Kommentar: Verwechselbare Körper

Nr. 43 –

Amnesty International und die SP Schweiz möchten das Referendum gegen das Asylgesetz nicht unterstützen. Weil sie falsche Bilder pflegen.

Die erste Szene von Spike Lees «Bamboozled» öffnet mit einer Definition von Satire: Ironie, Spott oder scharfer Witz, die dazu dienen, Einfalt, Lasterhaftigkeit oder Dummheit zu attackieren oder zur Schau zu stellen. Im Film – selbst ein satirisches Werk – setzt sich Lee kritisch mit der im 19. Jahrhundert entstandenen amerikanischen Tradition der «Minstrel Shows» auseinander: Shows, in denen weisse Schauspieler und Sänger mit schwarz gefärbten Gesichtern auf der Bühne den dummen – schwarzen – August oder den lustigen – schwarzen – Entertainer gaben, dabei afroamerikanische Sprechweise, Musik und Tanzformen parodierten.

Diese rassistische Praxis des «Schwarzfärbens» begegnet einem in der aktuellen Kampagne von Amnesty International Schweiz wieder – auch hier, angeblich, als Satire: Christoph Blocher, Ueli Maurer, Giuliano Bignasca und Konsorten mit dunkel gefärbten Gesichtern, ihre Köpfe auf fremde, dunkelhäutige Körper montiert. Die Bilder, die die dringende und zu unterstützende Forderung nach der Abwendung weiterer Verschärfungen im Asylwesen unterstreichen sollen, zeigen einen ebenso problematischen Umgang mit Flüchtlingen, wie er in der Schweizer Öffentlichkeit vorherrschend ist, und drohen sich in den herrschenden Diskurs einzureihen, statt ein neues Vokabular zu bieten.

Wüsste ich nicht, in welchem Land ich geboren werde: Wie würde ich mich verhalten, welche Bestimmungen würde ich erlassen, würde ich nicht in meinem eigenen Interesse möglichst gerechte Verhältnisse wünschen – und würde sich nicht jede und jeder vernünftigerweise genau dafür entscheiden? Diesen guten Fragen, die die Amnesty-Kampagne aufgreifen will, stellen sich die ziemlich skurrilen Bilder in den Weg, die es nicht schaffen, das Schema «Wir vs. die anderen» zu durchbrechen: Die offensichtliche Montage zeigt auf den ersten Blick, dass es sich bei den nicht weissen Körpern, die verwendet werden, um stereotype Figuren darzustellen («der Afrikaner», «der Asylbewerber» in Trainingsanzug vor der Asylunterkunft), nicht um diejenigen der PolitikerInnen handelt. Stattdessen hat man den Körpern die eigenen Köpfe durch fremde ersetzt – die abgebildeten Menschen haben keine Möglichkeit zu sprechen, zudem haben sie wortwörtlich ihr Gesicht verloren, oder es wird ihnen demonstrativ verweigert, eines zu haben und immerhin, wenn schon stimmlos, anwesend zu sein: Sie sind nur noch verwechselbare Körper.

Möchte man der Satire – der Ironie, dem Spott oder dem scharfen Witz – in diesen Bildern auf den Grund gehen, so ist sie mit viel gutem Willen wahrscheinlich im erzeugten Kontrast der Widersprüche zu finden: Milliardär Christoph Blocher als somalischer Flüchtling oder Bundesrat Ueli Maurer als frierender Asylbewerber. Die Körper der Gesichtslosen werden benutzt, um diesen Effekt zu erzeugen: Nur begrenzt geht es um sie, auf ihre Kosten, auf ihren Rücken wird vor allem Politik gemacht. Dass dieses Politisieren auf Kosten anderer ein Verfahren ist, das die Rechte in der Schweiz seit Jahren anwendet, wird allerdings in der Darstellung nicht thematisiert, im Gegenteil stellt sich als erster Reflex ein befremdliches Gefühl des Mitleids mit den abgebildeten Politikern ein.

Die Unschärfen und Untiefen dieser schiefen Bilder – die auf der Kampagnenwebsite noch mit «echten» Fluchtgeschichten ergänzt werden – verdeutlichen, wie sehr die asylpolitische Debatte abgekommen ist vom Wesentlichen: den Menschen (mit Gesichtern!, mit Stimmen!) und ihren Rechten.

Dass Amnesty International, die SP Schweiz und die grossen Hilfswerke sich nun dagegen entschieden haben, das Referendum gegen die Asylgesetzrevision zu unterstützen, weist in dieselbe Richtung. Der Entscheid, so Amnesty-Sprecherin Alexandra Karle in einem Interview, habe zu tun «mit der Tatsache, dass wir nicht erwarten, in einem solchen Referendum mehr als 25 Prozent Stimmen für unsere Sache gewinnen zu können». Dass (partei- und unternehmens-)strategische Überlegungen bei den NGOs und der SP Priorität haben vor den Rechten und dem (Über-)Leben der Menschen mit Gesichtern, ist bedrückend angesichts der Schwere der Revision. Genau in solchen Fällen aber, wenn die Zeichen schlecht stehen und eine Niederlage winkt, ist der Mut, Einspruch zu erheben – trotzdem und immer wieder –, doch entscheidend.

Die Autorin Dorothee Elmiger (27) lebt und arbeitet in Luzern.