Die Denknetz-Diskussion

Nr. 46 –

Die linke Organisation Denknetz organisierte am 4. November in Zürich eine Veranstaltung unter dem Titel «Globale Finanzkrise: Welche linken Antworten?». Dabei wurde die Frage diskutiert, ob die aktuelle Finanzmarktkrise bloss eine Art Marktbereinigung darstellt oder Ausdruck einer tiefer liegenden Systemkrise ist, die sich etwa mit der Weltwirtschaftkrise vergleichen lässt, die 1928 ausbrach. Ausserdem wurden Vorschläge für eine Reform des Schweizer Finanzplatzes wie auch für einen grundsätzlicheren Umbau der Schweizer Wirtschaft vorgestellt. Die WOZ dokumentiert vier Referate dieser Veranstaltung.


Analyse: Wenn die Blasen platzen

Die Finanzmarktkrise droht sich zur globalen Rezession auszuweiten. Können die staatlichen Massnahmen die Situation beruhigen? Oder steckt der Kapitalismus in einer Sackgasse?


Die Wirtschaft als Patient

Von Tobias Straumann

Tobias Straumann ist Wirtschaftshistoriker. Er lehrt als Privatdozent am historischen Seminar der Universität Zürich und forscht über die Geschichte der Finanzmärkte.

Die Krise, die wir erleben, ist im historischen Vergleich zweifellos schlimm. Ich erwarte einen tiefen Taucher der US-Wirtschaft und eine relativ lange Stagnation, die sich auch auf Europa auswirken wird. Denn die Bereinigung von Immobilienkrisen nimmt erfahrungsgemäss lange Zeit in Anspruch, zumal die Hypothekarschulden in den letzten Jahren mehrmals neu verpackt wurden, sodass die GläubigerInnen keine Ahnung mehr haben, auf welche realen Werte sich die Schuldpapiere beziehen.

Der Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise der dreissiger Jahre ist aber immer noch falsch. Denn wir wissen doch viel besser als damals, wie wir auf Bankenkrisen reagieren müssen und die schlimmsten Folgen verhindern können. Man muss sich die Dimensionen der Weltwirtschaftskrise noch einmal vor Augen führen, um die Differenz zu sehen. In den USA etwa schrumpfte die Volkswirtschaft von 1929 bis 1933 um 30 Prozent, die Arbeitslosigkeit erreichte etwa 25 Prozent, und von rund 25 000 US-Banken verschwanden etwa 10 000. In Deutschland, der grössten Wirtschaft Europas, waren die Verhältnisse ähnlich schlimm. Ich muss aber zugeben, dass ich vor einem halben Jahr sicherer war, dass der Vergleich mit den dreissiger Jahren übertrieben ist.

Im Koma

Wie ist die Krise verlaufen? Ich würde drei Phasen unterscheiden. Die erste dauerte vom Sommer 2007 bis zum Sommer 2008. Die Lage war besorgniserregend, aber nicht hoffnungslos. Man könnte vielleicht sagen, der Patient hatte eine schlimme Krankheit, konnte aber mit Antibiotika am Leben erhalten werden. Die zweite Phase umfasste die dramatischen Wochen im September und Oktober, als das Finanzsystem einen regelrechten Infarkt erlitt und auf die Intensivstation gebracht werden musste. Die staatlichen Rettungspakete, die bald darauf geschnürt wurden, haben aber den Kollaps verhindert. Nun sind wir in einer dritten Phase, in der der Patient immer noch im Koma liegt. Die Staatsinterventionen haben zwar das Schlimmste verhindert, aber greifen nicht richtig, weil sich die Banken immer noch nicht vertrauen. Deshalb hat auch die Geldpolitik kaum noch Wirkung. Die Banken verlangen untereinander hohe Zinsen und horten das Geld. In dieser Phase hat sich die Krise zudem noch einmal deutlich ausgeweitet. Zum einen erleben wir den dramatischen Abschwung der Volkswirtschaft, den ich bereits erwähnt habe. Zum andern sind nun auch einige Schwellenländer, vor allem in Osteuropa, möglicherweise aber auch bald in Asien und Lateinamerika in den Sog der Krise geraten.

Wie geht es weiter? Trotz der Schwierigkeiten erwarte ich immer noch, dass die staatlichen Rettungspakete die Lage in den nächsten Wochen zu beruhigen vermögen. Wenn nicht, dann wird die Situation äusserst düster, denn der Staat hat eigentlich alles Pulver verschossen. Er kann dann nur noch das Finanzsystem vollständig verstaatlichen und ein äusserst strenges Kontrollsystem errichten, um den totalen Kollaps zu verhindern. Er müsste dann aber auch alle faulen Papiere übernehmen, was ihn äusserst teuer zu stehen käme.


