Herbsttechnik: Mit dem Orkan durch deinen Vorgarten

Nr. 51 –

Laubbläser sind Dreckschleudern, sagen die einen. Sie sind effiziente Saubermacher, meinen die andern. Eine Klärung unter ExpertInnen.

Laubbläser: Nur etwas für Buben? Foto: Andreas Bodmer; Montage: WOZ

Wenn sich das Laub auf dem Boden mehrt und der Laubbläser wieder röhrt, tobt alljährlich ein Shitstorm durch den digitalen Blätterwald. Einer der Höhepunkte der aktuellen Saison: Laubbläser im Naturschutzgebiet bei Arlesheim. Das Thema wurde über Tage von «20 Minuten» mit einer Umfrage unter 3840 LeserInnen befeuert, von denen 72 Prozent die Antwort «Das kann doch nicht wahr sein» wählten.

Für die Empörung gibt es gute Gründe. Laubbläser sind laut: Kreissägen, Pressluftbohrer, ja sogar startende Verkehrsflugzeuge müssen zum Vergleich herhalten. Motorenbetriebene Geräte lärmen mit über hundert Dezibel, akkubetriebene sind nur wenig leiser. Was mit hundert Dezibel und mehr ins Ohr dringt, stuft die Suva als gefährlich ein. Doch für Laubbläser gibt es in der Schweiz keine Lärmgrenzwerte.

Laubbläser – zumindest die motorbetriebenen Zwei- und Viertakter – sind dreckig: Sie stossen grosse Mengen an Schadstoffen aus, darunter viel krebserregendes Benzol. Messungen der Abteilung Lufthygiene der kantonalen Verwaltung Zürich haben gezeigt, dass ein Laubbläser mit Zweitaktmotor beim Verbrennen von Benzin hundertmal so viel Benzol produziert wie ein Personenwagen mit Katalysator. Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt, unbedingt sogenanntes Gerätebenzin für Laubbläser zu verwenden. Es reduziert den Schadstoffausstoss um bis zu 95 Prozent, ist aber mehr als doppelt so teuer wie Benzin von der Tankstelle.

Laubbläser sind noch aus einem anderen Grund wahre Dreckschleudern: Viele besitzen die Blaskraft eines Orkans – 200 bis 300 Stundenkilometer – und wirbeln eine Menge Feinstaub auf, der mitunter tagelang in der Luft bleibt. Darin finden sich Darmbakterien, Parasiten und sogar Viren aus Hunde- und Katzenkot in über dreissigfach erhöhter Konzentration sowie Schimmelpilzkeime und Blütenpollen in bis zu zehnfach erhöhter Konzentration, wie eine Studie des deutschen Umweltbundesamts in Berlin nachgewiesen hat. Das ist nicht nur für AllergikerInnen und Lungenkranke lästig. Personen mit schwachem Immunsystem sollten einen grossen Bogen um Laubbläser machen, riet der Basler Virologe Claude Scheidegger jüngst gegenüber «20 Minuten» – sonst könne es lebensgefährlich werden.

Effizienz ist das Kriterium

Die Frage drängt sich auf: Wer um Himmels willen will denn überhaupt einen Laubbläser – und warum? Eine Frage, bei der offenbar alle erst mal mit dem Finger auf die andern zeigen und sich selber ungerecht behandelt fühlen. Die Bevölkerung verlange nach sauberen und sicheren – heisst: laubfreien – Strassen, tönt es aus den kommunalen Verwaltungen. Sie verteidigen den Einsatz von Laubbläsern mit dem immer gleichen Argument: Effizienz. Ein Mann mit Laubbläser ersetzt vier Männer mit Rechen und Besen (in der kantonalen Verwaltung Zürich sogar bis zu zehn). Auch will man den Strassenarbeitern die einseitige Belastung beim Wischen nicht mehr zumuten (gegen Lärm und Dreck gibt es ja Ohren- und Mundschutz).

Viele Städte steigen auf elektrische Akkubläser um. Die sind etwas leiser und sauberer. Zug etwa setzt ganz auf «umweltfreundliche Laubbläser» – und lässt sich diese vom CO2-Rückvergütungsfonds der Stadt finanzieren, der eigentlich dazu gedacht ist, Energie- und Klimaschutzprojekte zu unterstützen. Aber akkubetriebene Geräte sind halt bis zu fünfmal teurer als benzinbetriebene. Ausserdem bringen sie nur halb so viel Leistung und können, wie Hugo Baumann von Grün Stadt Zürich betont, bei Regen nicht eingesetzt werden.

