Schweiz und EU: Durchs finstere Tal ans Licht

Nr. 7 –

Die SVP hat die Schweiz mit ihrer fremdenfeindlichen Politik über Jahre europapolitisch in die Sackgasse manövriert. Der Ausweg könnte in die Europäische Union führen.

Hat sich die SVP diesmal verschätzt? Der Milliardär Christoph Blocher und seine Wirtschaftspartei haben seit ihrem inszenierten Kampf gegen den EWR 1992 stets nach demselben Rezept politisiert: Sie liessen den Bundesrat Verträge mit der EU aushandeln, die der eigenen Wirtschaftsklientel nützten. Gleichzeitig bezichtigten sie ihn – sowie die anderen Parteien, die die Verträge abnickten – des Landesverrats. Damit gelang es der Wirtschaftspartei, die Massen hinter sich zu scharen.

Vor der EWR-Abstimmung wusste die SVP, dass der Bundesrat mit dem bilateralen Weg eine Alternative zur Hand hatte, mit der die Interessen der eigenen Parteiklientel gesichert würden. Seither konnte die SVP bei jeder Abstimmung über Europavorlagen darauf vertrauen, dass sie diese mit ihrer alleinigen Opposition nicht zu Fall bringen würde. Das Ja zur Einwanderungsinitiative könnte erstmals die Interessen der UnternehmerInnen in den Reihen der SVP gefährden, weil die Initiative die Arbeitskräfte kontingentiert. Viele ParteiexponentInnen dürften bei der Verkündung des Volksverdikts leer geschluckt haben.

Der Bundesrat hat nun den Auftrag, das Personenfreizügigkeitsabkommen neu zu verhandeln. Dazu wird die EU kaum bereit sein. Der Regierung bleibt der Ausweg, ein Gesetz zu formulieren, das das Abkommen mit der EU nicht verletzt. Europaexperte Dieter Freiburghaus glaubt, dass dies durch hohe Kontingente möglich wäre.

Denkbar ist jedoch auch ein anderer Weg. Den Kern der Initiative umzusetzen, also Kontingente einzuführen, die die Zuwanderung tatsächlich beschränken – dies schliesst keineswegs die menschenverachtende Abschaffung des Familiennachzugs ein, die die SVP nun fordert, da sie im Initiativtext lediglich als Möglichkeit aufgelistet wird. Damit würden der Bundesrat und die anderen Parteien verhindern, dass die SVP sie weitere zwanzig Jahre wie Schafe vor sich hertreibt, ihnen vorwirft, den Volkswillen zu missachten, und die Stimmung im Land weiter vergiftet.

Entscheidend ist jedoch: Solange ein Volksverdikt keine Grundrechte verletzt, ist es umzusetzen. Das ist die Konsequenz der direkten Demokratie.

Dass die EU die bilateralen Verträge kündigt, ist laut Freiburghaus nicht das vordringlichste Problem. Die EU könnte jedoch schon bald Gegenmassnahmen ergreifen. Bereits haben EU-Vertreter die Teilnahme der Schweiz am EU-Forschungsprogramm hinterfragt. Auch weitere Abkommen würden ausbleiben, der Wirtschaft drohten eisige Zeiten. Das wäre aber lediglich das Ende der europapolitischen Sackgasse, in der die Schweiz schon seit Jahren wandelt.

Dem SVP-Leichtgewicht Luzi Stamm, der das Vaterland rein halten will, mag dies egal sein. Doch was ist mit all den WirtschaftsvertreterInnen, die in der SVP ein Zuhause fanden, weil es die Partei so gut verstand, ihre Interessen in ein flauschiges Heimatgefühl zu betten?

In Wirtschaftskreisen könnte die Idee eines EU-Beitritts bald wieder salonfähig werden. Für die Linke stellen sich bereits heute Fragen: Jahrelang hat sie die Integration der Schweiz in den europäischen Markt mitgetragen, weil dieser soziale Fortschritte wie etwa den Familiennachzug mit sich brachte und weil sie den Bürgerlichen auf diesem Weg sozialpolitische Zugeständnisse abringen konnte. Nun greifen die SVP und andere Bürgerliche den Familiennachzug, die flankierenden Massnahmen und den Mindestlohn an, über den im Mai abgestimmt wird. Zeigt der Angriff also nicht, dass der bilaterale Weg im Rückschritt endet? Wäre es nicht an der Zeit, zusammen mit bürgerlichen Wirtschaftskreisen einen EU-Beitritt zu fordern, der sozialpolitisch flankiert wäre?