Knapp daneben: Staatsfeind Jugend

Nr. 28 –

Hit me baby one more time. Die Schweiz prügelt sich warm im Kampf gegen die Renitenz. Der Knüppel sitzt locker, und Kind sein schützt nicht mehr vor Hieben. Die Zürcher SVP fordert «Korrektionsanstalten» für abverreckte Jugendliche und ist sicher auch bereit, in den eigenen Reihen ein paar Freiwillige zu rekrutieren für die Wartung der Selbstschussanlagen. Antiautoritäre Ansätze hätten sich überholt, weiss derweil die Zürcher SP-Bildungsdirektorin. Und sie muss es ja wissen, hat sie eines ihrer Kinder doch in die Privatschule geschickt. Wer über 20 000 Franken Schulgeld locker macht, will Tatzen statt Worte. Von ähnlichem Schrot und Korn sind ihre Parteigenossin und ihr Parteigenosse, die sich beide für bundesparlamentarische Ämter empfehlen: «Wir wollen Lösungen, die etwas bringen», kläffen sie und fordern Knast für die U-15. Kopf einziehen, Leute, es knallt von links und rechts, und von oben pisst es unaufhörlich.

Das Hooligangesetz ist in diesem Sinne sehr zeitgemäss, steht es doch auch Minderjährigen offen, bis runter zur U-13. In der neokonservativen Diktion heissen Streiche Delikte und Dummheiten Vergehen, und Strafe muss sein. Es ist auch egal, was einer wirklich getan hat. Ein bisschen dazugehören 
und es vermutlich gewesen sein, reicht auch. Wie das konkret aussieht im Fall des Hooligangesetzes, sei hier am Beispiel eines jungen GC-Fans beschrieben, der in diesen Tagen einen Brief vom Dienst für Analyse und Prävention erhalten hat: Guten Tag, Sie sind in 
der Hooligandatenbank. Mit freundlichen Grüssen.

Der Fan war im Frühling nach einem Auswärtsspiel in Sion vom GC-Sicherheitsdienst festgehalten und der Polizei übergeben worden. Drei Sicherheitsleute wollen gesehen haben, dass er während des Spiels als einer von vielen eine verbotene Leuchtfackel gezündet hat. Der Fan, der von Beginn an bestreitet, es gewesen zu sein, erhält kurz darauf ein nationales Stadionverbot. Auf dem Formular der Swiss Football League gibt es ein Feld «Zeugen des Vorfalls». Es ist leer. Es steht dort nicht «Drei Sicherheitsleute» oder «Zeugen sind der SFL bekannt». Es ist einfach leer. Man hat ihn gesehen. Das muss reichen. In einer Stellungnahme schreibt später der GC-Sicherheitsverantwortliche: «Zusätzlich wurde mir durch Private mitgeteilt, dass sich Hr. X. in einer Gruppe von ca. 12 Personen aufhielt, die am Spiel FC Rapperswil-Jona-GCZ (U-21) am 10. März 2007 Pyro gezündet haben. (Zufall?) Dies bestärkt mich in der Annahme, dass Herr X. gegen Sion gezündet hat oder in Zukunft zünden wird.» Man muss sich einfach einmal nüchtern vor Augen halten, was hier vor sich geht. Der Dienst für Analyse und Prävention führt eine Datenbank, in die er Fan X aufnimmt, der ein Stadionverbot hat, dessen Grundlage Aussagen von Zeugen sind, die es offiziell nicht gibt. 
Dafür gibt es «Private», die an einem andern Ort noch etwas anderes gesehen haben und das einem privaten Sicherheitsmann mitteilen, der deshalb davon ausgeht, dass Fan X. irgendwann etwas machen könnte. So also arbeitet im Jahr 2007 der Dienst für Analyse und Prävention, unser Staatsschutz. Schiesst mit Kanonen auf Spatzen und nimmt sich nicht einmal die Mühe, zu zielen. Ein Staat mit einem solchen Schutz ist tatsächlich in grosser Gefahr. Zu diesem Schluss kommt sicher auch der Dienst für Analyse und Prävention.

Der eidgenössische Datenschützer schreibt in seinem Jahresbericht, nach dem Geheu bei den Krankenkassen bereite ihm vor allem das Hooligangesetz Sorgen. Es sei heute nicht absehbar, wie und wann die offenen Fragen geklärt würden, wird er in der «Neuen Luzerner Zeitung» zitiert. Das ist Beistand von prominenter Stelle, doch sie hilft dem GC-Fan wenig. Ein Stadion wird er nicht mehr so schnell von innen sehen. Überhaupt tut er gut daran, sich fortan nicht mehr jugendlich zu gebärden, denn das Hooligangesetz hat noch ganz andere Scherze auf Lager für Kerle wie ihn: Rayonverbot, Meldeauflage, Gewahrsam. Und wenn das Gesetz 2009 verfassungstauglich gemacht wird, kommt bestimmt noch die Korrektionsanstalt mit rein.