Mit der Effizienz ist es also so eine Sache. Die Technische Universität Graz hat 2013 einen Vergleichstest durchgeführt, der nicht nur zeigte, dass mit einem Laubbläser rund zehnmal so viel Feinstaub aufgewirbelt wird wie mit einem Besen, sondern dass beide Reinigungsarten zum Erstaunen der WissenschaftlerInnen auch gleich lang dauern. Überhaupt sind die Rahmenbedingungen entscheidend: «Laub lässt sich am effizientesten wegblasen, wenn es taufeucht ist», vermeldet das Bundesamt für Umwelt. Genau das Gegenteil behauptet die Fachorganisation Kommunale Infrastruktur von Städte- und Gemeindeverband Schweiz: «Bei feuchtem Laub ist der Einsatz solcher Geräte nie effizient und gerechtfertigt.»

Und was meint der Laubbläserverkäufer? «Nass ist grundsätzlich schlecht, es wird weniger sauber und dauert länger», sagt Ramy Akin vom Maschinencenter Silent AG in Otelfingen. Zu seiner Kundschaft zählen Gemeinden wie Privatpersonen. Sie können wählen zwischen neunzehn Laubbläsern und -saugern, vom kleinen handbetriebenen Gerät für 399 Franken bis zum Fahrzeugaufsatz für 13 000 Franken. Am meisten verkauft Akin die kleineren Bläser, zunehmend begehrt seien die akkubetriebenen. Das bestätigt auch Fredi Tosio, Landi-Filialleiter in Landquart. Die von Bauern gegründete Genossenschaft mit rund 350 Läden führt drei Geräte zwischen 40 und 250 Franken und verkauft schweizweit 6500 Stück im Jahr. Weniger an Bauern, wie Tosio sagt, als an EinfamilienhausbesitzerInnen.

Laubbläser verbieten?

Mit «Die Laubbläser – Psychogramm einer kranken Gesellschaft» hat das Onlinemedium «Neopresse» den umstrittenen Geräten kürzlich eine philosophische Dimension verliehen. Laubbläser stünden sinnbildlich noch mehr als etwa Handys für die Bereitschaft der Menschen, sich von technischen Werkzeugen zur Befriedigung künstlicher Bedürfnisse antreiben zu lassen, was Infantilismus, Egoismus und Verantwortungslosigkeit gleichermassen befördere. Laubbläser, so das Fazit, bedrohten die Lebensgrundlage künftiger Generationen.

Anschauungsmaterial für diese These findet sich durchaus. In Interlaken zum Beispiel organisierte der Blogger Pixelfreund im Oktober 2009 ein Poloturnier der etwas anderen Art: auf Segways, den Elektrorollern für Geschäftsleute, und mit Laubbläsern.

Was also tun? «Politiker wollen Verbot von Laubbläsern prüfen», titelte «20 Minuten» gegen Ende seiner Onlinekampagne vor wenigen Wochen. Die Grünen der Stadt Zürich haben mit ihrer Petition «Stopp Laubbläser» über Jahre für ein Verbot von motorbetriebenen Geräten gekämpft. Im Mai dieses Jahres beschloss der Stadtrat schliesslich, sich nächstes Jahr beim Bund mit einem Schreiben für eine entsprechende Gesetzesänderung einzusetzen. Diese könnte dann 2017 in Kraft gesetzt werden.

Die österreichische Stadt Graz hingegen hat auf die Studie ihrer Technischen Universität reagiert und im Oktober die Benutzung von Laubbläsern auf dem gesamten Stadtgebiet verboten. Zuwiderhandlungen werden mit 
bis zu 8700 Franken Busse bestraft. Und der «Berliner Herold» berichtete vor wenigen Wochen über eine erfolgreiche Klage «aufgebrachter Bürger» vor dem Europäischen Gerichtshof, die demnächst zu einem europaweiten Verbot von Laubbläsern führen soll. Laubbläser seien mit den durch die Genfer Konvention geächteten sogenannten Schallwaffen gleichzusetzen, zitierte die Zeitung aus der Urteilsbegründung. Sie müssten also auf dieselbe Stufe wie Kriegswaffen gestellt und sofort aus dem Verkehr gezogen werden.

Der «Berliner Herold» ist eine Satirezeitung.

* Wunsch von Dominique Gfeller: «Laubbläser: Arbeitserleichterung 
oder Pseudonutzen?»