UBS-Prozess: Die USA sind weiter am Drücker

Nr. 29 –

Das Gericht in Miami räumt der Schweizer Regierung drei weitere Wochen Zeit für einen Vergleich ein. Die übelsten SteuersünderInnen muss die UBS wohl aufdecken.


Schon wieder JournalistInnen! «Letzte Woche Paris Hilton, nun diese Swiss Bank», murrt der Raumpfleger im Lift des Wilkie-D.-Ferguson-Gerichtsgebäudes in Downtown Miami – Mehraufwand! Das Glamour-Girl hatte vergangenen Freitag im Streit mit einer Filmfirma ein ganzes Medienheer in das Gericht gezogen, nun trottet schon wieder eine Gruppe von ReporterInnen durch den grossen, neuen Gerichtspalast. So viele wie bei Paris Hilton, sagt der Putzmann, seien es aber nicht – zudem fast ausschliesslich SchweizerInnen.

Schuld daran sind Banker wie Bradley Birkenfeld. Hier, im überhitzten Sündenpfuhl am Südende der Ostküste der USA, hat er mit anderen UBS-WerberInnen reichen Privatkunden geholfen, Millionen am US-amerikanischen Fiskus vorbeizuschleusen: Dies hat der 44-jährige Banker der Steuerbehörde IRS gestanden, auch der Milliardär Igor Olencioff, ein Birkenfeld-Kunde, und andere Millionäre sind geständig. Nun wollte der IRS wissen, wie viele weitere Fische «offshore», also ausserhalb von US-Gewässern, herumschwimmen. In Angriff nahmen die Behörden den grössten ausländischen Reichtumsverwalter, die UBS: Knickt die Bank ein, müssen andere Banken ebenfalls einlenken.

Eingabe in letzter Minute

Um ein Strafverfahren auszusetzen, gestand die UBS im Februar dieses Jahres Fehler ein und übergab den US-Behörden 250 Datenstämme; zudem hat sie die Versäumnisse mit 780 Millionen US-Dollar abgegolten. Doch die paar Hundert Namen waren dem IRS nicht genug. Grossspurig, wie die US-AmerikanerInnen gerne auftreten, forderte der IRS vor dem Gericht in Florida die Herausgabe von 52 000 Kontendaten –und rief damit die Schweizer Regierung auf den Plan: Der Pauschalverdacht sei ein Angriff auf das Bankgeheimnis, argumentierte der Bundesrat, die UBS würde Schweizer Recht verletzen, übergäbe sie die Daten.

Auf Besuch in Washington schlug Bundespräsident Hans-Rudolf Merz dem US-Finanzminister Timothy Geithner einen Handel vor: Für ein neues Doppelbesteuerungsabkommen, bei dem die Schweiz nicht nur Steuerbetrug, sondern neu auch Hinterziehung ahnden will, sollen die US-Behörden die Klagen fallen lassen. Man wolle den Vorschlag prüfen, sagte Geithner, doch die US-Behörden schienen keinen Fingerbreit zu weichen: Zum Showdown sollte es am 13. Juli in Downtown Miami kommen.

Doch die Anhörung vor Richter Alan Gold, für die die Schweizer JournalistInnen den langen Weg nach Florida angetreten haben, dauert nur fünf Minuten. Gold heisst die am Sonntag in letzter Minute eingereichte Eingabe beider Parteien gut, mehr Zeit für eine aussergerichtliche Lösung zu erhalten. Fast stolz verkündete die Schweizer Regierung in einer Medienmitteilung am Sonntag: Das Justizdepartment und das Aussenministerium der Schweiz «haben die entsprechenden Vorgespräche geführt und begrüssen diesen Schritt.» Die fortdauernden Gespräche zwischen den beiden Regierungen seien aber vertraulich, mehr Informationen gebe es nicht.

Nicht ohne weitere Daten

Dass die AnwältInnen und SprecherInnen der Bank, die als Zeugen aufgerufenen Bundesbeamten und die JournalistInnen nochmals Nächte in den Hotels der Partystadt Miami Beach verbringen werden, ist jedoch unwahrscheinlich: Selbst Richter Gold scheint zu zweifeln, ob die nun auf Anfang August angesetzte Anhörung stattfinden wird. Er hat auf den 29. Juli eine Telefonkonferenz einberufen, in der er über Fortschritte aufgeklärt werden will, und macht klar: Ein Vergleich wäre angebracht.

Es gibt verschiedene Szenarien, wie ein solcher Vergleich aussehen könnte – aber ein Bestandteil taucht in allen Modellen auf: Ohne weitere Kontodaten werden sich die USA nicht zufrieden geben. Zumindest die «paar Tausend» der übelsten SteuersünderInnen, so die einhellige Meinung von ExpertInnen und Medien in den USA, müssten aufgedeckt werden. Gemäss einer unabhängigen Buchprüfung, die die UBS selbst als Beweismaterial für ihre Rechenschaft vor Gericht anführt, hat die Bank 99 Prozent der fraglichen Konten korrekt geführt. Damit bleiben mindestens 520 Konten, auf denen sich Millionen, wenn nicht Milliarden US-Dollar verstecken könnten, die nie versteuert wurden.

Angesichts der Vergehen, die die Bank im letzten Jahrzehnt in den USA bereits zugegeben hat, darf man jedoch annehmen, dass es mehr reiche SteuersünderInnen geben wird als das eine Prozent. Die Schweizer Justiz sollte diese paar tausend Kriminellen in Nadelstreifen nicht länger schützen, sondern in Zusammenarbeit mit den US-Behörden identifizieren. Und dann ein Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnen, das MillionenbetrügerInnen das Handwerk legt.