Kultour

Nr. 46 –

Festival

Saint Ghetto

Bereits zum vierten Mal lädt die Dampfzentrale Bern zum Saint Ghetto ein. Das Musikfestival, das sich um das Musikschaffen weit weg vom Mainstream kümmert und immer wieder musikalische Perlen und Neuentdeckungen in die Hauptstadt bringt, wartet auch dieses Jahr mit einem hochstehenden Programm auf. Im Zentrum stehen MusikerInnen, die noch nicht so lange arbeiten, aber bereits ihre eigene Handschrift gefunden haben und – wer weiss – in ein paar Jahren als PionierInnen bezeichnet werden.

Zu Gast ist etwa die deutsch-britische Sängerin Anika. «Es ist ja kein Zufall, dass unsere Musik roh belassen und voller ‹Fehler› ist», sagt sie im Interview in der Musikbeilage der WOZ Nr. 42/11. «Auch das ist ein Kommentar gegenüber einer Kultur, die viel Wert darauf legt, dass Musik, die beispielsweise am Radio läuft, einer gewissen Norm zu entsprechen hat.»

Auftreten wird auch die charismatische Sängerin Carla Bozulich mit ihrer Band und ihrem neuen Album «In Animal Tongue». Sie singe, so Bozulich selbst, wie ein «hard rock mountain with a hot marshmallow center» («wie ein fester, steiniger Berg mit einem heissen Marshmallowzentrum»). Zu hören sind unter anderen auch die Wiener Gruppe Ja, Panik, das britische Trio Esben and the Witch sowie das Schweizer Trio Syg Baas mit dem Sänger Daniel Linder (früher Alboth!), dem Bassisten und Klarinettisten Paed Conca sowie dem Schlagzeuger Fran Lorkovic.
Silvia Süess

Saint Ghetto in: Bern Dampfzentrale, Fr, 18., 
bis So, 20. November. www.dampfzentrale.ch

BuchBasel

«Unruhe und Bewegung» lautet das Schwerpunktthema des diesjährigen internationalen Buch- und Literaturfestivals an der BuchBasel. Damit will der Anlass mehr als nur Messe sein und auch Diskurse anregen, die sich mit der gesellschaftlichen Realität befassen.

In diesem Zusammenhang sind Diskussionen zum arabischen Frühling, zur «Literatur als Unruhestifterin», zur Frauen- und zur grünen Bewegung angesetzt. Der ungarische Schriftsteller György Konrad, der die demokratischen Umwälzungen in seinem Heimatland mitgeprägt hat, wird zudem über die beängstigenden Entwicklungen im heutigen Ungarn nachdenken.

Unter dem Slogan «Schweizer Literatur im Aufwind» lesen die fünf für den diesjährigen Schweizer Buchpreis Nominierten: Monica Cantieni, Catalin Dorian Florescu, Felix Philipp Ingold, Charles Lewinsky und Peter Stamm. Wer gewinnt, erfährt man an der Preisverleihung im Rahmen der BuchBasel am 20. November.
Adrian Riklin

BuchBasel 2011 in: Basel Messe Basel, Halle 4,
Fr, 18., bis So, 20. November. www.buchbasel.ch

Literatur

Teppich: offen!

«Spielen bis zum Umfallen» ist das Motto der laufenden Spielzeit im Zürcher Theater Neumarkt. Derweil seit einigen Wochen der Cirque de Loin sein Winterquartier im Neumarkt bezogen hat und neben einem Stück von Reto Finger («Marasa», Uraufführung diesen Freitag) auch diverse «Stubeten» öffnet, wurde der konspirative Nebenspielplatz des Theaters an der Chorgasse von DichterInnen aus dem Umfeld der losen AutorInnnengruppe Netz okkupiert.

Für zwei Monate hat ihnen die Neumarkt-Direktion die Schlüssel in die Hand gedrückt. Sie werden dort gemeinsam schreiben, (vor)-lesen, Gäste einladen, Performances realisieren, Stücke inszenieren, diskutieren, für Speis und Trank sorgen, feiern, Filmabende veranstalten, Minifestivals kuratieren. Und das zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten.

Am überaus bunten Programm beteiligt sind auch einige WOZ-AutorInnen: So moderiert etwa Johanna Lier am Mi, 30. November, eine Veranstaltung rund um «Politische Lyrik».
Adrian Riklin

«Teppich: offen» in: Zürich Theater Neumarkt, Nebenspielstätte in der Chorgasse. 
Bis 9. Januar 2012. www.theaterneumarkt.ch, 
www.teppichteppich.ch

Ausstellung

Warnung: Kommunikation gefährdet

Um die tägliche weltweite Kommunikationsflut zu bewältigen, müsste jede und jeder 12 000  Bücher lesen. Jeden Tag. Doch so weit braucht die Vorstellung gar nicht zu gehen. Viele fühlen sich bereits im heutigen Alltag gestresst: Der Briefkasten quillt über, Dutzende von E-Mails wollen gelesen und beantwortet werden, dauernd klingeln Handy und Festnetztelefon, und auch die FreundInnen in den virtuellen sozialen Netzwerken fordern ultimativ Aufmerksamkeit.

