Aktion Finanzplatz Schweiz: Die Fluchtgelder fliessen weiter

Nr. 31 –

Nach 34 Jahren wird die bankenkritische Aktion Finanzplatz Schweiz aufgelöst. Sie hat zu einer fundierten Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell der Schweizer Banken speziell gegenüber der Dritten Welt beigetragen. Ihre dringliche Arbeit wird in anderer Form weitergeführt.

Drei Teilzeitstellen, darüber verfügte die Aktion Finanzplatz Schweiz (AFP) zu den besten Zeiten. Damit sollte der Banken- und Finanzplatz Schweiz kritisch durchleuchtet werden. Die 1978 gegründete AFP musste es allerdings von vornherein mit einem übermächtigen Gegner aufnehmen.

Seit der Gründungszeit hat sich einiges getan: Der Schweizer Staat blockiert gelegentlich Potentatengelder – etwa im jüngsten Fall gestürzter arabischer Diktatoren – und führt sie in die Ursprungsländer zurück. Die Beziehung der Schweizer Wirtschaft zum südafrikanischen Apartheidregime bis 1993 ist annähernd aufgearbeitet. Das Bankgeheimnis ist durchlöchert. Fluchtgelder auf Schweizer Banken werden gelegentlich zum Medienthema.

Natürlich, die offizielle Schweiz bewegt sich vor allem auf Druck ausländischer Regierungen. Aber Organisationen wie die AFP haben zur Bewusstseinsbildung beigetragen und konkrete Beiträge für eine andere Schweiz im Finanzsektor geleistet.

Dennoch ist die Organisation jetzt am Ende, nach 34 Jahren. Zum Schluss waren sich Vorstand und Mitglieder einig: So geht es nicht mehr weiter, aber in anderer Form muss es weitergehen. Deshalb hat die Generalversammlung am 28. Juni einstimmig beschlossen, die AFP aufzulösen und das Angebot der entwicklungspolitischen NGO Erklärung von Bern anzunehmen, eines der spezifischen AFP-Themen, die Potentatengelder, künftig vertieft zu verfolgen.

Denn die entwicklungspolitischen Forderungen für den Finanzplatz bleiben aktuell. Auf Schweizer Banken fliessen mehr Fluchtgelder denn je (vgl. «Die Schweiz bleibt spitze» im Anschluss an diesen Text). Zwar rühmt sich die Schweiz, ein Dispositiv zur Abwehr anrüchiger Gelder zu besitzen, aber nach jedem Sturz eines Autokraten kommen wieder entsprechende Konten in der Schweiz ans Licht. Bei der Rückführung entdeckter Potentatengelder in die betroffenen Länder spielt die Schweiz eine Pionierrolle; doch die Prävention scheitert nach wie vor am Geschäftsmodell der Schweizer Banken und der Schweizer Steueroase: absolute Diskretion und Steueroptimierungen bis hin zur Illegalität.

Bankeninitiative als Initialzündung

Die AFP entstand aus der Drittweltbewegung. 1968 war die Erklärung von Bern (EvB) gegründet worden, die sich entwicklungspolitisch bald radikalisierte. 1970 machte die Interkonfessionelle Konferenz Schweiz–Dritte Welt erstmals die Kapitalflucht aus den Ländern des Südens in die Schweiz zum Thema. 1976 stellte Jean Ziegler in einem Buch aufsehenerregend die Hehlerdienste der Schweiz unter jeden Verdacht. Wie zur Bestätigung platzte 1977 der Skandal bei der Chiasso-Filiale der Schweizer Kreditanstalt, die Milliardenvermögen italienischer Steuerflüchtlinge verschoben hatte. Die SP kündigte eine Bankeninitiative an, um das Schweizer Bankensystem gerechter zu gestalten.

In diesem Zusammenhang gründeten 1978 zehn entwicklungspolitische Organisationen die Aktion Finanzplatz Schweiz. Sie sollte «als Plattform entwicklungspolitischer Gruppen der Unterstützung der Bankeninitiative dienen» und «gleichzeitig als Gegengewicht zur Sozialdemokratie sicherstellen, dass die Dritt-Welt-Problematik in der Initiative nicht zu kurz kommt». Getragen wurden die Aktivitäten vor allem durch die EvB und deren damalige Sekretäre Rudolf Strahm und Urs Haymoz. Ab 1982 verfügte die AFP über ein eigenes Sekretariat.

Die deutliche Ablehnung der Bankeninitiative im Mai 1984 mit 73 Prozent Nein-Stimmen veranlasste die SP, zwei Jahrzehnte lang die Finger von den Schweizer Banken zu lassen. Die AFP ihrerseits konzentrierte sich fortan auf konkrete Fälle von Fluchtgeldern und Kollaborationen der Schweiz mit Unrechtsregimes.

