Die griechischen Neofaschistinnen: Griechenland spart sich nach rechts

Nr. 51 –

Die neofaschistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) findet immer stärkeren Anklang – auch weil sie im zusammenkrachenden Sozialstaat den Armen unter die Arme greift.

Der Türsteher vor dem Eingang des Parteibüros der Chrysi Avgi an der Platia Attiki hat einen kahl rasierten Schädel und blickt aufmerksam umher. Er lässt nur Mitglieder passieren. Alle anderen verweist er auf die Uhrzeit der kostenlosen Essensausgabe, mit der die neofaschistische Organisation bei den ärmsten Teilen der Bevölkerung zu punkten versucht. Hinter ihm stehen weitere Aufpasser auf dem Flur. Einer von ihnen trägt ein T-Shirt der Marke Consdaple und darüber eine offene Jacke, die nur den Blick auf die Buchstaben «NSDAP» freigibt. An der Wand lehnen zusammengerollte Griechenland- und Parteifahnen.

So also präsentiert sich die Partei Chrysi Avgi, die bei der Parlamentswahl im Juni 2012 knapp sieben Prozent der Stimmen erzielte. Ihre Botschaften – «Griechenland den Griechen» und «Wir haben nicht genug für alle, also helfen wir den Griechen zuerst» – kommen offenbar gut an. Laut einer aktuellen Umfrage des griechischen Meinungsforschungsinstituts Pulse RC ist die Goldene Morgenröte mittlerweile die drittpopulärste Partei: Ihr stimmen rund 13,5 Prozent der Bevölkerung zu. Stärker sind nur noch die konservative Nea Dimokratia (25 Prozent) und das linke Bündnis Syriza (24 Prozent). Die sozialdemokratische Partei Pasok hat sie bereits hinter sich gelassen.

Ein Fanshop

Vor allem Jugendliche sind von der Partei fasziniert. Die Zentrale am Athener Bahnhofsplatz ist inzwischen ein Treffpunkt für Leute unter dreissig, die sich regelmässig im ersten Stock versammeln und die nächsten Aktionen der Jugendorganisation planen. In diesem Teil des Gebäudes gibt es auch einen Fanshop, der Kapuzenpullis, Baseballmützen und mit keltischen Symbolen und dem Parteinamen geschmückte Ketten anbietet. In den Regalen stehen Bücher über Kampfkunsttechniken und Werke, die den Holocaust anzweifeln.

Wer es bis hierher schaffen will, braucht einen Fürsprecher, einen Begleiter wie Theodoros Koudounas, Mitglied des Zentralkomitees von Chrysi Avgi. Er führt durch das Hauptquartier, darf aber keine offiziellen Interviews geben; das habe die Presseabteilung so beschlossen, sagt er, die Lage sei derzeit zu unbeständig. Koudounas ist für die Informationsveranstaltungen der Partei zuständig. «Aufklärung» nennt er das: «Wir planen viele Aktionen zur Unterstützung des griechischen Volks.» Derzeit sei man dabei, die TaxifahrerInnen zu organisieren.

In einem Aufruf an die Taxiunternehmen wird darauf hingewiesen, dass die FahrerInnen von illegalen Immigranten bedrängt würden, die ihnen die Löhne, manchmal auch den Job wegnähmen, und von Kriminellen, die sie überfielen. Das habe den Beruf «extrem gefährlich gemacht». Künftig sollen TaxifahrerInnen nur noch jene Tankstellen anfahren, die keine AusländerInnen beschäftigen. Und es ist geplant, dass sie arme GriechInnen kostengünstig befördern. Das Vorhaben zeigt, wie Chrysi Avgi die zutiefst verunsicherten Bevölkerungsteile für sich gewinnen will.

Kamir gehört nicht zu den Adressaten der Chrysi-Avgi-Agitation. Er kam vor knapp einem Jahr aus Bangladesch nach Athen, um hier «ein besseres Leben zu führen und seine Familie in der Heimat zu versorgen», wie er sagt. Stattdessen wurde der 28-Jährige Anfang November von zwei Faschisten auf offener Strasse niedergestochen und hat nun eine lange Narbe am Rücken. «Die wollten ihn nicht verjagen, die wollten ihn töten», glaubt Christos Voupouras, einer von Kamirs griechischen Freunden.

Ein Staat im Staat

Voupouras ist davon überzeugt, dass es in Griechenland mittlerweile einen Staat im Staat 
gibt. Die Polizei geht Anzeigen gegen faschistische Angreifer nur selten nach und schützt die Kundgebungen der FaschistInnen, statt einzugreifen. Natürlich brauche Griechenland Hilfe, sagt Voupouras. Er meint damit nicht die Hilfe der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Währungsfonds; die führe das Land nur weiter in den Abgrund. Sondern eine Hilfe zur Ausarbeitung einer langfristigen Strategie, die dem Land aus der Misere hilft – und den Zulauf zu den FaschistInnen stoppt.