«Menschen im Krieg»: Horrend und grandios antimilitaristisch

Nr. 33 –

Die Beine weggerissen. Die Schädeldecke weggeschossen. Die Gedärme aus dem Leib gequollen. Die Verletzungen der Soldaten im Ersten Weltkrieg, die Andreas Latzko in seinem Buch «Menschen im Krieg» beschrieben hat, sind horrend. Karl Kraus nannte es 1917 das «als Kriegsdokument wichtigste Buch», als es in einem Zürcher Verlag publiziert wurde. Zum Gedenkjahr ist es neu aufgelegt worden.

Andreas Latzko (1876–1943) diente als Offizier der österreichisch-ungarischen Armee an der Isonzofront gegen Italien, wurde 1916 wegen traumatischem Nervenschock ausgemustert und zur Kur nach Davos in die Schweiz geschickt. Dort schrieb er seine Erfahrungen aus sich heraus. Die Texte erschienen, anonym, in Schweizer Zeitschriften, wurden dann vom Rascher-Verlag als Sammelband herausgegeben.

Selbst in Zeiten visuell vermittelter Gräuel sind Latzkos sechs Texte zuweilen kaum erträglich. Sie zeigen die Verstümmelungen von Körper und Seele, expressionistisch aufgetürmt, in zornigen Ausfällen des Erzählers und wütenden inneren Monologen.

Doch die sechs Erzählungen sind nicht bloss grandios antimilitaristisch, sondern vermitteln eine knappe Sozialstruktur der Donaumonarchie. Da sind die mittleren Beamten, deren blindes patriotisches Vertrauen im Schützengraben zerfällt. Da sind der humanistisch gebildete Offizier und der junge, auf den Krieg erpichte Hilfsarbeiter. Und da ist der erbarmungslose General in der Etappe.

Die Geschichte mit dem Titel «Heldentod» ist besonders eindringlich. Ein bei einem Granatenangriff schwer verwundeter Offizier durchlebt im Spital immer wieder, wie seinem Adjutanten, der auf dem Grammofon gerade einen Militärmarsch abspielte, beim Volltreffer der Kopf vom Rumpf getrennt wird und wie die Grammofonplatte senkrecht auf dem Hals stecken bleibt. Delirierend erkennt der sterbende Offizier, warum alle die mörderischen Schlächtereien mitmachen: An der Stelle des Kopfs ist ihnen ein Grammofon aufgepfropft worden, das sie mit Propaganda abfüllt.

Andreas Latzko: Menschen im Krieg. Mit einem Nachwort von Hans Weichselbaum. Milena Verlag. 
Wien 2014. 186 Seiten. Fr. 30.90