Geierfonds: Die Geier beim Kreisen stören

Nr. 40 –

Noch schlimmer als die allerorts gefürchteten «Heuschrecken» sind die «Geier»: private Investmentfonds, die Schulden von Drittweltländern billig aufkaufen und sie vor westlichen Gerichten einklagen.


Der Mechanismus ist einfach. Spekulative Privatfonds kaufen staatliche Schuldtitel von Drittweltländern, deren Rückzahlung infrage steht, zu Discountpreisen auf und klagen dann die volle Schuldenrückzahlung samt Zinsen vor Gericht ein. Dank einer gläubigerfreundlichen Rechtsprechung in den Industrieländern stecken sie exorbitante Gewinne ein und unterlaufen zugleich politische Bemühungen um eine Schuldenreduktion der ärmsten Länder.

Letztes Jahr geriet der Fall Sambia in die Schlagzeilen. Der Investmentfonds Donegal International hatte 1999 von der rumänischen Regierung Schuldforderungen gegenüber Sambia im Nominalwert von 15 Millionen US-Dollar zum Preis von 3,3 Millionen US-Dollar übernommen, danach Sambia vor einem britischen Gericht auf 55 Millionen Dollar (inklusive Zins und Zinseszins) verklagt und schliesslich 15,7 Millionen zugesprochen bekommen - ein satter Gewinn von 370 Prozent, auf Kosten eines Landes, in dem zwei Drittel der Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen.

Noch schlimmer traf es zwei zentralafrikanische Staaten, die kleine Republik Kongo (Brazzaville) und die Demokratische Republik Kongo, gegenüber denen verschiedene Investmentfonds vor mehreren westlichen Gerichten 443 bzw. 149 Millionen US-Dollar zugesprochen erhielten. Ende 2007 standen private Forderungen von 1,6 Milliarden US-Dollar vor Gericht gegen arme Länder aus. Insgesamt meldeten 22 afrikanische und lateinamerikanische Länder Rechtsfälle; rund eine Milliarde US-Dollar (inklusive Zins und Zinseszins) ist den Klägern gerichtlich bereits zugesprochen worden, und zwar in Bezug auf ursprüngliche Schulden von 434 Millionen. Selbst die Weltbank hat sich deshalb mit ungewöhnlich scharfen Worten gegen solche «Vulture Funds», oder «Geierfonds», gewandt.

Dabei tauchen immer wieder dieselben Investmentvehikel auf. Das aggressivste ist Elliott Associates des mehrfachen Milliardärs Paul Singer (siehe Kasten). Andere Fonds werden von Michael Sheehan beherrscht, der Sambia und weitere Entwicklungsländer schröpfte. Die Geier, überwiegend in den USA oder Grossbritannien domiziliert, beobachten den Markt und erkundigen sich routinemässig bei Finanzministerien in aller Welt nach Krediten, die zum Verkauf stehen könnten. «Wenn ein Kredit auf den Markt kommt, wissen wir es innerhalb von Stunden», hat Michael Sheehan stolz verkündet. Für die Aufkäufe benützen die Fonds zumeist Tochtergesellschaften, die in Steueroasen mit lascher Finanzaufsicht angemeldet sind.

Ausnützung aller Gesetze

Geierfonds haben seit längerem Nicaragua im Visier. LNC Investment, eine Singer-Tochtergesellschaft, lehnte 1995 eine international ausgehandelte Vereinbarung für noch aus der Ära des Somoza-Clans stammende Schulden ab. Nach langen Gerichtsverfahren und Verhandlungen zahlte Nicaragua schliesslich mindestens 213 Millionen US-Dollar an verschiedene Privatfonds. Ein weiterer Fonds, Greylock Global Opportunity, erhielt durch Gerichtsentscheid 50,9 Millionen zugesprochen. Im Dezember 2007 stellte die Weltbank Nicaragua 61 Millionen zur Verfügung, um weitere Schulden abzuzahlen. Worauf auch Greylock dem internationalen Schuldenabkommen zustimmte.

