Nr. 23 –

Nach dreizehn Jahren gibt es erstmals wieder einen politischen Sampler mit Schweizer Musik. Christian Trunz hat die Doppel-CD zusammengestellt.

WOZ: Wie ist es zum Sampler «Rock Down Asylgesetz/Ausländergesetz» gekommen?
Christian Trunz: Ursprünglich war der Sampler eine Idee von Christoph Lenz, dem Bassisten von Plenty Enuff. Irgendwann ist der aber in den Proberaum verschwunden, um seinen eigenen Song gegen die Asylgesetzvorlage aufzunehmen. Weil ich in der Primarschule nur Handorgel lernte, übernahm ich das operative Geschäft, wobei mir am Ende acht Leute mithalfen. Einen Sampler zu machen, entspricht dem Politikverständnis von uns allen: Politik kann auf allen Ebenen stattfinden, nicht nur auf der Strasse oder im Parlament, sondern eben auch in der Stereoanlage oder an Konzerten.

Also kultiviert politisieren sozusagen ...
Genau. So wie es an jeder Vereinsversammlung schön ist, wenn es am Schluss noch eine Darbietung gibt. Nein, im Ernst: In erster Linie sind die beiden Vorlagen, von der Beugehaft bis zum Sozialhilfestopp, für die Betroffenen absolut unmenschlich. Zweitens sind sie aber auch ein direkter Angriff der Blocherschweiz gegen das tatsächliche Leben in diesem Land im Jahr 2006: Die beteiligten MusikerInnen sind mit Secondos aufgewachsen und von ihnen beeinflusst, oder sie sind selber Secondos.

Wie bist du vorgegangen, um sie für den Sampler zu gewinnen?
Ich habe mich im Februar einfach ans Telefon gesetzt und ein paar Bands angerufen. Und diese haben wiederum andere MusikerInnen vorgeschlagen, deren Labels hatten weitere Ideen, und das hat sich dann schon fast verselbständigt. Anfänglich hatten wir uns alles kleiner vorgestellt, beispielsweise als Onlineplattform, von der man Songs herunterladen kann. Wir dachten, einige neue, eher unbekannte Bands würden das bestimmt unterstützen. Doch dann kam eine viel grössere Dynamik in die Sache.

Schliesslich sind es 38 Beiträge geworden.
Ja, fast so, als hätte man auf einen solchen Sampler gewartet. Mit dabei sind von Züri West über Franz Hohler zu Stiller Has, von Gimma über Favez zu Sens Unik die bekanntesten Namen. Wir wollten aber unbedingt auch MusikerInnen berücksichtigen, die seit Jahren fern der Konventionen spielen, Allschwil Posse beispielsweise. Oder junge Unbekannte wie den Kosovo-Rapper LuLDxE. So entstand schliesslich eine Doppel-CD. Es wären sogar noch mehr interessiert gewesen. Stephan Eicher wollte einen neuen Song aufnehmen, doch hat ihm die Zeit dazu nicht gereicht.

Es hat aber doch einige neue Sachen darauf?
Acht Songs wurden speziell für «Rock Down» geschrieben. Darin geht es explizit um die Sache: «Woni en Afghan bi gsi» heisst etwa der Beitrag von Pedro Lenz. «48 Stund zum dini Kriise bewiise» reimen die jungen Rapper von Direct Raption, Tribes Vibes, Spitt Bull & Raff – übrigens eine sehr schöne Kollaboration aus allen möglichen Seitentälern des Landes. Das war uns wichtig: dass die Szenen fast aller Städte dabei sind.

Es gibt aber nicht nur Protestsongs? Und alle Teilnehmenden waren überzeugt, dass ein Protest gegen das Asyl- und Ausländergesetz angebracht ist?
Ja, dazu waren alle bereit, auch Bands, die sich bisher nicht politisch geäussert haben. Wie gesagt, die meisten fühlen sich von den Gesetzen mitgemeint. Ich habe das Gefühl, dass die Tendenz zum Abbau von Grundrechten meine Generation extrem politisiert hat. Die Politik probiert an den Asylsuchenden aus, wie viel Druck und Unterdrückung möglich ist. Und wenn der Abbau der Freiheitsrechte bei dieser Gruppe klappt, dann macht man sich an die nächste. Und irgendwann schauen sie bei dir durchs Fenster.

Es ist aber auch ziemlich einfach, offen zu sagen: «Wir sind gegen dieses Asylgesetz».
Nicht unbedingt. Immerhin haben die meisten, gerade auch die etablierten Linken zu diesem Thema jahrelang geschwiegen. Die Rechten haben aus dem Asylwesen politisches Kapital geschlagen. Man kann sogar sagen: Sie haben es missbraucht. Gewehrt gegen die letzten Verschärfungen haben sich zuerst die Kirchen, dann die Solidaritätsnetze, dann BürgerInnen wie Ruth Dreifuss oder Markus Rauh. Das brauchte vor allem eines: Mut. Als solche ungefragte, öffentliche Einmischung sieht sich auch unser Sampler.

Es ist der erste politische Sampler seit der Stop-F/A-18-Platte.
Die älteren Musikerinnen und Musiker, die damals mitmachten, haben diese Parallele auch gezogen. Meine Erinnerung daran ist eher schwach, ich war 1993 erst elf Jahre alt. Sicher hat der Sampler damals viele politisiert, sicher ist er zudem ein spannender Querschnitt durch die damalige Schweizer Musikszene. Das erhoffen wir uns jedenfalls auch für «Rock Down».

Jener Sampler war ein Projekt der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Ihr dagegen seid keine politisch tätige Gruppe, und ihr werdet auch nicht von politischen Parteien unterstützt, nur Solidarité sans frontières ist dabei. Weshalb?
Es zeichnet den Protest gegen die unhaltbaren Zustände im Asylwesen ja gerade aus, dass er als Netzwerk, als Bewegung funktioniert. In diesem Sinn wollten wir, dass der Sampler parteipolitisch unabhängig bleibt. Wir werfen ihn nun einfach in die Debatte und hoffen, dass er Funken sprüht. Bestenfalls wird er gar zum Soundtrack für den Sommer.

Zur Lancierung des Samplers habt ihr ein Benefizkonzert geplant.
Am 16. Juni, am Freitagabend vor der nationalen MigrantInnendemo, spielen Patent Ochsner, King Kora und Greis im Dachstock der Reitschule in Bern. Dort und an der Demo wird die CD erstmals verkauft.

Ist später noch mehr geplant?

Im Moment gibt es noch keine konkreten Projekte. Wobei ich immer noch von einer Landtour Ende August träume, mit Konzerten in Dörfern und Städten. Vielleicht verselbständigt sich die Idee ja, ganz so wie die Planung des Samplers und so wie der Protest gegen die Asyl- und Ausländergesetze.

Christian Trunz ist aus St. Gallen, studiert an der Universität Bern Geschichte, Volkswirtschaft und Politikwissenschaft. In der WOZ Nr.1/06 erzählte er als einer von fünf engagierten jungen WOZ-LeserInnen mit Jahrgang 1981 – wie die WOZ – aus seinem Alltag: «Ich bin politisch ‹altlinks› – na und?»