Knapp daneben: Es kommt teuer zu stehen

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«Ich bin beunruhigt, weil ich nicht will, dass Leute über den Preis aus dem Stadion verdrängt werden. Der Fussball muss sich überlegen, woher er kommt und welche Fanbasis er in Zukunft will.» So spricht Gerry Sutcliffe, Anhänger des englischen Drittligisten Bradford City. Sein Wehklagen über zu hohe Eintrittspreise im englischen Fussball bliebe wohl ungehört, wäre Sutcliffe nicht gleichzeitig britischer Sportminister.

Englands gebeutelte Klubfans freuen sich über die prominente Unterstützung. Mit dem Fussball als «the working man’s ballet», als Ballett des armen Mannes, ist es nicht mehr weit her, Ticketpreise kaum je unter fünfzig Pfund spotten jeden Bezugs zur Arbeiterklasse. Stimmen von Fans, die als Einzelempörte oder organisierte Supportervereinigungen auf die aus dem Ruder gelaufenen Preise aufmerksam machen, verhallen unter immer höher gelegten Stadiondächern; die erweiterten oder neu errichteten «Grounds» sind voll wie noch nie, die Nachfrage stimmt, so what? Keine Marketingverantwortliche, kein Finanzchef eines englischen Profiklubs hat bis heute eingesehen, weshalb armen Schluckern günstige Tickets angeboten werden sollen, solange weniger Arme die teuren kaufen. Drinnen spielt United, draussen der Markt, alles ist gut. Nur eben etwas zu leise.

«Wie auf einer Beerdigung» sei er sich vorgekommen, raunzte Alex Ferguson, Trainer von Manchester United, nach dem Heimspiel am Neujahrstag. Einige der jungen Männer, die sich nach Fergusons Anweisungen auf dem Feld abmühen, verdienen umgerechnet 250000 Franken. Pro Woche. Das will beglichen sein. In der «Süddeutschen Zeitung» erklärt Ronald Reng in einfachen Worten, wie Preise leise machen: «In Wirklichkeit schauen in England noch immer mehr fanatische Fussballliebhaber zu als anderswo. Aber sie sind alt. 43 im Durchschnitt laut einer Umfrage der Premier League. Jugendliche können sich die Tickets nicht mehr leisten. Und mit 43 singt man nicht mehr.»

Es hat eine Verschiebung stattgefunden, oder, wie es der «Tagesspiegel» schreibt: «Die Zusammensetzung des Publikums wird zunehmend über den Preis geregelt.» Alex Fergusons Lärmforderung ist so verständlich wie jene Roy Keanes, der sich als Captain von Manchester United schon vor Jahren über die Shrimpsbrötchenfresser in den Logen ausliess. Zudem gleicht sie den Äusserungen jener Bayern-Fans, die an der Jahreshauptversammlung des Vereins die seichte Stimmung beklagt und die Haupttribüne dafür verantwortlich gemacht haben. Bloss: Während Ferguson und Keane für ihre akustischen Einbussen siebenstellig entschädigt werden, fürchten die besorgten Münchner um ihre Existenz. Der «Tagesspiegel»: «In der Wertigkeit der Klubs sind die Kurvenfans ans untere Ende gerückt. Der wahre, echte, gute Fan ist ökonomisch gesehen zu einer vernachlässigbaren Grösse geworden. Er führt noch ein paar Scheingefechte gegen absurde Anstosszeiten und abstruse Stadionnamen.» Derweil im «Guardian» ein Exponent der Manchester United Supporters Association dem stillegeplagten Trainer den Sitzplatzalltag schildert: «Wenn du aufstehen willst, um Lärm zu machen, wirst du von Stewards rausgepflückt. Sie nehmen dir deine Saisonkarte weg. Was genau für eine Stimmung stellt sich Ferguson unter diesen Umständen vor?»

«Ich glaub ich gseh nöd rächt», schrieb die Südkurve des FCZ auf ein Transparent, nachdem ihr Verein im Sommer 2007 die neuen Ticketpreise publik gemacht hatte. «Fuessball ghört allne», hiess dieselbe Losung in Baseldeutsch. Die Fans des FCB fanden 38 Franken zu viel für einen Eintritt in den Gästesektor des Letzigrund-Stadions. Sie blieben – wie zuvor im Derby schon die Fans der Grasshoppers – dem Spiel fern. Anders als in England besetzen in der Schweiz keine Fussballbegeisterten aus dem oberen Mittelstand die frei werdenden Plätze, weil die Spieler noch immer Friedli und Zanni heissen statt Rooney und Nani. Das stärkt die Position der Fans: Der fehlende Lärm schlägt in Franken zu Buche, der Markt ist auf ihrer Seite. Und Gerry Sutcliffe auch.