Knapp daneben: Der Sportantiquar

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Es gibt eine Sportwelt, sie passt in einen einzigen Raum, die bleibt vom Tagesgeschäft beinahe unberührt. Kein möglicher Transfer, keine gewagte Prognose, keine vorschnelle Analyse verirrt sich in ihr. Es ist die Welt des Sportantiquariats Germond. Zwischen Boxplakaten, FCZ-Krawatten und Bücherstapeln wird in dem kleinen Laden im Zürcher Oberdorf das historische Gedächtnis des Sports gepflegt; interessant ist, was von gestern ist. Gregory Germond hat in den sieben Jahren seit der Gründung seines Antiquariats aber nicht nur Memorabilia an- und verkauft. Er hat Einblick erhalten in den Umgang mit der eigenen Tradition und Geschichte, etwa bei Schweizer Fussballvereinen.

«Im Fussball gilt die Regel: Je kleiner der Verein, desto besser wird das Archiv geführt», so Germond. In den meisten Fällen aber existiere gar keines, oder die Vereinsführung wisse davon nichts. «Nehmen wir den FC Zürich. Vielleicht hätte ja jemand Interesse daran, eine neue Chronik zu schreiben. Nur, wo ist das Archiv? Niemand weiss es. Und im Staatsarchiv findet sich nichts. Was wiederum einiges über den Stellenwert des Sports aussagt.» Beim FC St. Gallen, «nach Le Havre immerhin der zweitälteste Fussballklub auf dem europäischen Festland», gebe es so etwas wie ein geordnetes Archiv schlichtweg nicht. Vielerorts würden die Schriften in feuchten Kellern gelagert oder in verstaubten Schränken, und in den Vereinen fühle sich niemand dafür zuständig. Erschwerend komme hinzu, dass in der Schweiz kein eigentlicher Sportverlag existiere, der sich um entsprechende Publikationen kümmern würde.

Als Ausnahmen nennt Germond die Westschweiz und die Region Basel: «Die Welschen kümmern sich weniger um den Markt. Wenn sie ein Buch schreiben wollen, schreiben sie es einfach.» «Des Azzurri chez les Helvètes» über italienische Immigranten im Schweizer Fussball nennt Germond als gutes Beispiel. Basler Sportpublikationen wiederum verfügten über eine lange Tradition, wie aktuell auch die Lancierung der Zeitung «Basler Fussball» zeigt. «Basler Chroniken erscheinen auch meist bei Verlagen, was im Sport eine Ausnahme darstellt», erklärt Germond und beschreibt am Beispiel des 100-Jahr-Buches von Concordia, was es für eine gelungene Chronik braucht: «Bei Concordia führten sie ein Goldenes Buch, in dem jeder Schnipsel über den Verein gesammelt wurde. Die Pflege des Archivs ist die Grundbedingung.» Germond holt das schwere Buch aus dem Regal. Umschlaggestaltung und Layout beeindrucken.

In England oder Deutschland finden regelmässig Sportsammlerbörsen mit mehreren Tausend BesucherInnen statt. Weil dem Schweizer Fussball eine ähnliche Sammel- und Erinnerungskultur fehlt, geht Sportantiquar Germond oft unkonventionelle Wege, um fündig zu werden. So erzählt er vom Nachlass eines 96-jährigen Zürchers, der in den Zwanzigerjahren Platzchef bei FCZ und GC war. Der äusserst wohlhabende Junggeselle sei dermassen sammelwütig gewesen, dass er seit den Dreissigerjahren täglich einen Stapel Drucksachen gebündelt und aufbewahrt habe, die er Ende Woche in Holzkisten bei Welti-Furrer einstellen liess. «Es heisst», so Germond, «der Mann sei so reich gewesen, dass er sich einfach eine neue Wohnung gekauft habe, wenn die alte vollgestellt war.» In wochenlanger Arbeit hat sich Germond einen Sommer lang durch die Papierberge gewühlt. Gefunden hat er, «zwischen Goldvreneli und Unterhosen», Matchprogramme aus den Zwanzigern und die blau-weissen Armbinden, die der Verstorbene als Platzchef getragen hatte.

Ein Besuch im Sportantiquariat lohnt sich nicht zuletzt solcher Geschichten wegen. Germond hat sich im Verlauf seiner Tätigkeit einen ungewöhnlichen Blick auf die Sportwelt angeeignet, vorbei am Tagesgeschäft und doch oft genug mit Bezug zur Gegenwart. «Sobald die Vereine sich um ihre Geschichte bemühen, steigt auch das Interesse im Umfeld», stellt er fest. «Doch für so Unrentables wie ein Klubmuseum hat es in den neuen Stadien mit Mantelnutzung meist keinen Platz.»

Sportantiquariat Germond, Frankengasse 6, 8001 Zürich. www.sportantiquariat.ch