Frankreich: Bewahrer der Nation

Nr. 43 –

Staatspräsident Nicolas Sarkozy macht vor, wie eine rechtskonservative Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise aussieht: Ein «nationaler Fonds» soll die Schlüsselunternehmen schützen. Damit die weitermachen können wie bisher.


Jetzt sei die Zeit gekommen, dass der Staat grosse Konzerne teilweise verstaatliche. Diese aufsehenerregende Ankündigung hat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Dienstag vor dem Europäischen Parlament gemacht. «Nationale Fonds» sollen Schlüsselunternehmen schützen, die angesichts des Kurszerfalls ihrer Aktien durch eine Übernahme von «aussen» bedroht sind. Es geht also nicht um die gesellschaftliche Kontrolle von grossen Unternehmen und erst recht nicht darum, deren Profitmaximierung künftig beispielsweise sozialen oder ökologischen Zielen unterzuordnen. Vielmehr will Nicolas Sarkozy verhindern, dass Konzerne, die sich bislang ungeniert weltweit andere Firmen einverleibt haben, selber nun von Staatsfonds aus «Drittländern» einverleibt werden.

Frankreich befindet sich seit Anfang Oktober offiziell in einer Rezession. Die Regierung rechnet auch in diesem Quartal mit einem negativen Wirtschaftswachstum. Wie die Regierung anderer EU-Länder legte Sarkozy jüngst einen Rettungsplan für die von der Finanzkrise bedrohten Banken vor. Dieser umfasst 360 Milliarden Euro. Davon sollen 40 Milliarden das Eigenkapital der Banken aufstocken und 320 Milliarden als Staatsbürgschaften die Kreditgeschäfte zwischen den Bankinstituten wieder ankurbeln. Dabei sieht auch dieser Plan nicht vor, dass das Kreditwesen verstaatlicht wird - er soll ausschliesslich dazu dienen, die angeschlagenen Banken durch Staatshilfe wieder flottzumachen.

Krisengewinnler

«Die Krise stärkt die Exekutive» titelte die französische Sonntagszeitung «Journal du Dimanche» vor einer Woche. Man hätte auch andere Entwicklungen erwarten können. Angesichts der Wirtschafts- und auch Kaufkraftkrise, die Frankreich nicht erst seit gestern erfasst hat, sind bislang soziale Proteste fast ausgeblieben. Die Französinnen und Franzosen reagieren zumindest im Augenblick eher resigniert bis apathisch. Zumindest ein Teil von ihnen scheint sich unter den Fittichen des «starken Mannes» Nicolas Sarkozy gut aufgehoben zu fühlen. Die Zustimmungsraten zu seiner Politik sollen sich etwas erholt haben, nachdem sie nur wenige Monate nach der Präsidentenwahl tief im Keller angelangt waren.

Sarkozy versteht es, sich mit immer neuen Initiativen als Retter der Finanzkrise aufzuspielen. So traf er sich Ende vergangener Woche mit dem US-Präsidenten George Bush, um danach eine Reihe von Gipfeltreffen anzukündigen, die neue Regeln fürs Finanzsystem ausarbeiten sollen. Ausserdem soll er, laut einem Bericht der Zeitung «Le Monde», eine Verlängerung seiner EU-Präsidentschaft anstreben. Turnusgemäss sollen Tschechien und danach Schweden die Führung der EU übernehmen, aber angesichts der Finanzkrise will Sarkozy die präsidialen Kompetenzen jenen Ländern vorbehalten, die den Euro als Währung eingeführt haben.

Auf nationaler Ebene beherrscht Sarkozy die Debatte sowieso. Seine Partei UMP spricht seit einer Woche von der «Neugründung des Kapitalismus» und führt damit eine Kampagne. Es gelte die Abzockermentalität und bisher gängigen «Verfehlungen» auszuschalten, gleichzeitig aber die hehren Ideale der freien Marktwirtschaft zu verteidigen. Auch wenn das alles sehr allgemein tönt, sind die UMP-Vorschläge in aller Munde. Dies liegt vor allem daran, dass die SozialdemokratInnen - die grösste Oppositionskraft - Mühe bekunden, das Wort Kapitalismus nur schon in den Mund zu nehmen.

Rigide Einwanderungspolitik

Auch auf einem anderen Gebiet schwingt sich Sarkozy als Verteidiger der Nation auf. Als derzeitiger EU-Ratspräsident hat Sarkozy massgeblich zu dem am vergangenen Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel verabschiedeten europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl beigetragen. In dieser Übereinkunft geht es unter anderem darum, dass künftig nur noch «selektive Legalisierungen» von illegalen EinwanderInnen möglich sein sollen. Frankreich, aber auch Deutschland war sauer aufgestossen, dass Italien und Spanien in den letzten Jahren relativ viele EinwanderInnen legalisiert hatten. So erhielten vor drei Jahren allein in Spanien rund 700 000 Sans-Papiers Aufenthaltstitel zugesprochen. Dies ermöglichte es dem spanischen Staat, steuerfreie Schwarzarbeit in legale, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umzuwandeln und damit die hoch verschuldeten Sozialversicherungskassen aufzufüllen.

Durch sein Eintreten für eine höchst selektive Auswahl der erwünschten und benötigten ZuwanderInnen und einer gleichzeitig rigiden Ausweisungs- und Ausschaffungspraxis gegenüber den «Unerwünschten» gibt sich Sarkozy auch hier als Beschützer des «nationalen Interesses». In Zeiten stürmischer Krisenwellen und einer bedrohlich wirkenden Globalisierung des Kapitals mimt er den starken Mann, der den schützenden Schirm über seine Landsleute hält.