Deutschland: Einschränkung des Streikrechts?

Nr. 37 –

Streiks bei der Deutschen Bahn (DB), die von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) organisiert werden, dazu Arbeitsniederlegungen bei der Lufthansa und ihrer Tochter Germanwings, zu denen die Pilotenvereinigung Cockpit aufgerufen hat – und schon wieder fallen alle über die sogenannten Spartengewerkschaften her, die angeblich nur «Einzelinteressen» vertreten, wie der Gewerkschaftsdachverband DGB behauptet. Und deren Streikrecht die Bundesregierung demnächst per Gesetz einschränken will.

Bei den aktuellen Tarifkonflikten geht es vordergründig um Alltägliches. Die GDL verlangt eine geringere Arbeitsbelastung der LokführInnen: Verkürzung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden, Begrenzung der Überstunden und bessere Schichteinteilung. Die DB hat in den vergangenen Jahren den Personalbestand so weit reduziert, dass der Bahnbetrieb nur mit Mehrarbeit aufrechterhalten werden kann – zu miserablen Bedingungen. Und die Vereinigung Cockpit – deren Mitglieder am Mittwoch alle Flüge ab und nach München bestreikten – widersetzt sich seit langem Pensionskürzungsplänen, die das Lufthansa-Management durchpauken will.

Normale Auseinandersetzungen also–wenn da nicht die innergewerkschaftlichen Konflikte wären. Denn die GDL, in der achtzig Prozent der 22 000 LokführerInnen organisiert sind, will künftig für das gesamte fahrende Personal sprechen können, mithin auch für die ZugbegleiterInnen (die ähnliche Schichtzeiten haben wie die LokführerInnen). Dem jedoch widersetzen sich der DB-Vorstand und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, die die Interessen der übrigen 140 000 Bahnbeschäftigten vertritt. Ein Abkommen, das bisher die Zuständigkeiten regelte, lief im Juni aus.

In einem ungewöhnlich scharf formulierten Brief forderte nun Ende vergangener Woche der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann den Beamtendachverband DBB auf, die GDL an die Leine zu legen. Es gehe um die «Reputation der Gewerkschaften». Die GDL gehört aus historischen Gründen dem Beamtenbund an, die EVG dem DGB.

Der Bundesregierung kommt dieser Zwist gerade recht. Im Koalitionsvertrag hatten SPD und die Unionsparteien (damals noch auf Drängen des DGB) ein Gesetz zur Tarifeinheit in den Betrieben angekündigt. Künftig soll in einem Unternehmen nur die mitgliederstärkste Organisation einen Tarifvertrag abschliessen können – im Fall der Lufthansa also die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, bei der Bahn die EVG. Damit will Berlin den Einfluss der kleinen Berufsgewerkschaften beschränken, da Konflikte im Luft- und Bahnverkehr der Wirtschaft schaden würden. Dieses Vorhaben verstösst jedoch – so warnen VerfassungsrechtlerInnen – gegen die Koalitionsfreiheit. Ausserdem schränkt es das grundgesetzlich verbriefte Streikrecht ein.