Knapp daneben: Kilowattköbi

Nr. 11 –

Nun sitzt er schon im «Fussballtalk» auf SF 2, der Rainer Meier, und spricht über den Zustand der Schweizer Liga. Er ist zurück im Geschäft. Als «Blick»-Sportchef war er 1996 verantwortlich für die Kampagne gegen den damaligen Nati-Trainer Artur Jorge. «Jetzt spinnt er», titelte Meier nach Jorges Verzicht auf Adrian Knup und Alain Sutter, und mit dem Spinnen spielte die Zeitung auf den Hirntumor an, den sich der Portugiese einst hatte entfernen lassen. Rainer Meier verliess den «Blick» kurz darauf, liess es sich aber nicht nehmen, die Geschichte in einem «Magazin»-Artikel später erneut aufzuwärmen: Jorge hätte damals, vor der EM 1996, in der Kabine die Spieler zum Teil verwechselt, behauptete Meier, ohne eine Quelle zu nennen.

Nach der Lancierung der gänzlich erfolglosen Deutschschweizer Fussballzeitschrift «Matchmag» und einer Anstellung in der Swissair-Kommunikationsabteilung landete Meier bei der Axpo, als Leiter Corporate Communications. Die Axpo, Hauptsponsorin der höchsten Schweizer Fussballliga, drehte mit Nati-Trainer Köbi Kuhn einen Solarstrom dissenden Werbespot für Atomenergie, der Bundesrat Leuenberger und einigen andern sauer aufstiess. Rainer Meier bezeichnete in Axpos Namen den Spot süffisant als Diskussionsbeitrag in der Energiefrage und nahm Hauptdarsteller Kuhn in Schutz. Dieser war in der Zwischenzeit wütend geworden und davongelaufen, als ihn ein «10vor10»-Reporter fragte, wie er selber denn zu Atomstrom stehe. Die Axpo zog den Spot zurück, und Köbi Kuhn musste sich gequälten Blickes eine Solaruhr schenken lassen. Das interessiert aber nicht weiter, und es ist auch anzunehmen, dass Kuhn für all die negativen Schwingungen von der Axpo atomar entschädigt worden ist. Bemerkenswert ist viel mehr, dass Kuhn, dessen persönlicher Berater Erwin Zogg ebenfalls ein ehemaliger «Blick»-Journalist ist, mit Rainer Meier nun einen Fürsprecher gefunden hat, der einen von Kuhns Vorgängern auf beispiellose Art fertiggemacht hat.

Das WM-Spiel gegen die Ukraine war das wichtigste der Schweizer Nati seit dem Achtelfinale 1994 gegen Spanien. Kuhn wechselte falsch aus, nominierte seltsame Penaltyschützen und verlor. Seine Erklärung: «Hätte ich Frei drin gelassen, hätten wir das Penaltyschiessen halt statt mit 0:3 mit 1:3 verloren.» Damit kam er durch. Obwohl alle wussten, dass nach dem ersten verschossenen Penalty der Ukraine und einem möglichen Tor Freis alles anders gewesen wäre. Seit der WM bringt die Nati kein Bein vors andere, 1:2 gegen Österreich, 1:2 gegen Brasilien, 1:3 gegen Deutschland; knappe Niederlagen, grosse Defizite. Jeder andere Nati-Trainer wäre nach dieser Halbjahresbilanz auf dem Seziertisch der Boulevardpresse gelandet. Nicht aber Köbi. Nicht Köbi National.

Jetzt hat Kuhn Captain Johann Vogel telefonisch entlassen. Er hätte den Entscheid mit niemandem besprochen, sagt Kuhn. Als müsste man es tapfer finden, wenn einer Entscheide solcher Tragweite alleine fällt. Es zu glauben fällt ohnehin etwas schwer. Der «Blick» konzentriert sich auf Vogels emotionale Reaktion auf den Rausschmiss und gibt ihn damit der Lächerlichkeit preis. Köbi Kuhn, Trainer des Jahres, Schweizer des Jahres, Werbesujet der Credit Suisse, der Axpo, des Bauernverbands, einer Schoggifirma und eines Bierkonzerns, lächelnd mit Frau Alice auf dem Titelblatt der «Schweizer Illustrierten», Köbi Kuhn, gut vernetzt, gut beraten, gut bezahlt, darf bleiben. Er möchte gern Europameister werden.