Wenn fünf Krisen zusammenkommen

Von Winfried Wolf

Winfried Wolf ist Journalist und Herausgeber der Zeitschrift «Lunapark21». Von 1994 bis 2002 sass er für die PDS (heute die Linke) als Abgeordneter im Deutschen Bundestag.

Der frühere Notenbankchef der USA, Alain Greenspan, hat die jetzige Wirtschaftkrise als Jahrhundertereignis bezeichnet. Gleichzeitig sagte er gegenüber der «Financial Times» auf die Frage, wie diese Krise zu erklären sei: «Wir sind als Menschen einfach nicht klug genug. Wir können die Dinge nicht so weit voraussehen.»

Wir wissen also, Greenspan zusammengefasst, mehr über die Bewegungsgeschwindigkeit eines Elektrons als über die Bewegungsgeschwindigkeit des Geldes. Wir wissen mehr über den Kreislauf der Erde um die Sonne, als wir über den Industriezyklus wissen. Oder, wie es die Zeitung «Manchester Guardian» 1931 schrieb: «Wir können die Bewegungen von unsichtbaren Himmelskörpern mit unvergleichlich grösserer Genauigkeit voraussagen, als wir das Ende der Depression voraussagen können.» Ist es Dummheit oder Unfähigkeit? Oder wird die heutige Wirtschaftsordnung bewusst als etwas Gott- oder Naturgewolltes und Undurchschaubares dargestellt, damit wir sie nicht verändern?

Aus materialistischer Sicht muss man die aktuelle Krise als eine Kombination von fünf Ebenen denken.

Die Verschuldung: Die jetzige Finanzmarktkrise wird bekanntlich als Folge der Immobilienkrise in den USA dargestellt. Doch es geht um mehr. Seit einer längeren Zeitperiode würde die Produktion von Gütern und Dienstleistungen die eigentliche Nachfrage übertreffen, wenn es nicht auf allen Ebenen billige Kredite gäbe. Die Staaten und Privatpersonen haben sich immer weiter verschuldet. Die Blase ist zuerst im Immobiliensektor der USA geplatzt und hat jetzt weitere Sektoren durcheinandergebracht. Es drohen noch ganz andere Blase zu platzen.

Die zyklische Krise: Wir erleben gleichzeitig eine ganz normale zyklische Krise des Kapitalismus, wie sie alle sieben bis neun Jahre in der sogenannten Realwirtschaft stattfindet. Sie wäre diesmal vielleicht etwas später eingetroffen, ist jetzt aber durch die Finanzkrise beschleunigt worden. Die Krisen entstehen, weil es in der kapitalistischen Wirtschaft keine Planung gibt. Entscheidend ist alleine die Produktion von Mehrwert.

Lange Wellen: Seit 250 Jahren kommt es immer wieder vor, dass normale zyklische Krisen mit Finanzmarktkrisen zusammentreffen. Die Krise von 1847 lief weltweit sehr ähnlich ab wie die jetzige. Parallelen gibt es auch zu den grossen Wirtschaftskrisen von 1873 und 1929. Theoretiker wie Joseph Schumpeter und Ernest Mandel beschrieben diese Krise mit dem Bild der langen Wellen. Zuerst beginnt ein längerer Aufschwung aufgrund von neuen Technologien, die sich durchsetzen. Dampfkraft, Stahlindustrie und Elektronik zum Beispiel haben jeweils einen längeren Wachstumsschub von vierzig bis sechzig Jahren ausgelöst. Mit der Zeit sind jedoch die Wachstumszyklen immer kleiner geworden. Irgendwann einmal ist mit der Technologie kein Wachstum mehr möglich, und die grosse Krise bricht aus. Wenn man fragt, wieso der zeitliche Abstand von 1929 zu heute so gross war, so ist sicher die globale Wende von 1990 entscheidend. Ein Drittel der Menschheit, das nicht dem Kapital direkt unterworfen war, nicht kapitalistisch ausgebeutet worden war, ist direkt dem Kapital verfügbar gemacht worden. In Osteuropa, Russland, China und Indochina ist Raum für neue Expansionen geschaffen worden, zu einer Zeit, in der die grosse Krise schon hätte da sein müssen.