Südafrika, Marcos und so weiter

Einer dieser Fälle war Südafrika und die Rolle, die Schweizer Banken und die Schweizer Wirtschaft bei der Stützung des Apartheidregimes gespielt hatten: mit Goldgeschäften, Kreditvergaben und guten diplomatischen Diensten. Über ein Jahrzehnt lang prägte die Ökonomin Mascha Madörin mit Recherchen und Interventionen die Arbeit der AFP in diesem Bereich. Parallel dazu kam der Skandal um das Milliardenvermögen des 1986 gestürzten philippinischen Diktators Ferdinand Marcos.

Die Kritik wurde mit Vorschlägen zu Alternativen ergänzt. Das 1986 von Urs Hänsenberger verfasste «Alternative Bankbüchlein» für «verantwortungsvolle Geldanlagen» war ein unerwarteter Erfolg und beförderte Bemühungen um eine Alternative Bank Schweiz (ABS), die im Oktober 1990 ihre Pforten öffnete.

In den neunziger Jahren häuften sich die Fälle von Potentatengeldern. Konten des haitianischen Diktators Jean-Claude Duvalier und des peruanischen Geheimdienstchefs Vladimiro Montesinos wurden entdeckt und gesperrt. Im Mai 1997 stürzte der zairische Diktator Mobutu Sese Seko; durch die zögerliche Haltung der Schweiz konnte er vermutlich Hunderte von Millionen US-Dollar von Schweizer Konten abziehen, bevor die letzten Reste hier blockiert wurden. Im gleichen Jahr wurde der Fall Marcos nach Jahren juristischen Geplänkels und politischen Hinhaltens akut. Die AFP war mit Gertrud Ochsner an der Entwicklung neuer Rechtsverfahren beteiligt, dank derer die blockierten Gelder auf ein Sperrkonto der philippinischen Regierung einbezahlt und 2003 schliesslich freigegeben wurden.

Während die Schweizer Diplomatie und die Bundesverwaltung allmählich merkten, dass die Schweiz neue Regeln brauchte, um weiteren Imageschaden zu verhindern, machten die Banken weiter wie bisher. 1999 wurden Konten des nigerianischen Militärdiktators Sani Abacha entdeckt, auf denen mit 640 Millionen US-Dollar etwa gleich viel Geld lag wie einst auf den Konten von Marcos.

Weiterhin beteiligte sich die AFP an der «Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika». Die daraus entstandene Khulumani-Klage zur Entschädigung von südafrikanischen Apartheidopfern wird in den USA weiterhin verhandelt.

Angesichts der weiter bestehenden Schuldenkrise unentwickelter Länder und der Fluchtgelder wurde vor rund zehn Jahren das Konzept illegitimer Staatsschulden von verarmten Ländern entwickelt. Zuerst in Broschüren, dann durch internationale Fachtagungen propagiert, entstand daraus der Vorschlag für ein Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten (siehe WOZ Nr. 23/11 ). Ursprünglich für unentwickelte Länder gedacht, wird der Vorschlag durch die Euro-Krise nun auch für südeuropäische Länder aktuell.

Drei Aufgaben, drei Fragen

«Recherchen, Analysen und Kampagnen» seien das Geschäft der Aktion Finanzplatz, heisst es in einer Selbstdarstellung. Das leistete sie vielfältig. Die sich zuweilen in die Quere kommenden Ansprüche bedeuteten aber auch eine Überforderung. Selbst im Kernbereich, den Potentatengeldern, stiess die AFP an Grenzen: Nach der Aufspürung dubioser Gelder musste die AFP zusammen mit anderen beteiligten NGOs nicht nur Rückführungen aushandeln, sondern auch mit kontrollieren, ob die Gelder angemessen verwendet wurden – was kaum zu leisten war.

Die Arbeitsbedingungen bei der AFP waren immer prekär und die Erfolge nur schwer messbar. Periodisch wurden strategische Diskussionen geführt. Drei Fragen tauchten regelmässig auf. Sollte sich die AFP auf den Bezug zur Dritten Welt konzentrieren, oder ging es auch um binnenpolitische Regulierungen des Schweizer Finanzplatzes, etwa beim Steuerwettbewerb? War die AFP eine NGO, die die Zusammenarbeit mit lokalen Basisgruppen in der Dritten Welt suchte, oder wirkte sie innerhalb der Schweiz via Parlament und Bundesverwaltung als Lobbyorganisation? Sollte die AFP ihre Mitglieder für Kampagnen aktivieren, oder stand die Facharbeit des Teams im Zentrum?

