Personenrätsel : Der internationalistische Agitator

Nr. 46 –

«Man muss, um Arbeit für alle zu haben, diese rationieren wie Wasser auf einem Schiff in Not», schrieb er in einer Satire. Die ProletarierInnen aber sässen der kapitalistischen Arbeitsmoral auf und rissen sich – «Schande über euch!» – noch um die elendesten Jobs. Die Misere könnte beendet werden, wenn sie sich auf ihre zahlenmässige Stärke besännen und die Arbeitszeit auf drei Stunden pro Tag verkürzten. Und warum nicht auch gleich sämtliche 38 Feiertage zurückfordern, die das «industrielle und handeltreibende Bürgertum» in der Französischen Revolution – bei gleichzeitiger Einführung der Zehntagewoche – abgeschafft hatte?

Als der 1842 auf Kuba geborene und mit neun Jahren nach Frankreich emigrierte Kreole das Vorwort für diese Broschüre verfasste, sass er in Paris gerade seine erste Gefängnisstrafe ab. Den französischen Ordnungshütern war er allerdings schon vor 1883 ein Dorn im Auge: Bereits als Medizinstudent hatte er sich derart für die Sache der ArbeiterInnen engagiert, dass man ihn von allen französischen Universitäten ausschloss. Er setzte sein Studium in London fort, wo aus dem Proudhon-Anhänger ein Marx-Schüler und bald auch dessen Schwiegersohn wurde. Als Mitglied des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation kehrte er nach Frankreich zurück, wo er sich – ebenso wie in den folgenden zehn Jahren im Exil – mit Leib und Seele dafür einsetzte, aus dieser Vereinigung eine schlagkräftige internationale Organisation zu machen. Einmal wurde der unermüdliche Agitator und Publizist aus dem Gefängnis heraus ins französische Parlament gewählt, nachdem die Behörden ihm einmal mehr vorgeworfen hatten, zu Mord und Totschlag aufgerufen zu haben. Zuvor nämlich hatte der Internationale Sekretär und Mitbegründer der marxistischen Parti Ouvrier den ersten landesweiten Generalstreik der französischen 1.-Mai-Feier-Bewegung auf die Beine gestellt.

Wer war die «geistig bedeutendste Führungspersönlichkeit des Sozialismus in Frankreich» (Eduard Bernstein), die am 26. November 1911 freiwillig aus dem Leben schied?

Auflösung Personenrätsel: Wir fragten nach dem französischen Arzt und Berufsrevolutionär Paul Lafargue (1842–1911). Die erwähnte Satire trägt den Titel «Das Recht auf Faulheit». Lafargue, der als einer der ersten französischen Sozialistenführer für umfassende Frauenrechte eintrat, war mit Karl Marx’ Tochter Laura verheiratet. Nach dem Tod ihrer drei Kinder gab Lafargue die Arzttätigkeit auf und widmete sich, von Friedrich Engels unterstützt, ganz der politischen Arbeit. Laura und Paul nahmen sich 1911 das Leben, bevor – nur er hinterliess einen Abschiedsbrief – «das unerbittliche Alter (…) meine Energie lähmt, meinen Willen bricht und mich für mich und andere zur Last werden lässt».