Porträt: So polemisch, wie Gott erlaubt

Nr. 38 –

Der SVP-Jungpolitiker Marco Giglio fährt in seinem Kampf gegen Islamisten, «Genderelite», Sozialisten und zu viel Sex in der Schule schweres Geschütz auf.

«Jetzt geben wir Jungen Gas»: Marco Giglio, für den Fototermin dann doch wieder im Anzug.

Marco Giglio kommt in Pullover und Jeans, den Anzug mit dem Schweizer-Flagge-Pin am Revers hat er zu Hause gelassen. Für ein Treffen mit der WOZ schien er ihm unpassend.

Als sich der in der Schweiz geborene Sohn sizilianischer EinwanderInnen dann in einem Café in Bern gesetzt hat, ist es vorbei mit Konzessionen. Jetzt sagt er, «was sich kaum mehr jemand zu sagen getraut». Wobei das meiste, was er sagt, sich auch andere schon zu sagen getraut haben. Thilo Sarrazin etwa, den Giglio leicht abgewandelt zitiert, wenn er sagt: «Frankreich schafft sich ab.»

Das hat er vor drei Jahren herausgefunden. Damals beendete der heute 22-Jährige ein Studienjahr an einer katholischen Privatschule in Rennes. Wie die Schule heisst, will er nicht sagen. Sein Tun werde auch in Frankreich verfolgt, glaubt er, und die Regierung drangsaliere katholische Schulen, «ich will niemanden in Gefahr bringen». Nach seinem Studienjahr reiste er durchs Land, «und da bin ich leider auf die Islamisierung gestossen». In Paris oder Marseille habe er «Quartiere von der Grösse von Schweizer Städten» gesehen, in die sich Frauen nur noch verschleiert hineintrauten und die Polizei gar nicht mehr.

Marco Giglio wusste nun, was er zu Hause tun wollte: sich engagieren. Für eine Schweiz, die stolz ist auf ihre Wurzeln. Für die klassische Familie und für christliche Werte. Gegen Islamisierung. Gegen die Sexualisierung in den Schulen. Gegen Einheitskrankenkasse, Mindestlohn und andere «sozialistische Tendenzen».

Manipulierter Gesangswettbewerb?

Giglio, bis dahin ein eher passives Mitglied in der SVP-Sektion seines Heimatdorfs Wimmis im Berner Oberland, wurde aktiv – und die SVP fand den passenden Posten für ihn. Ob er nicht Lust hätte, der Jungen SVP Solothurn als Parteisekretär neues Leben einzuhauchen, wurde er Ende letzten Jahres gefragt. Giglio hat nun im Solothurnischen eine Stelle im Detailhandel angenommen und wird bald nach Olten ziehen. «Jetzt», sagt er, «geben wir Jungen Gas.»

Die Öffentlichkeit wurde dessen erstmals im Februar dieses Jahrs gewahr: Als Beitrag zur Debatte um die «Pädophilie-Initiative» gestaltete Giglio ein Flugblatt, auf dem ein Strichmännchen einem verängstigten Strichmädchen sein erigiertes Glied ins Gesicht streckt. «Was die Linken und die Grünen dulden und die Gender provozieren», schrieb er dazu. Er finde es «schade», sagt er nun, dass er sich einer solch derben Bildsprache habe bedienen müssen. «Aber sonst wäre ich mit meiner Botschaft nicht in die Medien gekommen.» Er kam in die Medien, einige Wochen später gleich wieder: «Der Gesangswettkampf von der Eurovision gilt als manipuliert», liess er da verlauten. Noch heute ist er überzeugt, dass die Kunstfigur Conchita Wurst «von der Genderelite durchgewunken» wurde.

Wer ist diese «Genderelite»? «Da muss ich aufpassen, was ich sage, deswegen wurden schon Menschen umgebracht», sagt Giglio. Bevor er das Geheimnis dann doch lüftet: «Dahinter steckt die Freimaurerei.» Sie, «der ärgste Feind des Christentums», unterwandere mit ihrer Vision von grösster sozialer Freiheit weite Teile der Gesellschaft. Die Reaktionen auf Giglios Verlautbarungen zu Conchita Wurst reichten von Belustigung bis Kopfschütteln – auch in der eigenen Partei. «Das hat in der Politik nichts zu suchen», findet der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, eines von Giglios Vorbildern. Giglio sei «sehr engagiert», sagt Wobmann, «aber ab und zu schiesst er über das Ziel hinaus».

Für Ecopop ein zu kleiner Fisch

Eben erst hat der Jungpolitiker für das nächste Skandälchen gesorgt. Diesmal ging es um die Ecopop-Initiative. Zusammen mit einem Kollegen aus der Jungen SVP teilte er mit, sie wollten diese wegen ihrer «Nähe an der Ideologie des Dritten Reichs versenken». Dass die InitiantInnen in Entwicklungsländern «Menschen vorschreiben wollen, wie viele Kinder sie machen dürfen», das gehe «in die gleiche Richtung» wie damals, findet Giglio und begibt sich damit auf heikles Terrain. Hatte doch Andreas Thommen, Geschäftsführer von Ecopop, Anfang 2013 verlauten lassen: «Alles, was uns mit dem Nazitum oder Eugenik in Verbindung bringt, klagen wir ein.»

Muss Giglio also mit einer Anzeige rechnen? «Marco wer?», fragt Thommen nun am Telefon. «Giglio? Noch nie gehört.» Nein, er habe nicht vor, gegen ihn rechtlich vorzugehen. «Da muss dann schon ein grösserer Fisch kommen, damit ich aktiv werde.»

Aktiv bleiben wird Marco Giglio: Bald schon dürfte die nächste Provokation den Weg aus seinem Kopf über das Paint-Programm seines Computers und durch seinen Drucker an die Öffentlichkeit finden: als Flugblatt, mit dem er den Lehrplan 21 in Solothurn versenken will. Mit der Frühsexualisierung von Kleinkindern, glaubt er, «kann man sicher was machen».