Macht und Bündnisse: Gesucht: Ein bürgerlicher Partner

Nr. 7 –

Die Strategie der Anbiederung nach rechts ist gescheitert – für die Linke, aber auch für die Mitte. Jetzt sind neue Allianzen nötig: Für eine Sozialpartnerschaft, die diesen Namen verdient.

Am letzten Sonntag wurde ein historischer Kompromiss zu Grabe getragen. Die vier Freiheiten des EU-Binnenmarkts waren immer eine sozial-liberale Verständigung zwischen dem bürgerlichen Bedürfnis nach offenen Märkten und der linken Forderung nach Bewegungsfreiheit der Menschen – auch wenn die Arbeit gegenüber dem Kapital stets im Nachteil blieb. Die Zäsur liegt also auch darin, dass eine Initiative angenommen wurde, die von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden gemeinsam bekämpft worden war.

Bislang ist nüchtern festzustellen: Wo die Linke stark ist, wurde die SVP-Initiative abgelehnt. Kleinbürgertum, Gewerbler und Bäuerinnen nahmen sie an. Es fehlte also vor allem in der bürgerlichen Mitte an Mobilisierung und Überzeugungskraft. Den Wirtschaftsverbänden und ihren Parteien ist es nicht gelungen, ihre Klientel zu überzeugen. Zu eng gingen sie in den letzten Jahren an der Leine der Banken und Multis. Deren Interessen laufen jenen der Basis der zahlreichen KMU zuwider. Verkörpert wird dieser Widerspruch in der Person von Philipp Müller, der zurzeit wie ein Zombie über die Bildschirme flackert und vor Ausländerkriminalität und Zuständen «wie in Mombasa» warnt. Der FDP-Präsident, der wegen seiner fremdenfeindlichen Initiative aus dem Jahr 2000 «18-Prozent-Müller» genannt wird, erweist sich zunehmend als Handicap für die Partei. Der gelernte Gipser steht traditionell jenem Teil der Wirtschaft nahe, der in Migrationsfragen stets mit der SVP liebäugelt. Das kann der FDP-Präsident nur schlecht verbergen. Dass sich zuletzt ausgerechnet Müller gezwungen sah, in ganzseitigen, von Economiesuisse finanzierten Zeitungsinseraten an die Stimmbevölkerung zu appellieren, veranschaulicht die ganze momentane Schizophrenie der Bürgerlichen.

Seit Jahren biedert sich die FDP bei der SVP an und zeuselt mit Parolen, die sich höchstens im sogenannten Stil von der offenen Fremdenfeindlichkeit der Rechtspopulisten unterscheiden. Flankiert wird sie von der Familienpartei CVP, die den Familiennachzug am liebsten komplett abschaffen würde. Die Bürgerlichen sollten den eingeschlagenen Weg überdenken. Und die FDP muss sich ernsthaft fragen, ob Präsident Müller noch tragbar ist.

Für die Linke lautet eine Erkenntnis der Abstimmung: Die Strategie des Appeasement ist gescheitert. In migrationspolitischen Fragen versuchten Bundesrätin Simonetta Sommaruga und ihr Vorzimmerjunge Rudolf Strahm den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie deren Forderungen vorwegnahmen. Das hat sich als kontraproduktiv erwiesen. Stattdessen sollte die Linke endlich eine fortschrittliche Migrationspolitik formulieren, die auf dem universellen Anspruch der Menschenrechte basiert.

Die Abstimmung offenbart aber auch, dass rein ökonomische Argumente nicht durchdrangen. Doch die Linke sollte sich weiter auf die Frage der gerechten Verteilung konzentrieren. Faire Löhne, faire Renten. Auch wenn die hohe Annahme der SVP-Initiative im Tessin zum Teil auf die wirtschaftliche Strukturschwäche des Kantons zurückzuführen ist, deutet das denkwürdige Resultat darauf hin: Gegen die Angst um den Job könnten Mindestlöhne und Gesamtarbeitsverträge Abhilfe schaffen. Wie sonst lautet eine soziale Antwort auf diese berechtigten Ängste? Entscheidend für die Zukunft ist deshalb eine würdige Sozialpartnerschaft, die diesen Namen verdient. Dafür ist aber eine bürgerliche Mitte nötig, die nicht im ideologischen Beton erstarrt, sondern Hand bietet für soziale und liberale Allianzen.