Das Ende der Supermacht: Der jetzige Hegemoniezyklus, wie das der Soziologe Immanuel Wallerstein nennt, neigt sich dem Ende zu. Im 500 Jahre alten Kapitalismus gab es immer eine Macht, die sowohl die militärische wie ökonomische Führung hatte. Zuerst die Niederlande, dann Britannien und ab 1873 die USA, die sich endgültig nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt hatten. Deren Hegemonie bröckelt jedoch seit 1968 und dem verlorenen Vietnamkrieg. Dabei gibt es keine eindeutige neue Macht, welche die Rolle der USA übernehmen könnte. Die EU ist kein festgefügter Block. Ihre Währung, der Euro, ist nicht stabil genug. Es gibt heute eine vielpolare Welt, wo massiver Konkurrenzkampf, Blockkonkurrenz, neue Aufrüstung und Kriege eine wichtige Rolle spielen könnten, wenn wir nicht selber dem Rad der Geschichte in die Speichen greifen.

Die Ölwirtschaft: Es gibt auch eine Krise der stofflichen Basis des Kapitalismus - der ölbasierten Wirtschaft. Die kapitalistische Produktion der letzten achtzig Jahre ist in einem Mass auf einen Rohstoff konzentriert, wie es nie zuvor in der Geschichte der Menschheit der Fall war. Zudem handelt es sich um einen Rohstoff, der extrem knapp und regional konzentriert ist. Dementsprechend waren die zyklischen Wirtschaftskrisen Mitte der siebziger Jahre, aber auch Anfang der achtziger und neunziger Jahre sowie zu Beginn dieses Jahrhunderts immer auch mit einem vorhergehenden Ölpreisanstieg verbunden. Auch diese Krise ist von einem dramatischen Anstieg des Ölpreises auf bis zu 160 US-Dollar pro Fass angekündigt worden.

Die enge Anbindung des Kapitalismus an die Ölwirtschaft hat mit deren Struktur zu tun. Grob gesagt entfallen zwei Drittel des Umsatzes der hundert grössten Konzerne der Erde auf Ölförderung und Ölverkauf sowie auf den Auto- und Flugzeugbau. Diese Tendenz hat sich in den letzten drei Jahrzehnten noch verstärkt, obwohl man seit den siebziger Jahren die ökologischen Gefahren der Ölwirtschaft kennt. Das Resultat ist eine historisch einmalige Rücksichtslosigkeit gegen Mensch, Natur und künftige
Generationen.


Was tun? Der neoliberale Traum ist aus

Wie kann die Schweiz auf die Krise reagieren? Neben Massnahmen, die auf einen Umbau des Finanzplatzes zielen, sind auch grundlegendere Veränderungen vonnöten.


Vom Mythos des Wachstums

Von Thomas Heilmann

Thomas Heilmann ist Ökonom, Mitglied des Bankrats der Zürcher Kantonalbank, Geschäftsleiter des Rotpunkt-Verlags und Stiftungsrat der Pensionskasse Nest.

Welche Entwicklung die Gesellschaft unter den Vorzeichen der Krise nimmt, ist offen. Es gibt nicht einen vorbestimmten Ausgang. Es gibt also Handlungsbedarf, aber auch Handlungsspielraum.

Werfen wir einen Blick auf die Altersvorsorge hier in der Schweiz, auf das berühmt-berüchtigte Dreisäulensystem. Jahrelang mussten wir die Geschichten vom bevorstehenden Untergang der AHV anhören - wegen der Demografie zum Beispiel. Nun ist jedoch die eidgenössische patentierte zweite Säule in eine schwere Krise geraten, wozu der NZZ letzthin nur eingefallen ist, dass sich die Menschen mit der Unsicherheit ihrer beruflichen Vorsorge abzufinden haben. Die Zeit wird wieder reif, den Ausbau der AHV zu wirklich existenzsichernden Renten zu fordern und die zweite Säule zurückzudrängen, sodass diese für die bescheideneren Einkommen keine Rolle mehr zu spielen braucht. Das Verständnis dafür wächst, dass es nicht angeht, die Menschen zum Zwangssparen zu verpflichten und dann die damit verbundenen Risiken ausschliesslich von eben diesen zwangsverpflichteten Menschen tragen zu lassen.

