Der Geheimvertrag: Studieren im Hörsaal Marke UBS

Nr. 48 –

Die Universität Zürich wehrte sich heftig dagegen, dass ihr Vertrag mit der UBS Foundation offengelegt werden muss. Nun wird klar, weshalb: Die Bank erhält mit ihrem Markenzeichen versehene Räume und garantierten Einfluss am Volkswirtschaftlichen Institut.

Illustration: Ruedi Widmer

Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen hat entschieden, dass die Universität Zürich ihren Geheimvertrag mit der UBS Foundation fast vollständig offenlegen muss (siehe WOZ Nr. 42/2013 ). Das hat die Uni diese Woche getan.

Ursprünglich wollten wir – die WOZ und die «Zeit» – uns einfach nicht damit abspeisen lassen, dass wir blindlings glauben sollten, die akademische Unabhängigkeit bleibe bei dem Deal gewahrt. Dass im Vertrag Brisantes drinsteht, erwarteten wir nicht. Bis wir sahen, wie heftig sich die Universität gegen unser Akteneinsichtsbegehren wehrte. Ob sie tatsächlich etwas zu verbergen hatte?

Nun wissen wir: Sie hatte.

Exklusive Rechte

Der Vertrag vom 22. Mai 2012 regelt die Errichtung eines mit der Uni assoziierten Instituts namens UBS International Center of Economics in Society, das bis zu fünf Lehrstühle umfassen soll. Dafür zahlt die UBS Foundation, Vertragspartnerin der Uni, 100 Millionen Franken. Die Stiftung wurde von der UBS eigens zu diesem Zweck geäufnet, ist formal von der Bank unabhängig und nicht gewinnorientiert. Ihr Präsident ist der ehemalige UBS-Präsident Kaspar Villiger, ihr Vize Uniprofessor Ernst Fehr, der zugleich auch dem neuen Zentrum und dem bestehenden Institut für Volkswirtschaft vorsteht.

Hier noch ohne UBS-Logo auf dem Jackett: Ernst Fehr, Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich.

Da die Uni im Frühling bereits – widerwillig – eine Vertragskopie offengelegt hat, die sie nach eigenem Gutdünken einschwärzte, wissen wir heute, was die Uni um jeden Preis geheim halten wollte. Es sind vor allem die folgenden Punkte:

•  Der Vertrag räumt nicht nur der Vertragspartnerin der Uni, der UBS Foundation, sondern auch der UBS selbst Rechte ein.

•  Das Abkommen verpflichtet nicht nur das neue UBS-Center, sondern auch das bestehende Institut für Volkswirtschaft der Universität.

•  Das Abkommen ist exklusiv.

Wie die Aktivitäten des Zentrums genau finanziert werden, bleibt nach wie vor eingeschwärzt. Was sich unter den Zensurbalken sonst noch verbirgt, wissen wir nicht. Um auch diese Passagen freizubekommen, haben wir unser Einsichtsbegehren ans Verwaltungsgericht weitergezogen.

«Regelmässiger Austausch»

Die nun offengelegten Rechte der UBS gehen weit. So erhält die Bank einen Sitz im Beirat des Instituts für Volkswirtschaft. Zwar sind dort auch andere Banken vertreten, aber nur der Sitz der UBS ist vertraglich garantiert. Diese Garantie erhält die UBS explizit, «um die Bedeutung des UBS Center am Institut zu reflektieren».

Die Räume des Zentrums müssen mit dessen vollem Namen beschriftet (im englischen Vertragsoriginal: «branded») sein, sodass sie «von Besuchern als Teil eines Zentrums mit diesem Namen wahrgenommen werden». Die Verwendung des Namens ohne das Kürzel «UBS» ist explizit verboten. Auch in den Räumen des Instituts wird ein «UBS International Center Hörsaal» eingerichtet und klar bezeichnet. Dort, schreibt der Vertrag vor, «finden die meisten Vorlesungen des Instituts statt». Von Karikaturen, die Professoren zeigen, auf deren Dächlikappe ein Firmenlogo prangt, ist man da nicht mehr weit entfernt. Oder von Kruzifixen in Klassenzimmern.

Ein Tabubruch

Die UBS will vom Center «angemessen profitieren». MitarbeiterInnen und «ausgewählte Kunden» der Grossbank erhalten «privilegierten Zugang» zu Kursen und Veranstaltungen, und es finden «regelmässige Austausche» zwischen den ProfessorInnen und UBS-MitarbeiterInnen statt. Von den Lehrstühlen (die «UBS» im Namen tragen) wie von Direktor Fehr «wird erwartet», dass sie an UBS-Veranstaltungen teilnehmen. Das mag harmlos tönen, ist aber ein Tabubruch: Eigentlich sollte die Unabhängigkeit der Lehrstuhlinhaber dadurch geschützt sein, dass sie dem Geldgeber gegenüber keine Verpflichtungen haben: Eine Professorin ist der Uni verpflichtet, diese dem Geldgeber. Hier aber schreibt das Unternehmen hinter dem Geldgeber direkt am Pflichtenheft der Professorin mit.

All diese Privilegien erhält die UBS exklusiv: Die Universität Zürich darf im Bereich der Wirtschaftswissenschaften keine Kooperation «von vergleichbarer Grösse oder von ähnlicher Sichtbarkeit» mit anderen Partnern eingehen.

Einheitliche Regeln zur Privatfinanzierung von Lehrstühlen existieren in der Schweiz nicht. So tragen beispielsweise auch an der ETH Lausanne gesponserte Lehrstühle den Geldgeber in ihrem Namen, während das für die ETH Zürich nicht infrage kommt. Während der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat empfiehlt, schweizweit einheitliche Regeln zu schaffen, hat die Konferenz der Hochschulrektoren (CRUS) das kürzlich abgelehnt (WOZ Nr. 46/2013 ).

Aber natürlich gibt es Regeln, die gelten. So steht im Zürcher Universitätsgesetz: «Die finanzielle Unterstützung der Universität durch Dritte (…) darf die Freiheit von Forschung und Lehre nicht beeinträchtigen.» Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben Grundsätze der wissenschaftlichen Integrität verabschiedet; ihr oberster Grundsatz verpflichtet zu «Wahrhaftigkeit und Transparenz». Und auch im Vertrag der Universität Zürich mit der UBS Foundation stehen so schöne Sätze wie: «Die Parteien anerkennen und akzeptieren das Prinzip der akademischen Unabhängigkeit in Forschung und Lehre, und nichts in diesem Abkommen soll das einschränken.»

Die Realität sieht anders aus. Dass die Uni diese Realität mit fadenscheinigen Argumenten verheimlichen wollte, macht es nicht besser.

Link zum Vertrag: 
www.tinyurl.com/uni-ubs-vertrag