100 Wörter: Obdachlose Seeleute

Nr. 27 –

Kapitän Krummenacher sass auf der Kommandobrücke und schaute aufs weite Meer hinaus, das aber auch nicht mehr ganz so weit war wie früher oder zumindest kam es ihm so vor, was aber auch daran liegen konnte, dass er schlecht geschlafen hatte. Die ganze Nacht hatte man ihm unter einigem Geschepper Container aufs Schiff gestapelt. Leider nicht so viele, dass sich die Fahrt lohnte. Die Besatzung war von Arbeitslosigkeit bedroht, was bei Seeleuten meist mit Obdachlosigkeit Hand in Hand ging, und darum lagerte man den Optimismus in einem Gefahrgutcontainer. Nichtsdestotrotz spuckte der Kapitän ins Wasser und pfiff auf die globale Wirtschaftskrise.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und momentan unterwegs, sonst lebt er in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.