St. Galler Ständeratswahlen: Wie war das mit Toni Brunners Konfirmationsspruch?

Nr. 46 –

Die CVP schickt einen rechten politischen Nobody in den zweiten Ständeratswahlgang – und spaltet damit die eigene Partei. Katholische Kreise spielen jetzt sogar die Religionskarte gegen Paul Rechsteiner und Toni Brunner aus.

Der amtierende CVP-Ständerat Eugen David warf offenbar ohne Rücksprache mit der Parteileitung noch am Wahlabend enttäuscht das Handtuch – und brachte damit die einst mächtigste Partei St. Gallens für den zweiten Wahlgang in eine dumme Lage. Während FDP-Frau Karin Keller-Sutter mit einem Glanzresultat als einzige der KandidatInnen das absolute Mehr erreichte, landete David deutlich hinter Toni Brunner und nur knapp vor Paul Rechsteiner bloss auf dem dritten Platz. Die CVP nominierte danach das politische Leichtgewicht Michael Hüppi, einen Wirtschaftsanwalt, der noch nie ein politisches Amt bekleidet hat. Die Nomination des rechten CVP-Manns spaltet die Partei, auch wenn sie jetzt gegen aussen Geschlossenheit demonstriert. An der Basis ist der Ärger gross.

In diesen Tagen erscheint ein Inserat, in dem sich auch CVP-Leute für die Wahl von Paul Rechsteiner aussprechen. Initiiert hat es Otmar Elsener aus Rorschach, der einst selbst für die CVP in der Lokalpolitik aktiv war. Auch der Kaufmännische Verband und die christliche Gewerkschaft Syna unterstützen offiziell den Gewerkschaftsbundpräsidenten Rechsteiner. Er kann ausserdem auf die Hilfe eines Frauenkomitees, aller Umweltverbände (WWF, VCS, Pro Natura), der Grünen und der Grünliberalen zählen.

Wirtschaftsflügel setzt sich durch

Der CVP fehlt es offensichtlich an hochkarätigem Personal. Zunächst bekniete sie vergebens Regierungsrat Martin Gehrer, einen Mann der Mitte. Naheliegend wäre eine Kandidatur der langjährigen und profilierten Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz gewesen. Doch sie, die zum linken CVP-Flügel gehört, wurde von der Parteileitung übergangen. Die behauptete dann auch noch öffentlich, Meier-Schatz sei angefragt worden und habe abgesagt. Falsch, sagte Meier-Schatz zur «Sonntagszeitung». Gegenüber der WOZ will sie diese Vorgänge nicht mehr kommentieren. Nur so viel: «Wir müssen schauen, dass wir jetzt unseren Kandidaten durchbringen.» Das klingt nach Überlebenskampf.

Im Lauf der neunziger Jahre gaben auch in der CVP St. Gallen zunehmend neoliberale Kräfte den Ton an, ihr sozialer Flügel ist inzwischen marginalisiert oder eingeschüchtert. Statt der in konservativen CVP-Kreisen unbeliebten Meier-Schatz drückte der Wirtschaftsflügel der Partei, dem finanzkräftige Unternehmer wie Edgar Oehler oder Benno Schneider angehören, den Wirtschaftsanwalt Michael Hüppi durch, der erst im Sommer der Partei beigetreten ist. Der politische Leistungsausweis des Neffen von alt Bundesrat Kurt Furgler ist leer. Dafür kann er in eine gut gefüllte Wahlkampfschatulle greifen. Er selbst gab in einem Radiointerview bekannt, ihm stünden 100 000  bis 150 000  Franken zur Verfügung. Wer ihm finanziell hilft, darüber schweigt er sich aus.

Der Mann, der jetzt Politiker werden will, hat sich als Präsident des FC St. Gallen mit Politikerbeschimpfungen hervorgetan, als er weitere öffentliche Gelder für den ohnehin dank bürgerlichem Filz massiv subventionierten und überteuerten Stadionneubau (AFG-Arena) forderte – und sie nicht bekam. Danach flossen plötzlich doch private Gelder. Dieser Mann also, dessen öffentliche Inthronisation als FC-St.-Gallen-Präsident sich 2008 übrigens in Edgar Oehlers Firmensitz in Arbon abspielte (heute ist Hüppi Vizepräsident des FC), tritt gegen die politischen Schwergewichte Paul Rechsteiner und Toni Brunner an.

Die CVP präsentiert einen politischen Nobody – und wirft nun der SP vor, sie betätige sich mit der Kandidatur Rechsteiner als Steigbügelhalterin für Toni Brunner. Wie nervös das CVP-Establishment ist, illustriert ein Brief an die 180 Mitglieder des Katholischen Kollegiums, des Parlaments der St. Galler KatholikInnen. Er richtet sich in kulturkämpferischer Manier gegen Paul Rechsteiner und Toni Brunner. In diesem Schreiben, das der WOZ vorliegt, heisst es: «Michael Hüppi bekennt sich klar zu den christlichen Grundsätzen und steht fest auf dem Boden der katholischen Soziallehre. Nicht zuletzt auch aufgrund seiner Schulzeit an der Flade [der katholischen Sekundarschule] weiss er, wie wichtig eine gefestigte Wertehaltung und unerschütterliche Grundüberzeugungen für das tägliche Engagement in Familie, Beruf und Gesellschaft sind.»

«Klar zum Glauben bekennen»

Und: «Michael Hüppi hat als einziger Kandidat Kinder.» Über Paul Rechsteiner heisst es: «Das gezielte Umwerben der kirchlichen Kreise durch Paul Rechsteiner betrachten wir mit Sorge. Im Gegensatz zu Michael Hüppi, der sich klar zum römisch-katholischen Glauben bekennt, schweigt sich Paul Rechsteiner in seinen biografischen Angaben über seine Konfession aus.» (Übrigens: Auch Rechsteiner besuchte die katholische Elite-Sek Flade – wie auch Niklaus Meienberg.) Selbst den Konfirmationsspruch des SVP-Präsidenten haben die Briefschreiber recherchiert: «Toni Brunner versteckt seine konfessionelle Zugehörigkeit zwar nicht. Zu bemerken ist allerdings, dass er unseres Erachtens weit entfernt von seinem Konfirmationsspruch – ‹Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein› (1. Korinther 16,14) – politisiert.» Ob die mithilfe der CVP beschlossenen und ab Anfang des Jahres geltenden Kürzungen der Ergänzungsleistungen für ältere und behinderte Menschen von Liebe getragen sind, darauf weiss wohl nur die katholische Soziallehre eine Antwort.