Medientagebuch: Quellenverrat

Nr. 47 –

Dominique Strebel über Datenvorräte und Quellenschutz

Für einmal hat selbst Christoph Blocher geschlafen. Da ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Gehilfenschaft und Anstiftung zur Bankgeheimnisverletzung im Fall Hildebrand. Sie durchsucht im März 2012 sein Haus, beschlagnahmt Dokumente und Datenträger. Zuerst reagiert Blocher richtig, verlangt die Versiegelung und wehrt sich erfolgreich bis vor Bundesgericht: Die Strafverfolger dürfen keine journalistischen Dokumente der «Weltwoche» verwenden – weder in Papier- noch in Datenform, urteilen die Richter. Das Präjudiz ist wichtig. Denn in Zukunft sind journalistische Dokumente immer geschützt – egal, wo sie liegen. Und alert ist der Milliardär auch noch im August 2013, als er erfährt, dass die Strafverfolger die Randdaten seiner Kommunikation mit Handy, Festnetz und E-Mail auswerten wollen – also etwa Adressat und Dauer. Doch dann begeht er einen Fehler. Denn mit keinem Wort verlangt er, dass die Daten der Gespräche mit Journalisten nicht verwertet werden dürfen, weil sie eben auch dem Quellenschutz unterstehen. So weist das Bundesgericht die Beschwerde ab, ohne den Quellenschutz zu erwähnen. Medienschaffende müssen deshalb weiterhin damit rechnen, dass ihre InformantInnen auffliegen, wenn sie ins Visier der Strafverfolger geraten.

Anhand dieser Randdaten können Strafverfolger nicht nur ablesen, wer mit wem, wann und wo gemailt und per Natel oder Festnetz telefoniert hat, sondern sogar, wo sich die Person aufgehalten hat. Die Mobilfunkantennen übermitteln periodisch, welche Handys sich in der Nähe befinden. Diese Daten werden sechs Monate lang gespeichert. Es sind in Wirklichkeit nicht Rand-, sondern Kerndaten – wenn man im Sprachbild bleiben will. Und die Rechtslage in Sachen Quellenschutz ist ungeklärt. Zwar muss der Staat von sich aus alle Daten aussondern, die ein Berufsgeheimnis verletzen (Art. 271 StPO), und der Quellenschutz fällt unter diese Regelung. Doch das nützt nichts; denn die Behörde, die aussondert, müsste paradoxerweise auch wissen, dass die Person die geheime Quelle eines Journalisten ist. Und wer (als Journalistin oder Informant) verlangt, dass bestimmte Daten ausgesondert werden, deckt die Quelle gerade auf. Das Problem sieht man selbst beim Bund: «Je nachdem, wer die Quelle ist und wie oft diese Quelle auch sonst mit Journalisten Kontakt hat, ist das vermutlich ein mehr oder weniger starkes Indiz», bestätigt Nils Güggi, Informationsbeauftragter des Dienstes für Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (ÜPF).

Was können Medienschaffende tun? Verschlüsselt mailen genügt nicht, Absenderin und Empfänger bleiben dabei erkennbar, nur der Inhalt ist nicht lesbar. Um sich zu schützen, bräuchte es komplexe Technologie (wie das «Tor»-Netzwerk). Medienschaffende können aber ihre InformantInnen anweisen, beim Dienst ÜPF präventiv die Löschung der gemeinsamen Kommunikation zu verlangen – sofort, und nicht erst wenn ein Verfahren zur nachträglichen Telefonüberwachung läuft. Sinnvoller ist es, die Vorratsdatenspeicherung ganz abzuschaffen, denn sie ist ein unverhältnismässiger Grundrechtseingriff – wie der Europäische Gerichtshof Anfang April festgestellt hat.

P.S. Die publizierten Chatprotokolle im Fall Geri Müller wurden übrigens im Rahmen einer normalen Beweisaufnahme erhoben. Und dass die Uni Zürich im Fall Ritzmann/Mörgeli die Mails an die Strafverfolger weitergegeben hat, ist ein Patzer, der noch vor Gericht beurteilt wird. In beiden Fällen geht es nicht um Vorratsdaten.

Dominique Strebel ist Studienleiter 
an der Schweizer Journalistenschule MAZ, Kopräsident des Recherchenetzwerks investigativ.ch und einer von mehreren Beschwerdeführern, welche die Löschung 
ihrer Vorratsdaten verlangen.