Durch den Monat mit James K. Galbraith (Teil 5): Der Vater als Bürde?

Nr. 44 –

WOZ: Herr Galbraith, im letzten Gespräch schätzten Sie den Einfluss des Irakkriegs auf die US-Wirtschaft als gering ein. Ihr Kollege Joseph Stiglitz hingegen bezeichnet den kostspieligen Krieg als eine der Hauptursachen für die Subprime-Bankenkrise. Was stimmt nun?
James K. Galbraith: Ich bewundere Joseph Stiglitz für seine umfassende Analyse der Kriegskosten. Zu Recht listet er die enorme Summe von mehreren Billionen Dollar auf. Trotzdem bleibe ich dabei: Die Subprime-Bankenkrise ist das Resultat von kriminell nachlässiger Aufsichtspflicht und Deregulation des Finanzsektors. Sie hätte auch ohne den Krieg passieren können.

Haben nicht Sie selbst vor dem Einmarsch in den Irak vor den «untragbaren Kosten» gewarnt?
Ich habe damals gesagt, dass dieser imperialistische Feldzug dem Ansehen der USA schadet und militärisch nicht erfolgreich sein kann. Ich stehe immer noch zu dieser Einschätzung. Aber bloss weil der Krieg kostspielig und eine schlechte Sache ist, will ich ihm nicht die Schuld für jedes wirtschaftliche Desaster zuschieben. Die Subprime-Bankenkrise ist das Resultat eines politischen Klimas, das faule Machenschaften und betrügerische Mauscheleien begünstigt und vorsichtiges, ehrliches Geschäften erschwert.

Und der Krieg befördert diese Wirtschaftsweise noch: wenig Aufsicht und ein Maximum an Deregulation.
Ja, es ist der gleiche nachlässige Umgang mit Regierungsverantwortlichkeit. Aber ich gehe nicht so weit zu sagen, die eine Misswirtschaft habe die andere verursacht.

Woher könnte nun das Personal für eine neue Ökonomie kommen? Die Bevölkerung in den USA misstraut den gegenwärtigen Rettungsaktionen unter anderem deshalb, weil sie von denselben Experten angeführt werden, die uns in die Katastrophe stürzten.
Und die Leute haben ganz recht. Man kann die Rettungsaktionen nicht ehemaligen Goldman-Sachs-CEOs überlassen. Diese Banker können Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht wiederherstellen, weil der Verdacht auf Interessenkonflikte und Hintergedanken bestehen bleibt. Das ist ein Problem, das im Januar verschwinden sollte, wenn das neue Regierungsteam antritt.

Ich habe Sie absichtlich nicht als Sohn des bekannten Keynesianers John Kenneth Galbraith eingeführt. Aber nun möchte ich doch gerne wissen: War diese berufliche Nachfolge eine Chance oder eine Bürde?
Es war ein enormes Privileg, Kollegen meines Vaters kennenlernen zu können. Diese Gruppe von Ökonomen war im Grossen und Ganzen viel bedeutender und intellektuell unabhängiger als die nachfolgende Generation. Diese Begegnungen waren für mich eine einmalige Chance. Auch als Publizist war mein Vater für mich ein grosses Vorbild, ich habe hoffentlich ein paar seiner Arbeitsgewohnheiten übernehmen können.

Wie würden Sie das intellektuelle Erbe von Ken Galbraith in wenigen Worten zusammenfassen?
Die Gesellschaft, der wirtschaftliche Teil einer Gesellschaft, ist nicht eine Welt, welche durch zufällige oder abstrakte Kräfte beherrscht wird. Es ist eine Konstellation von Organisationen und Systemen und wird durch Institutionen bestimmt, welche wir entwerfen und beeinflussen können. Wie diese Institutionen gebaut werden, wie ihre Teile zusammenarbeiten und ob sie eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen - das alles steht unter menschlicher Kontrolle. Damit müssen sich nicht bloss die Ökonomen, sondern wir alle in den nächsten Jahren auseinandersetzen. Das ist die Herausforderung.

Herr Galbraith, ich habe Sie gefragt, was Sie von Ihrem Vater geerbt haben. Was möchten Sie selber an Ihre eigenen Kinder weitergeben?
Ganz sicher dränge ich meine Kinder nicht dazu, Ökonominnen und Ökonomen zu werden. Vielleicht reformiert sich der Beruf ja und wird als Laufbahn wieder interessant - aber das müssen sie selber entscheiden. Ich ermutige sie in jedem Fall, nicht die Jagd nach wirtschaftlichem Gewinn zum obersten Prinzip zu machen, sondern ihre Talente zu entwickeln und ihren Interessen zu folgen. Wenn sie das auf ehrliche und engagierte Weise tun, ergibt sich der Rest des Lebens wie von selbst.

Der US-Ökonom JAMES K. GALBRAITH (56) lehrt an der Universität von Texas in Austin. Er ist Vater von vier Kindern. Sein neuestes Buch heisst «The Predator State» (Free Press 2008).