Solche Diskussionen fanden in einem schwieriger werdenden Umfeld statt. Zu den besten Zeiten hatte die AFP 3500 Einzelmitglieder, zum Schluss noch knapp 1300. Die Auflage der viermal jährlich erscheinenden «Finanzplatz-Informationen» («fpi») sank von anfänglich 4000 auf 2000 Exemplare, bei 
reduziertem Umfang. Trägerorganisationen kämpften ebenfalls mit finanziellen Schwierigkeiten, verringerten ihr Engagement.

Auch die spezifische Rolle der Aktion Finanzplatz wurde unklarer. Von Beginn an hatte vor allem die EvB in ähnlichen finanzpolitischen Bereichen gearbeitet, zumeist in Arbeitsteilung mit der AFP. Im letzten Jahrzehnt hat sich die EvB professionalisiert und ihr Profil verstärkt; die AFP hat dies nur ansatzweise geschafft. Die Arbeit war und blieb professionell, doch angesichts der beschränkten finanziellen und personellen Kapazitäten konnte sie politisch zu wenig verwertet werden.

Ein Neuanfang

Dazu kamen tragische persönliche Umstände. Im Februar 2011 war der langjährige AFP-Mitarbeiter Max Mader wegen einer Krebserkrankung ausgeschieden; er verstarb wenig später. Am 18. Januar 2012 erlag André Rothenbühler, der seit 2006 bei der AFP gearbeitet und sie seit Frühling 2011 mit einem Teilzeitpensum alleine geführt hatte, einem Herzinfarkt.

Die AFP weiterzuführen hätte in dieser Situation bedeutet, sie neu aufbauen zu müssen. Die Chancen dafür wurden von den meisten Beteiligten als gering eingeschätzt.

Wenn linke Organisationen sterben, dann ist das ein Verlust an aktuellem Know-how, an historischem Bewusstsein, auch an Stellenprozenten. Aber es gehört zum Lauf der Zeit. Warum sollten nicht auch Organisationen eine Ende finden dürfen? Zumal die Arbeit der AFP nicht verloren gehen wird.

Denn die EvB will in die Bresche springen. Sie hat sich verpflichtet, zusätzliche Arbeitskapazitäten im Bereich Potentatengelder bereitzustellen. Zudem soll mit dem verbliebenen Vereinsvermögen der AFP und allfälligen projektgebundenen Spenden ehemaliger AFP-Mitglieder eine Juniorstelle in diesem Arbeitsbereich geschaffen werden. Die AFP bot dreissig Jahre lang immer wieder jüngeren politisch Engagierten die Möglichkeit zur Qualifizierung. Diese Tradition möchte die EvB mit der Juniorstelle weiterführen. Nötig bleibt die Arbeit allemal. Schliesslich sind nach dem Sturz der arabischen Autokraten bislang auf Schweizer Konten 693 Millionen Franken allein aus dem Umfeld des Mubarak-Clans blockiert worden und aus Ägypten, Libyen, Tunesien und Syrien insgesamt 953 Millionen.

WOZ-Redaktor Stefan Howald arbeitete 2004 bis 2006 bei der AFP, war danach bis 2010 im Vorstand und wirkte 2012 bei der AFP-Auflösung und der Übernahme ihrer Funktionen durch die EvB mit.

Die Schweiz bleibt spitze

Mindestens 23 Billionen, womöglich aber gar 31 Billionen US-Dollar lagern weltweit in Steueroasen. Das schätzt das Tax Justice Network (TJN) in einer neuen Studie. Schweizer Banken haben ihre unrühmliche Spitzenposition konsolidiert.

Das TJN stützt die soeben veröffentlichten Zahlen für das Jahr 2010 auf Angaben internationaler Finanzorganisationen und eigene Recherchen. Gegenüber 2005 sind die Offshore-Gelder – Gelder, die aus ihrem Ursprungsland in Steueroasen verschoben worden sind – um rund vierzig Prozent gestiegen. Entwicklungs- und Schwellenländern gehen damit laut TJN jährlich mindestens 280 Milliarden US-Dollar an Steuern verloren – doppelt so viel, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an Entwicklungshilfegeldern ausgibt.

Die Banken mit den meisten Offshore-Geldern bleiben die UBS und die CS mit je knapp einer Billion US-Dollar. Auch sonst ist die Schweiz gut vertreten: Pictet liegt an 10. Stelle, die Leumi Private Bank an 11., Julius Bär an 15. und Lombard Odier an 19. Stelle.