Nun wird, zuletzt wieder von alt Bundesrat Christoph Blocher, das hohe Lied der EigentümerInnen, also der AktionärInnen gesungen, deren Rechte gegenüber dem Management gestärkt werden sollen. Blocher war es, der im Verein mit seinem damaligen Kumpan Martin Ebner den sogenannten Shareholder-Value massenwirksam propagiert hat. Kann es denn sein, dass ausgerechnet die sogenannten InvestorInnen - die mit den Unternehmen nur durch die Börse verbundenen sind und jederzeit Reissaus nehmen können - nun das Heil bringen? Mir ist es egal, wenn die AktionärInnen dem Management die Boni streitig machen wollen. Eine ganz andere Frage ist hingegen, ob die viel zahlreicheren Stakeholder, in erster Linie die Mitarbeitenden, darob glücklich werden. Das darf bezweifelt werden. Es wäre hier an der Zeit, die Frage der Mitbestimmung wieder neu aufs Tapet zu bringen. Selbstverständlich bin ich mir all der damit verbundenen Zwiespältigkeiten bewusst; aber es kann nicht sein, dass in der Verarbeitung der jetzigen Krise gerade die am härtesten Betroffenen aussen vor bleiben.

Zum Finanzsektor vorläufig nur so viel: Er redimensioniert sich jetzt in atemberaubendem Tempo selbst. Schärfere Eigenkapitalbestimmungen sind zu begrüssen. Aber wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, mit mehr Regulierungen wäre viel geholfen. Gerade das Beispiel USA sollte hier eine Warnung sein. Die Subprimekrise ist nicht die Folge einer zu schwachen Regulierung, sondern sie hat sich in einem dicht regulierten Umfeld entwickelt. Gerade wegen dieser Regulierungen glaubten nicht wenige, man könne sich eine derart unvernünftige Kreditpolitik erlauben (selbstverständlich auch, weil dabei viel Geld zu verdienen war). Man glaubte, die Risiken handhabbar zu machen und aus dem Finanzsektor hinauszuschleusen.

Achtung: Staat!

Für mich zentral ist jedoch die neue Rolle des Staates. Die anarcholiberalen Träumereien sind am Ende. Dass die kapitalistische Wirtschaft und der Markt eine «staatliche Veranstaltung» sind, wie die alten Ordoliberalen nicht müde wurden hervorzuheben, tritt nun wieder deutlich zutage. Aber es gibt hier keinen Grund in linken Jubel auszubrechen, weil die Linken den Staat gegen die neoliberalen PrivatisiererInnen verteidigt haben - und jetzt recht bekommen. Wir müssen nämlich auf der Hut sein: Wenn nun der Staat eine anerkanntermassen grössere Rolle spielen soll, wird von den Zentren der Macht her der Druck wachsen, die staatlichen Entscheide mehr und mehr (noch mehr, werden einige sagen) der demokratischen Kontrolle und dem demokratischen Entscheidungsprozess zu entziehen - und sei es durch Verlagerung, was sich im Zeichen der globalen Krise ja zunächst gut anhört, in supranationale Gremien. Diese aber werden von den Exekutiven beherrscht, die dort - wie im Ancien Régime - Legislative und Exekutive in einem sind. Von solchen Konstellationen ist nicht viel Gutes zu erwarten.

Ausstieg aus der Übernutzung

Die wachsende Rolle des Staates hebt somit die Bedeutung der Verteidigung der demokratischen Rechte und deren Ausbau besonders hervor. Wenn sich «die andern» nun wieder mehr um den Staat, den sie verteufelt und lächerlich gemacht haben, kümmern wollen, so ist deren Intention auf einen autoritären Staat gerichtet. Notrecht wurde in der Schweiz schon jetzt unter dem Applaus der Öffentlichkeit angewendet. Hier werden zentrale Auseinandersetzungen stattfinden, die das künftige Gesicht der Nachkrisenzeit bestimmen werden.

Das Gesicht der Nachkrisenzeit, wenn denn eine solche so rasch kommt, wird aber auch von den nun anstehenden Konjunkturförderungsmassnahmen bestimmt. Schön, dass die Krise nun für den ökosozialen Umbau genutzt werden soll. Aber es wird mit diesem Begriff Schindluder getrieben, wenn darunter lediglich die energetische Verbesserung der Liegenschaften sowie ein paar Windräder verstanden werden. Ökosozialer Umbau ernst genommen - und nicht als wohlklingendes Schlagwort missbraucht - heisst Ausstieg aus der Übernutzungswirtschaft, heisst, unseren Ressourcenverbrauch einem global verträglichen Niveau anzunähern, hier ein gesellschaftliches Produktions- und Reproduktionsmodell zu entwickeln, welches nicht für unsere sieben Millionen, sondern für Milliarden ein anständiges Leben und ein langfristiges Überleben des Planeten bietet. Kurzfristig geht es aber auch nur schon darum, nicht der Betonfraktion den Weg zu ebnen, damit sie dabei noch vom Ruf des Retters in der Not profitieren kann.