Und da ist der Fall der Republik Kongo (Brazzaville). Es ist eines der ärmsten Länder der Welt, aber reich an Öl. Ende der neunziger Jahre kaufte die auf den Cayman-Inseln ansässige Kensington International, eine Tochtergesellschaft von Singers Elliott Associates, 32,6 Millionen US-Dollar an Schuldtiteln für einen Betrag von weniger als 3 Millionen. Kensington strengte verschiedene Klagen an, bekam Recht und Anspruch auf mittlerweile aufgelaufene 118,6 Millionen. Da sich der Kongo weigerte, zu zahlen, suchte Kensington Zugriff auf Vermögenswerte und auf Geschäftspartner des Kongos. In London reichte der Fonds einen Antrag ein, Gelder der englischen Tochtergesellschaft des Schweizer Rohstoff-Multis Glencore, die über verschiedene Firmen Öl aus dem Kongo erworben hatte, seien einzuziehen. Kensingtons Anwälten gelang dabei der Nachweis, dass die Firmen, mit denen Glencore Geschäfte getätigt hatte, tatsächlich dem kongolesischen Staat gehörten. Im November 2005 entschied der High Court in London, dass Glencore 39 Millionen US-Dollar nicht an die kongolesischen Handelsfirmen, sondern an Kensington zahlen müsse. Um den Druck zu erhöhen, reichte Kensington weitere Klagen in New York ein.

Im Dezember 2007 erzielte der Londoner Klub der kommerziellen Kreditgeber ein Abkommen mit der Republik Kongo über einen partiellen Schuldenerlass. Doch drei Geierfonds - Kensington, FG Hemisphere und Walker International, in dessen Verwaltungsrat Michael Sheehan sitzt - schlossen sich dem Abkommen nicht an, sondern setzten ihre juristische Zermürbungsstrategie fort. Im Februar 2008 sprach das Landgericht Brüssel dem Investmentfonds Kensington das Recht zu, auf öffentliche Darlehen des belgischen Staats an die Republik Kongo zugreifen zu können. Wenig später warf die kongolesische Regierung das Handtuch und einigte sich mit Singer auf die Auszahlung einer ungenannt bleibenden Summe.

Die Geierfonds werden in der Schweiz nicht direkt gehandelt, Greylock Global Opportunities ist aber in Sammelfonds, sogenannten Fund of Funds enthalten, etwa bei der Credit Suisse oder bei der Bank Vontobel.

Gegenmassnahmen

Die Weltbank stellt seit beinahe zwei Jahrzehnten Gelder bereit, damit Drittweltländer Forderungen von privaten Gläubigern zurückkaufen können. Von dieser an sich löblichen Initiative profitieren aber mittlerweile nicht nur die ursprünglichen Gläubiger, sondern auch, wie im Falle Nicaragua, Geierfonds, die sich so ihre Profite durch Weltbankgelder finanzieren lassen. Ja die Weltbankinitiative ermutigt Investmentfonds geradezu, Gerichtsverfahren anzuzetteln, um Druck zu erzeugen, der für eine Auszahlung sorgen soll.

Die von den Geierfonds angestrengten Gerichtsverfahren stören allerdings die weltweiten Versuche zur Stabilisierung der Schuldensituation und stossen deshalb auch bei internationalen Finanzinstitutionen auf Ablehnung. Der britische Premierminister Gordon Brown verlangte letztes Jahr Massnahmen gegen die Raider, liess es aber bislang bei Worten bewenden. Gerade die gläubigerfreundliche Rechtsprechung und die kaum reglementierten Steueroasen unter britischer Flagge erleichtern die Leichenfleddereien der Geierfonds.

Weiter gegangen ist man bislang in Belgien. Nachdem dort ein Gericht öffentliche Entwicklungsgelder an die Republik Kongo (Brazzaville) zugunsten von Kensington International pfändete, verabschiedete das belgische Parlament im März 2008 ein Gesetz, das Mittel der belgischen Entwicklungszusammenarbeit für unpfändbar erklärt.

Seit neustem erwächst den Fonds ernst zu nehmende Gegnerschaft in den USA. Am 1. August 2008 ist im US-Repräsentantenhaus ein Gesetzesvorschlag der kalifornischen Demokratin Maxine Waters eingereicht worden, der Geierfonds stärkeren Vorschriften unterstellen will. Der Stop Vulture Funds Act soll die Höhe des Profits beschränken, den ein Fonds durch die Klage gegen ein armes Land erzielen kann. Zudem sollen die Fonds zur Offenlegung von mehr Informationen verpflichtet werden.

Eurodad und andere Entschuldungsorganisationen, darunter die Aktion Finanzplatz Schweiz, haben vorgeschlagen, dass die Geierfonds auch an den Gesprächen zur Entwicklungsfinanzierung Ende 2008 zur Sprache kommen sollten, und sie haben weitere notwendige Massnahmen skizziert, vor allem die Einrichtung eines fairen internationalen Mechanismus zur Aushandlung von Staatsschulden.


