Knapp daneben: Grosszügige Aufnahmeregelung

Nr. 22 –

Wir lassen nicht jeden rein, und nicht jede bekommt unsern Pass. So misstrauisch sind wir, dass wir nun sogar darüber abstimmen, die ganze Einbürgerungssache von der rechtlichen auf die Instinktebene zu verlagern. Damit wir in Zukunft sagen können: tönt komisch, riecht komisch, sieht komisch aus, also nein. Ganz anders aber, wenn es um die Aufnahme in eine unserer nationalen Datenbanken geht. Da regiert die Xenophilie. Da heissen wir alle willkommen, nehmen jede und jeden, machen keinen Unterschied, egal ob schwarz oder weiss, gut oder böse, verurteilt oder nicht.

6000 ausländische Personendaten, war zu lesen, will das Bundesamt für Polizei noch vor der EM in die Hooligandatenbank Hoogan aufnehmen. Sechstausend. Bis jetzt sind da etwas über 300 schweizerische drin, und der zuständige Dienst für Analyse und Prävention scheint bereits damit ausreichend gefordert. Jetzt soll die Datenbasis für drei Wochen verzwanzigfacht werden, zum Schutz der Bevölkerung. Ich stelle mir die Sicherheitsleute an den Stadion- und Public-Viewing-Eingängen vor, in der Hand einen Ordner zum Bersten voll mit Fichen. Da braucht es schnelle Finger. Da braucht es Wunderkinder in Protectas-Uniformen.

Überhaupt, Protectas: Ein grosser Teil der 6000 zusätzlichen Daten dürfte aus der deutschen «Datei Gewalttäter Sport» stammen. Deren Richtlinien besagen zum Datenzugriff aber: «Eine Übermittlung an Stellen ausserhalb der Polizei findet nicht statt.» Die Protectas zum Beispiel ist aber ausserhalb der Polizei, und sie hat als Sicherheitsbeauftragte von Sportveranstaltern Zugriff auf die Hoogan-Daten. Wissen das die registrierten deutschen «Gewalttäter»? Wissen die überhaupt, dass sie nun auch in der Schweiz als Hooligans anerkannt sind? Registrierte SchweizerInnen werden vom zuständigen Dienst für Analyse und Prävention (DAP) per Standardbrief über ihren Eintrag informiert. Gilt dieses Minimum an Transparenz auch für AusländerInnen?

Es ist überhaupt gar nicht so einfach mit dieser Ausländerfreundlichkeit in Fichenfragen. Diese «Datei Gewalttäter Sport» ist nämlich gar nicht legal. Sagt zumindest das Verwaltungsgericht Hannover. Nicht, dass man in Niedersachsen grundsätzlich etwas gegen die Registrierung von Gewalttätern hätte, aber so eine Datei müsse eben auch rechtens sein. Das sei sie nicht, so eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts, weil nicht nur das Bundeskriminalamt, sondern auch die Länder Datensätze eingeben und abrufen könnten. Dafür fehle aber die Rechtsverordnung. Ganz ähnlich wie bei uns, weshalb das befristete Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS II) nach 2009 wohl als Konkordat – und mit verschärftem Inhalt – weitergeführt wird.

Es stellen sich also ein paar Fragen, während im Minutentakt die hässlichen Fratzen vernarbter europäischer Übeltäter über die Bildschirme der DAP-SachbearbeiterInnen huschen. Die hässlichen Fratzen? «Gewalttäter Sport», im Gegensatz zu Hoogan keine Massnahmen-, sondern eine Personendatei, war in den vierzehn Jahren ihres Bestehens nie sehr wählerisch. Aufnahmen in die Datei können seit je auch erfolgen, «wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich diese Personen zukünftig im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen an Straftaten von erheblicher Bedeutung beteiligen werden.» Und so sind sie denn auch zahlreich, die Geschichten über Busladungen voller Auswärtsfans, die allesamt einer Personenkontrolle unterzogen und später registriert wurden, weil einer aus ihren Reihen sich auf der Raststätte daneben benommen hatte. So kommt der Staat zu vielen offiziellen «Gewalttätern Sport», die er dann, wie gerade jetzt, auch gerne im benachbarten Ausland bekannt macht.

Hooligandateien, in denen immer mehr Leute erfasst werden, die den Hooliganbeweis erst noch zu erbringen hätten – der «Spiegel» sprach vor einem Jahr mit einem Szenekundigen Beamten (SKB) über Sinn und Zweck von «Gewalttäter Sport». Der Befund des Polizisten: «Diese Datei gehört auf den Acker. Sie ist sehr verwässert worden.»