Swisslife-Plakate: Der Fetischcharakter der Vorsorge

Nr. 37 –

«Wohneigentum ist Vorsorge zum Anfassen», behauptet eine Plakatreihe des Lebensversicherungskonzerns Swiss Life, deren Exponate man dieser Tage auf der Strasse bewundern kann. Meisterhaft paart sie philosophisch anmutende Phrasen mit sentimentalem Realismus: eine gern gespielte Klaviatur zeitgenössischer Werbung. Auf dem einzelnen Motiv sehen wir je eine Person, die ihr Eigenheim berührt, zum Beispiel ein Kind das Fenster, ein älterer Mann den Poolrand. Die kleinbürgerlichen Heile-Welt-Fantasien sind minutiös durchgestaltet: Die ProtagonistInnen tragen reine Haut und heimelige Kaschmirjäckchen, werden beschützt durch Hecke oder Mauerwerk – und sind dabei stets eingebettet in ein nostalgisches Pathos des Handfesten, was mit Kachelofen und Fingerfarbe unterstrichen wird. Sich über die ökologischen oder sozialen Implikationen dieser Bildmotive zu erhitzen, wäre bestenfalls moralistisch.

Auf ungewollte Weise sind sie nämlich genial – sprechen sie doch in knappster Form den ganzen Zauber des Kapitalismus aus. Geldfiktion und dumpfe Skepsis reichen sich hier wortwörtlich die Hand: Real ist, was man anfassen kann. Dass «Vorsorge» nur als geldgebundener Wert Sinn ergibt und dass dieser Wert eine gesellschaftliche Übereinkunft ist, die sich jederzeit verändern kann – all das wird hier ausgeblendet. Die jüngste Finanzkrise verleiht der Werbung gar eine ironische Note. Man stelle sich ein Foto des verfallenden Detroit vor, darunter die Zeile: «Wohneigentum ist Vorsorge zum Anfassen.»

Die gesellschaftlichen Verhältnisse erscheinen uns als «sinnlich übersinnliche Dinge», schreibt Karl Marx über den Fetischcharakter der Ware. Dass diese Sinnlichkeit in der Berührung ihre vertrauenswürdigste Form findet, ist nicht neu: Das Goldene Kalb fand seine Wiederkehr im raschelnden Papiergeld. Angesichts der digitalen Virtualität schlägt Swiss Life nun gröbere Materialien vor, um sich der Realität zu versichern. Jedoch: Real ist lediglich die Mauer, nicht die Vorsorge.