Universität Zürich: Aepplis Doppelrolle als Problem

Nr. 24 –

Die Mörgeli-Affäre, die über Pfingsten erneut hochgekocht ist, zeigt beispielhaft, wie problematisch die politische Abhängigkeit der Universität Zürich ist. Aus diesem Grund macht sich die Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli (SP) angreifbar.

Bezeichnenderweise begann der jüngste Akt der Mörgeli-Affäre mit einer Indiskretion – wie so oft, wenn politische Interessen im Raum stehen. Die kantonsrätliche Aufsichtskommission Bildung und Gesundheit (ABG) erstellte in den vergangenen Monaten einen umfassenden Bericht zu den Vorfällen am Medizinhistorischen Institut. Diese eskalierten im Herbst 2012 mit der Entlassung von Oberassistent und SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli und gipfelten ein Jahr später im Rücktritt des damaligen Unirektors Andreas Fischer. Der ABG-Bericht hätte am vergangenen Dienstag der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Doch weil die «SonntagsZeitung» den als geheim deklarierten Bericht bereits übers Pfingstwochenende publiziert hatte, sahen sich die Beteiligten genötigt, noch am Pfingstmontag zu reagieren, und riefen eilends eine Pressekonferenz ein. Parallel dazu organisierte am Pfingstmontag auch die SVP eine Medienkonferenz und forderte vehement den Rücktritt der Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli. Die SP-Politikerin, die amtsbedingt auch Präsidentin des Universitätsrats ist, soll im Herbst 2012 eine fristlose Entlassung Mörgelis gefordert und damit ihre Kompetenzen überschritten haben, hält der ABG-Bericht fest.

Die Mörgeli-Affäre ist eigentlich ein arbeitsrechtlicher Konflikt. Doch längst ist daraus eine machtpolitische Schlacht zwischen der Universität, Bildungsdirektorin Aeppli und der kantonalen SVP geworden. Die Ursache liegt darin, dass die Universität nicht unabhängig von der Politik ist.

Bereits der erste Akt der Affäre war politisch geprägt. 1988 musste am Medizinhistorischen Institut der renommierte Historiker Huldrych Koelbing ersetzt werden. Der deutsche Soziologe und Medizinhistoriker Alfons Labisch galt als Kronfavorit, doch passte er als Sozialdemokrat dem damaligen Bildungsdirektor Alfred Gilgen nicht. Der LdU-Politiker, der offen mit der SVP sympathisierte, ernannte stattdessen einen gewissen Christoph Mörgeli interimistisch zum Leiter des Instituts, wie die «Zürcher Studierendenzeitung» (ZS) recherchiert hat. Später setzte Gilgen Beat Rüttimann als Direktor ein, Mörgeli blieb für das Medizinhistorische Museum zuständig.

Wegschauen als Devise

Über zwei Jahrzehnte lang prägten die beiden den Kurs des Instituts. Im erwähnten ABG-Bericht sind die Auswirkungen dieses Kurses wie folgt beschrieben: «mangelnde Organisationsstruktur, fehlende Führung und zunehmende Isolierung des Instituts sowie handfeste Probleme mit der Sammlung». Fragwürdig blieben auch die Lehrveranstaltungen von Mörgeli: «Eine Vorlesung bot der Titularprofessor 13 Jahre lang an, ohne dass sie jemals durchgeführt wurde – das Interesse war nicht vorhanden. Ein zweites Lehrangebot fand zwar statt, doch da sassen vorwiegend Senioren. Unter ihnen auch sein langjähriger Wegbegleiter Rüttimann und der ehemalige Erziehungsdirektor Gilgen», schreibt die ZS.

Die zunehmend prekären Zustände am Medizinhistorischen Institut waren an der Uni ein offenes Geheimnis, doch die übergeordneten Stellen beschlossen wegzuschauen, wie der ABG-Bericht offenbart. Das änderte sich nach dem Rücktritt Rüttimanns Ende 2010. Unter dem neuen Institutsleiter, Professor Flurin Condrau, kam es innerhalb von kurzer Zeit zu einem Auffassungs- und schliesslich auch Personalkonflikt mit Christoph Mörgeli. Condrau war bezüglich «wissenschaftlichen Standards, Sammlungspraxis und Teamfähigkeit» fundamental anderer Meinung als Oberassistent Mörgeli. Er ordnete eine Mitarbeiterbeurteilung sowie einen unabhängigen Bericht über das Museum an – beide stellten Mörgeli ungenügende Noten aus. Gleichzeitig wandte sich Condrau mit «Hilferufen», wie der ABG-Bericht festhält, an die übergeordneten Stellen. Letztlich erfolglos, die Devise der EntscheidungsträgerInnen blieb: wegschauen.

Die Lektüre des ABG-Berichts ist äusserst aufschlussreich. Denn er zeigt detailliert auf, wie aus dem Auffassungs- und Personalkonflikt ein Politikum werden konnte. Die verantwortlichen Stellen – in hierarchischer Reihenfolge nach oben sind das das Dekanat, das Prorektorat, das Rektorat und schliesslich der Unirat – haben durchs Band versagt. Nachdem sich lange Zeit niemand um den schwelenden Konflikt hatte kümmern wollen, erklärte der damalige Unirektor Andreas Fischer die Angelegenheit zur Chefsache. Dabei ging es im Grunde genommen um einen Oberassistenten an einem nicht wirklich bedeutenden Institut.

Die Kritik ist logisch

Die Affäre Mörgeli hätte niemals eine solche Dimension angenommen, wäre sie als arbeitsrechtlicher Konflikt auf Dekanatsstufe behandelt worden. Erst durch die Einmischung Fischers und später auch Regine Aepplis hat die Affäre ihre politische Sprengkraft entfalten können. Als ob nicht absehbar gewesen wäre, dass der gewiefte und medial gut vernetzte SVP-Nationalrat Mörgeli den Konflikt genüsslich ausschlachten und sich als politisches Opfer inszenieren würde. Dass Aeppli deswegen zurzeit in der Kritik steht, ist logisch. Und strukturell bedingt.

Aeppli präsidiert als Bildungsdirektorin automatisch den Unirat. Diese Doppelrolle ist problematisch. «Wer vom Unirat entlassen wird, der muss sich bei der Bildungsdirektion darüber beschweren – und hat somit zweimal mit Aeppli zu tun», schreibt die ZS über die Doppelrolle. Ausserdem stelle sie Budgetanträge, die sie später als Bildungsdirektorin selbst bewilligt. Solange der Einfluss der Bildungsdirektion auf Personal- und Budgetentscheide an der Universität Zürich derart direkt ist, weisen sie immer eine politische Dimension auf.