Aufsicht?: Milliardenfehler

Nr. 8 –

Die Finma sollte Banken und Versicherungen kontrollieren. Stattdessen ist sie deren Komplizin. Gedeckt wird die Behörde von Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Es ist höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen.


Dieser Mensch macht niemandem Angst. Eugen Haltiner, oberster Aufseher des Schweizer Finanzplatzes, ist ein Mann mit dichtem weissem Haar, einer unentschiedenen Brille und einer Sprache, deren Sperrigkeit Tränen in die Augen treibt. Dieser unscheinbare Mann steht im Zentrum der Empörung.

Das hat gute Gründe. Haltiner ist der falsche Mann für sein Amt. Und seine Behörde, die Finma (in die die Eidgenössische Bankenkommission EBK, das Bundesamt für Privatversicherungen und die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei auf Anfang 2009 zusammengelegt wurden), ist ebenso hilflos wie ihr Präsident.

Das neuste Beispiel für ihr Versagen sind die 3,8 Milliarden Franken Boni, welche die UBS trotz ihres desaströsen Geschäftsjahres ihren Mitarbeitenden auszahlen will. Die Finma hat dies abgesegnet und damit einmal mehr gezeigt, wessen Komplizin sie ist: nicht die der KundInnen, nicht die des Staates, sondern die der Banken.

Mehr Lohn als ein Bundesrat

Die Boni-Debatte ist nur das letzte Beispiel in einer Reihe von Debakeln. Das Versagen hat drei Gründe. Erstens die fehlende Kompetenz: «Die smarten Finma-Leute werden nach einem Jahr durch die Banken abgeworben», sagt ein Banker. Dabei ist die Finma inzwischen selbst organisiert wie ein Unternehmen – mit Verwaltungsrat und Geschäftsleitung – und zahlt sich auch selber Boni aus, die bis zu zehn Prozent des Basislohns betragen. Der Direktor etwa, Patrick Raaflaub, erhält laut «Bilanz» immerhin einen Basislohn von 450 000 Franken. Exklusiv Bonus. Zum Vergleich: BundesrätInnen verdienen 400 000 Franken.

Der zweite Grund für die Schwäche der Finma liegt an ihren gesetzlichen Grundlagen. Das Finanzmarktaufsichtsgesetz wie auch die Behörde wurden während der Boomjahre geformt von einem Finanzminister, der sein ganzes berufliches Leben damit verbracht hat, reiche Menschen noch reicher zu machen: Hans-Rudolf Merz. Selbstregulierung statt Kontrolle war die Devise. Haltiner versprach 2006 der Versicherungsbranche, dass seine Behörde «internationale Mindeststandards» beachten würde – und dass sie «die Selbstregulierung unterstützen und die Beaufsichtigten in einen transparenten Regulierungsprozess miteinbeziehen» würde.

Der dritte Grund: Bei der Finma arbeiten vor allem ManagerInnen aus der Banken- und Versicherungsbranche. Direktor Raaflaub etwa war Berater der Credit Suisse und arbeitete vierzehn Jahre für die Rückversicherungsgesellschaft Swiss Re. Im Vorfeld seiner Wahl soll Walter Kielholz, CS-Präsident und Vize der Swiss Re, eifrig lobbyiert haben. Merz empfahl dem Gesamtbundesrat den Verwaltungsrat zur Wahl. Dabei bevorzugte er Leute, die aus der gleichen Clique kommen wie diejenigen, die sie später beaufsichtigen sollten. 2005 präsentierte er den UBS-Mann und seinen langjährigen Bekannten Eugen Haltiner als einzigen Kandidaten für den Job des Präsidenten der EBK. Als Ende letzten Jahres noch ein Sitz im Finma-Verwaltungsrat unbesetzt war, sagte er: «Ich werde jemanden aus der Versicherungswelt suchen.» Er fand ihn in einem Swiss-Life-Topmanager. Auf die Frage an Haltiner, ob bei solch grosser Nähe nicht Interessenkonflikte entstünden, verweist er auf interne Schulungen und einen Verhaltenskodex.

Kaum Sanktionen

Selbst Topmanager kritisieren die Behörde inzwischen öffentlich. Oswald Grübel, ehemaliger Konzernchef der Credit Suisse, sagte kürzlich dem «Tages-Anzeiger», die Aufsicht hätte nicht funktioniert: «Die Eidgenössische Bankenkommission hätte die Banken zwingen können, ihre Positionen herunterzufahren. Wäre das 2006 passiert, hätten wir etwas weniger verdient, würden heute aber besser dastehen. (...) Macht eine Aufsicht das, was der von ihr Beaufsichtigte will, ist sie keine Aufsicht.»

Haltiner hat die Krise nicht kommen sehen. Noch im April 2008 sagte er: «Die Liquiditätslage der Schweizer Grossbanken ist gut bis sehr gut.» Die Aufsicht ist seit Jahren blind. Sanktionen spricht sie kaum je aus. 2004 machte sie einen verhängnisvollen Fehler, indem sie ein neues Risikomodell der UBS genehmigte – und damit die tiefe Eigenkapitaldeckung, die den faktischen Bankrott der Grossbank zur Folge hatte. Und das teuerste Rettungspaket der Schweizer Geschichte. «Die EBK kann weder Krisen vorhersehen, noch solche verhindern», sagte Haltiner.

Die Finanzbranche ist erschüttert. Das Vertrauen ist weg. Das Bankgeheimnis ist praktisch am Ende. Ein Umbau des Finanzplatzes ist unumgänglich. Dazu braucht es ein transparentes Kontrollgremium, in dem nicht nur Branchenleute sitzen. Doch Hans-Rudolf Merz stellt sich immer noch schützend vor die Finma. Und diese sich vor die UBS.

Noch verhallt die Empörung. Noch sitzen Eugen Haltiner und Hans-Rudolf Merz in ihren Sesseln. Sie kosten uns Milliarden.