«Warnung: Kommunizieren gefährdet» heisst die neue Ausstellung im Museum für Kommunikation in Bern. Zum Glück ist sie keine Anleitung zum Unglücklichsein, sondern will helfen, zu einem «gelassenen und sinnvollen Umgang» mit der Informationsflut zu finden. Hinter der Formulierung verbirgt sich nichts Esoterisches – der Zugang ist ganz wissenschaftlich und führt durch eine Kommunikationsklinik. Als Erstes gehts zur Anamnese, zum Check-up des eigenen Kommunikationsverhaltens mittels eines computergestützten Fragenkatalogs, der am soziologischen Institut der Universität Bern entwickelt worden ist. Mit dem persönlichen Kommunikationsindex PKI in der Hand – er steht je nach Stresslevel irgendwo zwischen grün und tiefrot – gehts weiter zum Kommunikationstrainer, der ein passendes Wellnesspackage zusammenstellt.

Über insgesamt dreizehn Stationen schafft man im Idealfall den Wandel, der einen vor dem Burn-out bewahrt. Im Zweifelsfall hält die Ausstellung am Ende eine Wunderpille bereit: «Comucaïne» – lesen Sie unbedingt die Packungsbeilage!
Franziska Meister

«Warnung: Kommunizieren gefährdet» in: Bern, Museum für Kommunikation, 4. November bis 
15. Juli 2012. www.mfk.ch

Philosophie

Alles unter Kontrolle?

Die Bieler Philosophietage beschäftigen sich traditionsgemäss mit einem aktuellen gesellschaftlichen Thema. Bei der sechsten Ausgabe ist das die Frage nach der Bedeutung, Herkunft und Auswirkung des weit verbreiteten Glaubens an eine umfassende Kontrollierbarkeit von Bildung, Wissenschaft und Kultur.

«Noch vor zwanzig Jahren war die öffentliche Rede geprägt von der Vorstellung kritischer Generalisten im Dienste von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft», schreiben die VeranstalterInnen. «Heute erleben wir einen Wandel in Richtung einer kontrollierten und ausdefinierten Wissensgesellschaft. Es ist, als sollten die Vorstellungen vom mündigen Bürger einer Vision des flexiblen Wirtschaftsbürgers weichen. Interessanterweise geht dieser Trend Hand in Hand mit einem neu erwachten Glauben an die Messbarkeit überhaupt.»

Die VeranstalterInnen möchten dem Publikum einen vertieften Einblick in erkenntnistheoretische und politische Aspekte des Themas bieten. Im Zentrum stehen Referate aus dem französischen und deutschen Sprachraum, ein filmischer Einstieg, Theaterstücke, Ateliers und ein künstlerischer Ausklang.
Adrian Riklin

«6. Bieler Philosophietage» in: Biel Hotel Lindenegg, Restaurant St. Gervais, Stadttheater, Filmpodium, Hochschule für Technik und Stadtkirche. Fr, 18., bis So, 20. November. www.philosophietage.ch

Film

Upside Down

Oasis, The Jesus and Mary Chain, Primal Scream oder My Bloody Valentine – diese bekannten Bands haben alle etwas gemeinsam: Das britische Plattenlabel «Creation Records» hatte sie unter Vertrag. Alan McGee schuf es 1983, der erste grosse Erfolg war die Single «Upside Down» von Jesus and Mary Chain. Denselben Titel trägt auch der Dokumentarfilm über das Plattenlabel, der in der Reihe «Song & Dance Men – Das Pop-Kino» im Kino Cinématte zu sehen ist.

«Upside Down: The Creation Records Story» erzählt die Geschichte des Labelgründers Alan McGee, der sein «Hobby» jahrelang mit einer Anstellung bei der britischen Bahngesellschaft finanzierte. Der Film ist ein Porträt über McGees Höhenflüge, seine Triumphe, aber auch über Exzesse, Abstürze und Geldprobleme. Er zeigt Archivaufnahmen von Konzerten und Studioaufnahmen und lässt Zeitzeugen wie Noel Gallagher von Oasis, Bobby Gillespie von Primal Scream und natürlich Alan McGee selbst zu Wort kommen.
Silvia Süess

«Upside Down: The Creation Records Story» in: Bern Kino Cinématte, Mo, 21. November, 
20.30 Uhr. www.cinematte.ch