Kost und Logis: Gefährliche Blöterli

Nr. 44 –

Ruth Wysseier über Klimawandel und Weinbau

Wenn ich dieser Tage in den Fasskeller gehe, blubbert es heftig in den Gärspunden in Tanks und Holzfässern: Während der Gärung verwandelt die Hefe den Zucker des Traubenmosts in Alkohol und setzt dabei Wärme und viel Kohlendioxid frei. Weil das CO2 geruchlos ist, merkt man nicht, wie gefährlich die Konzentration ist, schlimmstenfalls wird man ohnmächtig und erstickt. Alle paar Jahre liest man von einem solchen tödlichen Unfall im Weinkeller, und dann stelle ich eine Zeit lang während der Arbeit vorsichtshalber eine brennende Kerze auf den Boden. Falls die verlöschen würde, weil die Flamme nicht mehr genug Sauerstoff hat, müsste ich schnellstens raus. Meistens lasse ich aber nur die Tür offen und gehe an die frische Luft, wenn ich einen Druck im Kopf spüre.

Kopfschmerzen bereitet mir auch, dass diese Blöterli dem Klima schaden. Und nicht nur die Blöterli: Heute entsteht mehr als die Hälfte der Weinbauemissionen durch Flaschenherstellung, Transport und Verpackung. Vor ein paar Generationen war es einfacher, weil der Wein hauptsächlich im Anbaugebiet selbst getrunken wurde, direkt aus dem Fass oder aus Korbflaschen.

Aber wie produziert man klimaneutralen Wein? Überall gibt es inzwischen Anstrengungen, um den CO2-Ausstoss in der ganzen Produktionskette zu senken; mit Ökostrom, Vertriebskooperationen, Glasrecycling, alternativen Verpackungsformen. Lacombe, «das erste klimaneutrale Weingut Europas» in Bordeaux, zahlt Myclimate-Ablass und wirbt mit dem Spruch «Bordeaux trinken heisst gegen den Klimawandel kämpfen».

Und draussen? Wo die Rebberge begrünt sind, wird kaum mehr gedüngt, und die pflanzliche Fotosynthese ist als CO2-Speicher sehr effizient. Doch wenn die Pflanzen verrotten oder verbrannt werden, geben sie das CO2 wieder frei. Der Philosoph und Rebbauer Hans-Peter Schmidt, der in seinem Walliser Rebberg auch Gemüse anbaut und Hühner scharren lässt, stellt darum aus pflanzlichen Reststoffen eine Pflanzenkohle her. Die soll sich nicht nur zur Bodenverbesserung eignen, sondern auch als Baumaterial, weil sie isoliert und die Feuchtigkeit reguliert. Damit würde das CO2 langfristig der Atmosphäre entzogen.

Kein Zweifel, es tut sich viel. Nur das Problem mit den CO2-Gärungsblöterli scheint unlösbar. Selbst wenn sie mit immensem Aufwand eingefangen, gereinigt und wieder verwendet würden, sind sie doch einzig und allein durch unsere Tätigkeit – respektive die der Hefe – in die Welt gerufen worden. Zwar bleibt ein kleiner Teil als Kohlensäure im Weisswein, doch auch das nützt nichts: Was wir an Kohlensäure durch den Körper laufen lassen, kommt auch als Kohlensäure wieder raus, ausser vielleicht der letzte Schluck, den wir mit ins Grab nehmen.

Ruth Wysseier ist Winzerin in Biel.

PS: Dieses Manuskript wurde ursprünglich
in der Century Gothic verfasst und 
von der Autorin beidseitig ausgedruckt. 
Diese Schriftart benötigt weniger Tinte.