Internationaler Währungsfonds: Die Zeuselbande

Nr. 15 –

Ausgerechnet der IWF ist am G20-Gipfel zur Feuerwehr gegen die Weltwirtschaftkrise bestimmt worden. Dabei hat diese Institution die Brände mitverursacht.


Jetzt soll es also der Internationale Währungsfonds (IWF) richten. Das weitaus Konkreteste in der schwülstigen Ankündigungsprosa des britischen Premierministers Gordon Brown zum Abschluss des G20-Gipfels in London war die Mitteilung, dass 750 Milliarden US-Dollar in die Kassen des IWF fliessen sollen. Eine Wende zum Besseren, wie der G20-Kurator diese Investition zu verkaufen versuchte, ist dies allerdings nicht.

Es scheint alles verkehrt zu laufen. Ausgerechnet der IWF kommt jetzt wieder zum Zug - ein Auslaufmodell, das sich nicht nur bei der Bewältigung früherer Krisen als unfähig erwiesen, sondern sogar die jetzige Krise mitverursacht hat.

Ab Ende der siebziger Jahre hatte der IWF den Mitgliederländern Kredite unter immer strengeren Auflagen erteilt. Die neoliberalen ÖkonomInnen gebärdeten sich als Überregierung, die den mehr oder weniger gewählten VolksvertreterInnen nicht nur happige Sparprogramme und Privatisierungen aufzwängten, sondern auch darauf pochten, dem internationalen Kapital freie Fahrt zu erteilen. Kapitalverkehrskontrollen mussten abgebaut werden. Die multinationalen Banken durften fortan nach Belieben Gelder in die betreffenden Länder ein- und ausführen und schränkten damit den Handlungsspielraum der entsprechenden Zentralbanken und Regierungen ein. Auch in der Asienkrise Ende der neunziger Jahre spielte sich der IWF mit seinen Rezepten als Besserwisser auf und musste feststellen, dass ausgerechnet Malaysia, das auf die IWF-Kredite verzichtete und stattdessen eine Kapitalverkehrskontrolle einführte, am besten aus der Krise herausfand.

Geld statt Strategie

In den letzten Jahren wollte kaum mehr ein Land mit der Institution aus Washington zu tun haben. Die meisten Schwellenländer in Asien und Lateinamerika zahlten ihre Schulden zurück und gründeten eigene Institutionen für die Kreditvergabe. Die Beamten des IWF drohten arbeitslos zu werden - bis sie sich mit der jetzigen Krise wieder in Szene setzen konnten.

Es scheint, die G20-Staaten haben sich auf den IWF als Feuerwehr geeinigt, weil diese Institution bereits besteht und alle von ihnen darin vertreten sind. Die tonangebenden westlichen Staaten haben zumindest versprochen, dass sie den Schwellenländern mehr Stimmrecht abtreten wollen. Auch soll die Kreditvergabe einfacher gestaltet werden. Doch die Geldzusagen für den IWF lenken davon ab, dass man am G20 keine weitergehende gemeinsame Strategie gegen die Krise gefunden hat. Gewichtige europäische Staaten wie Frankreich und Deutschland widersetzten sich dem Plan eines weiteren, koordinierten Konjunkturpaketes. Von einem ökologischen und sozialen Umbau der Weltwirtschaft ist man weit entfernt. Die führenden PolitikerInnen scheinen weiterhin darauf zu hoffen, dass sich alles schon irgendwie wieder zurechtbiegen lässt und dass dieses System schon irgendwie wieder funktionieren wird.

Von einer starken Antwort auf die aktuelle Krise in den Entwicklungsländern kann schon gar nicht gesprochen werden. Zwar sind immerhin fünfzig Milliarden Dollar für die 49 ärmsten Länder dieser Welt vorgesehen, doch ist unklar, wann und unter welchen Bedingungen diese Gelder ausbezahlt werden. Der Finanzbedarf ist weitaus höher. Der IWF selbst schätzt, dass allein in diesem Jahr in diesen ärmsten Ländern aufgrund der Weltwirtschaftskrise ein Finanzbedarf von 216 Milliarden Dollar besteht.

Zweite Subprime-Krise

Generell wird damit gerechnet, dass sich 2009 die Zahl der Hungernden auf eine Milliarde Menschen erhöhen wird. War nicht geplant, den Hunger dieser Welt bis ins Jahr 2015 zu halbieren? Hatten nicht die grössten Industrienationen auf ihren G8-Gipfeln immer wieder zusätzliche Milliarden für die Entwicklungshilfe versprochen? Schall und Rauch - wie wohl auch viele Versprechungen des jetzigen G20-Gipfels.

Ein grosser Teil der jetzt beschlossenen IWF-Gelder wird wohl nach Ost- und Südosteuropa fliessen, wo derzeit so etwas wie die zweite Subprime-Krise stattfindet. Verschiedene Länder könnten - wie schon Island - zahlungsunfähig werden. Der IWF kommt in einem am Montag in der «Financial Times» veröffentlichten Bericht zum Schluss, dass eine Abwärtsspirale droht, die vor allem auch die westeuropäischen Banken stark treffen wird. Diese haben in Ost- und Südosteuropa ausstehende Kredite in der Höhe von 1600 Milliarden Dollar.

Rache für die graue Liste

Die österreichischen Banken sind am stärksten gefährdet. Sollten sie einen substanziellen Teil ihrer Kredite abschreiben müssen, würden sie bankrottgehen. Nicht von ungefähr muss denn auch der österreichische Staat derzeit 1,3 Prozent mehr an Zinsen für seine Staatsanleihen zahlen als etwa Deutschland. Vor einem Jahr lag der Unterschied noch bei 0,1 Prozent. Österreich Geld zu leihen, gilt bei den AnlegerInnen als riskant.

Auch die Schweizer Banken haben gemäss IWF in Ost- und Südosteuropa ausstehende Kredite in Höhe von über fünfzig Milliarden Franken. Sie müssten deshalb ein starkes Interesse haben, dass der IWF dort dafür sorgt, dass die Kredite zurückbezahlt werden können. Wie abstrus die Diskussion in der Schweiz läuft, zeigt die Tatsache, dass ausgerechnet bürgerliche PolitikerInnen eine Aufstockung der Schweizer IWF-Beteiligung um zehn Milliarden Dollar verhindern wollen - als Rache für die ominöse graue OECD-Liste. Dabei gäbe es ja durchaus gute Gründe, das Schweizer Engagement im IWF zu hinterfragen und eine andere Form der Hilfe einzufordern. Doch dazu ist von Schweizer PolitikerInnen nichts zu hören.

Im Juni bankrott?

Der IWF vergibt in Osteuropa bereits seit September 2008 neue Kredite  - etwa an Georgien, die Ukraine, Ungarn oder auch Lettland. Die Auflagen sind wie gehabt: Während im Westen die Staatsverschuldung wegen der Krise erhöht wird, werden diese Länder dazu verpflichtet, ihre Schulden zurückzufahren. Dies geht auf Kosten etwa der Staatsangestellten und RentnerInnen und hemmt die Möglichkeit, mit Investitionen die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Lettland weigert sich derzeit, weiter die IWF-Rezeptur zu sich zu nehmen. Prompt ist dem Land in den letzten Tagen denn auch eine versprochene Kredittranche von dreissig Millionen Franken vorenthalten worden, wie verschiedene Medien berichteten. Lettische Politiker befürchten bereits, dass im Juni der Staatsbankrott ausgerufen werden muss. Ob sich der IWF genügend schnell reformieren lässt?