Dieser Artikel ist in erweiterter Form mit Quellenangaben auch in den «Finanzplatz-Informationen» 3/2008 erschienen. www.aktionfinanzplatz.ch

Paul Singer - ein erbarmungsloser Zermürbungstaktiker

Der US-Amerikaner Paul Singer begann mit konventionellen Investitionen und konzentrierte sich ab 1992 auf billige Schuldscheine kriselnder oder zahlungsunfähiger Unternehmen, die er dann bei der Konkursverwaltung aggressiv einforderte. Sein Investmentvehikel Elliott Associates LP griff zudem in klassischer Raider-Art verschiedene Firmen vor allem im Kommunikationsbereich an, um höhere Dividenden herauszuschinden. Ab Mitte der neunziger Jahre setzte Singer auch auf Staatspapiere. 1996 kaufte Elliott Associates für 11 Millionen US-Dollar Schuldtitel zweier peruanischer Staatsbanken im Nominalwert von 20,7 Millionen. In der Folge weigerte sich der Fonds, bei den internationalen Um- und Entschuldungsbemühungen für Peru mitzumachen, und klagte die Regierung stattdessen vier Jahre lang in sechs Ländern ein. Vor verschiedenen Handelsgerichten erreichte er einige Etappensiege. Die peruanische Regierung, die sich keine langjährigen kostspieligen Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang leisten wollte, gab auf und zahlte dem Investmentfonds im Oktober 2000 insgesamt 58 Millionen Dollar - ein Gewinn für Singer von 400 Prozent.

Der publizitätsscheue Investor hat seine Aktionen bei einem der wenigen öffentlichen Auftritte ungerührt verteidigt, ja sogar behauptet, die eingereichten Klagen würden zur Korruptionsbekämpfung in der Dritten Welt beitragen. Tatsächlich tischten seine Anwälte vor dem High Court in London Details über den nicht gerade bescheidenen Lebensstil führender kongolesischer Staatsvertreter auf.

Korrupte Praktiken und Günstlingswirtschaft sind in der Republik Kongo (Brazzaville) wie in den meisten Ölförderungsstaaten nicht zu bestreiten. Aber Global Witness und andere NGOs haben diese Korruption seit längerem aufgedeckt. Sobald eine aussergerichtliche Einigung zustande kam, zog Elliot Associates im Übrigen alle Klagen zurück, womit die Korruptionsuntersuchungen gestoppt wurden. Zudem zielen diese Verfahren nicht auf das persönliche Vermögen allfälliger korrupter Regierungsvertreter, sondern auf Staatsgelder, die die Bevölkerung zu bezahlen hat.

Singer trug jeweils mit Millionenbeträgen zu den Präsidentschaftskampagnen von George W. Bush bei. Eine Wette allerdings hat der gewiefte Spekulant verloren. 2007 setzte er als Hauptsponsor für die republikanische Präsidentschaftskandidatur ganz auf Rudy Giuliani, der aber früh aus dem Rennen schied.

Auch seine finanziellen Angriffe gehen nicht immer auf. Seit sechs Jahren versucht er beispielsweise, aus der argentinischen Schuldenkrise Mehrwert zu schöpfen. Als Argentinien 2002 den Schuldendienst einstellte, kaufte Singers Tochtergesellschaft NML Capital Ltd. Schuldforderungen für 180 Millionen US-Dollar zu 15 bis 30 Prozent des Nominalwerts auf und weigerte sich dann, der Offerte der argentinischen Regierung eines Abschlags auf 30 Prozent zuzustimmen. 2006 billigte ein US-Gericht Singer 284 Millionen zu.

Zwar erschwert es dieser Gerichtsentscheid Argentinien, US-Anleihen aufzunehmen, weil Singer sonst beantragen könnte, die Zinszahlungen zu beschlagnahmen. Dennoch hat Argentinien sein Angebot bisher nicht erhöht, ja das argentinische Parlament gar hat ein Gesetz erlassen, das eine Erhöhung verbietet. Bisher haben 70 Prozent der Gläubiger den argentinischen Vorschlag angenommen. Singer harrt weiter aus - hat also in diesem Fall bislang keinerlei Geld aus seiner Investition herausgeholt.