Uniformenstreik: Genfs rechte SchmuddelpolizistInnen

Nr. 29 –

Ohne Uniform, nicht rasiert und mit Drohungen auf Facebook: Unterstützt von rechts aussen führen die Genfer KantonspolizistInnen einen spektakulären Arbeitskampf.

Seit Wochen dauert der sogenannte Uniformenstreik der Genfer KantonspolizistInnen. Letzte Woche beschlossen die BeamtInnen, ihren Druck auf die Regierung noch zu verstärken. Selbst wenn am Erscheinungstag dieser WOZ die Fêtes de Genève mit Riesenrad, Feuerwerk, Würstchenbuden und Hunderttausenden von erwarteten Schaulustigen beginnen, wollen sie ihre Uniformen partout nicht wieder anziehen. Ganz Genf debattiert leidenschaftlich, ob das respektlose Outfit als besonders wirkungsvolles gewerkschaftliches Druckmittel oder aber als besonders fieser Angriff auf die Würde und Wirksamkeit der polizeilichen Funktion verstanden werden müsse.

Begonnen haben die Protestaktionen der Uniformierten schon im Frühjahr. Zuerst weigerten sich die «poulets», so der französische Spitzname für PolizistInnen, Bussen zu verteilen. Dann rückten sie ohne Kopfbedeckung aus. Später organisierten sie, trotz Vermummungsverbot, eine Demonstration, an der sie vermummt auftraten. Die Uniformen hängen seit Juni am Nagel, die GendarmInnen wachen in Shirts und Shorts über die Sicherheit der Rhonestadt; das einzige Kennzeichen ihrer Funktion ist eine orangefarbene Armbinde. Seit Wochen lassen sich die Polizisten den Bart wachsen: Rasierapparatestreik.

Verrat, Zorn und «Entgleisungen»

Der haarige Protest hat komplexe Gründe. Die Genfer Regierung werkelt an einer Neubeurteilung aller Funktionen im Staatsdienst. Das Ziel der Übung ist ein neues Lohnmodell für Staatsangestellte. Im Klartext handelt es sich um eine Sanierung der Finanzen samt angekündigten Lohnkürzungen beim Staatspersonal. Dazu kommt, dass Genf schon lange ein neues Polizeigesetz erhalten soll; es befindet sich derzeit in den parlamentarischen Schlussberatungen. Die mächtigen Polizeipersonalverbände versprachen Unterstützung für das Polizeigesetz, wenn die Regierung bei der Beratung des neuen Lohnmodells nicht an ihren Errungenschaften rüttle.

Der Deal ist vorderhand nicht aufgegangen. Jedenfalls fühlen sich die OrdnungshüterInnen vom zuständigen Minister für Sicherheit, dem freisinnigen Pierre Maudet, im Stich gelassen. Sie werfen ihm Verrat vor, weil sie befürchten, das neue Lohnmodell bringe erstens Lohneinbussen – und zweitens Ordnung in den Dschungel ihrer Entschädigungen und Privilegien. Und was eignet sich besser als aktueller Aufhänger für die Unzufriedenheit als das neue Polizeigesetz? Dieses zieht sowieso den Zorn von links und rechts auf sich: Die Linke kritisiert, dass Rayonverbote für Bettelnde erlassen werden können und dass das Gesetz verdeckte Ermittlungen schon im Vorfeld eines juristischen Verfahrens zulässt. Der Rechten hingegen bleibt im Halse stecken, dass die Uniformierten dazu verdammt werden sollen, eine Erkennungsmarke zu tragen, und dass in den Posten Überwachungskameras aufgestellt werden sollen, um allfällige polizeiliche «Entgleisungen» (gängiger Euphemismus) festzuhalten.

«Poulets» im Parlament

Die Genfer Polizei streikt schnell und gerne, und mit der Unzufriedenheit der Genfer PolizeibeamtInnen war noch nie zu spassen. Dies musste vor einigen Jahren die heutige Polizeichefin Monica Bonfanti erfahren, die gerade eben vom damaligen sozialdemokratischen Polizeiminister Laurent Moutinot eingestellt worden war. Unzufrieden mit den medienwirksamen Auftritten der attraktiven Chefin streuten PolizeibeamtInnen kurzerhand das Gerücht, Bonfanti verdanke ihre Ernennung einem Umweg über das Bett von Moutinot. Die Gerüchte zogen eine Untersuchung nach sich, die keinerlei Hinweise auf eine Affäre brachte. Dennoch wurde der Polizeiverband nicht sanktioniert, sondern lediglich gebeten, einen neuen Präsidenten zu wählen. Monica Bonfanti bemüht sich seither, nicht mehr aufzufallen.

Auch heute ertragen nicht alle «poulets» Kritik. Der christdemokratische Kantonsrat Vincent Maître etwa wagte die Aussage, die Löhne und Arbeitsbedingungen der Genfer OrdnungshüterInnen stünden eigentlich im Vergleich nicht allzu schlecht da. Er wurde auf Facebook bedroht, man werde ihm im Fall eines Notrufs an die Polizei nicht zu Hilfe kommen. Ihre politische Verankerung haben solche rabiaten BeamtInnen häufig in der SVP und vor allem in der grenzgängerfeindlichen Partei Mouvement Citoyens Genevois (MCG): Etwa ein Drittel der politischen Abgeordneten des MCG im Kantonsparlament stammt aus den Reihen des Polizeikorps.

Deshalb tut sich auch die Linke schwer mit dem Streik. Haben die spektakulären Aktionen gewerkschaftlichen Charakter, oder sind sie ein korporatistischer Reflex zur Verteidigung von Privilegien? Soll man sie unterstützen oder nicht? Auch wenn es zum heutigen Zeitpunkt zu früh ist, gegen das neue Lohnmodell zu mobilisieren, weil es noch nicht einmal als Gesetzesentwurf vorliegt, bereitet man sich bei den Gewerkschaften des öffentlichen Diensts auf den Abwehrkampf vor. Und PolizistInnen sind nun mal, uniformiert oder in kurzen Hosen, Teil des Staatspersonals.