Der ökosoziale Umbau kann nur gelingen, wenn wir uns vom Mythos des Wachstums befreien. Die Bereiche, die vom Wertgesetz und von der kapitalistischen Warenwirtschaft beherrscht werden, müssen zurückgedrängt werden. Die Bereiche, die nach den Prinzipien der Solidarität und gemeinschaftlicher Lebensgestaltung funktionieren, müssen in der Gesellschaft und in der Politik einen höheren Stellenwert erhalten. Dass diese Bereiche auch in unserm persönlichen Leben bestimmender werden - dafür können wir heute schon konkret etwas tun.


Vier Punkte zur Reform

Von Gian Trepp

Gian Trepp ist Ökonom, Journalist und Buchautor. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Entwicklungen auf den Finanzmärkten und schreibt darüber regelmässig in der WOZ.

Was muss in der Schweiz angesichts der Finanzkrise aus Sicht der Lohnabhängigen getan werden? Kurzfristig muss die Linke im Parlament das UBS-Hilfsprogramm zurückweisen (vgl. Artikel «Schweigen und Schönreden»). Langfristig schlage ich einen Vierpunkteplan vor.

Erstens: Man muss in der Schweiz ein Trennbankensystem einführen und dazu das Bankengesetz revidieren. Eine Investmentbank darf kein Handelsbankgeschäft betreiben. Wenn diese Forderung verwirklicht wird, dann gäbe es die UBS in der jetzigen Form nicht mehr. Grossbanken mit ihren Spekulationsgeschäften wären kein Systemrisiko mehr für die ganze Volkswirtschaft.

Zweitens: Es braucht eine volle Bankenlizenz für die Postbank. Damit würden diejenigen Banken in der Schweiz, die über eine Staatsgarantie verfügen, mit Wettbewerb beglückt. Die Kantonalbanken erhielten also Konkurrenz und würden ihre Angebote möglicherweise verbessern. Wir haben ja gelernt, dass die Marktwirtschaft der Planwirtschaft manchmal überlegen ist.

Drittens: Die Banken sind als Teil des Service public zu verstehen. Die Infrastruktur des Bankensektors muss so gut sein, das sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Finanzplätzen darstellt. Auch für das Inlandgeschäft gilt: Die Bankomaten müssen funktionieren, man muss seine Bankgeschäfte via Internet sicher abwickeln können, es darf keine Korruption geben. Das Bankgeheimnis kann demgegenüber getrost abgeschafft werden.

Das Bankgeheimnis ist heute ausser für afrikanische Potentaten sowieso so gut wie bedeutungslos geworden. Die US-Steuerbehörden und die CIA haben bei den Schweizer Grossbanken Zugriff auf die Bankdaten von US-BürgerInnen. Das Bankgeheimnis hat vor allem noch symbolischen Wert. Jene, die ihr Geld in die Schweiz bringen, wollen ihre Identität zumeist nicht mehr verschleiern. Man zahlt heute wieder seine Steuern in dem Land, in dem man wohnt. Unter dem Stichwort Globalisierung war das nicht der Fall. Heute ist jedoch wieder eine grössere Bindung zum Nationalstaat festzustellen.

Viertens: Es braucht mehr Regulierung und Überwachung. Bisher wurde vom Bundesrat immer gesagt, die Überwachung sei nicht so wichtig und der Finanzplatz würde sich selber regulieren. Dieses Konzept ist gescheitert. Die Bankenkommission hat als Überwachungsbehörde versagt.

Das Denknetz

Die Organisation Denknetz besteht seit fünf Jahren. Zu den aktiven Mitgliedern dieses linken Thinktanks zählen vorab GewerkschafterInnen und WissenschaftlerInnen. Das Denknetz veröffentlicht Jahrbücher, organisiert Veranstaltungen und stellt Texte - vorab zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen - auf seine Website. Präsident des Denknetzes ist der Philosoph Urs Marti. Als Geschäftsführer fungiert der Gewerkschafter Beat Ringger.

Die nächste Veranstaltung des Denknetzes findet am Mittwoch, 3. Dezember, im Zürcher Volkshaus statt. Thema: «Globale Finanzkrise: Welche feministischen Antworten?»

www.denknetz-online.ch