Argentinien: Warum starb Nisman?

Nr. 4 –

Wenn jemand die Hintergründe des Attentats auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires verschleiern wollte, dann der argentinische Geheimdienst.

Ein Mann liegt tot im Bad, ein Loch in der Stirn. Neben ihm eine Pistole der Marke Bersa, Kaliber 22. Die Tür seines Apartments im 13. Stock eines Hochhauses in Buenos Aires ist von innen verriegelt. Nach der Autopsie erklärt Staatsanwältin Viviana Fein: «Er hat sich selbst erschossen, ohne jeden Zweifel.»

Ein klarer Fall, könnte man meinen. Wäre der Tote vom vergangenen Sonntag nicht Staatsanwalt Alberto Nisman, der am Montag vor dem Strafrechtsausschuss des Parlaments schwere Vorwürfe gegen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner belegen sollte.

Deal mit dem Geheimdienst

Nisman hatte behauptet, Fernández wolle die iranischen Hintermänner des Bombenattentats auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires vom 18. Juli 1994 straffrei davonkommen lassen. Damals waren 85 Menschen getötet worden. Nach dem Attentat hiess es schnell, es sei im Iran geplant und von der libanesischen Hisbollah-Miliz ausgeführt worden. Aber auch der argentinische Geheimdienst soll seine Hände im Spiel gehabt haben. Vieles deutet darauf hin, dass die Spione des damaligen Präsidenten Carlos Menem, Staatsoberhaupt von 1989 bis 1999, etliche falsche Spuren gelegt haben. Menems Wahlkampf soll aus dunklen Quellen im Nahen Osten finanziert worden sein. Als Gegenleistung müsste sein Geheimdienst nun die Hintergründe des Attentats verschleiern.

Tatsächlich blieben die Ermittlungen über zehn Jahre lang erfolglos. Dann beauftragte Néstor Kirchner, der 2010 verstorbene Ehemann und Amtsvorgänger der heutigen Präsidentin, den Staatsanwalt Nisman mit dem Fall. Dieser beantragte im Oktober 2006 acht Haftbefehle gegen hohe iranische Funktionäre, sechs von ihnen wurden von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Doch der Iran denkt nicht daran, die Gesuchten auszuliefern.

Instrument der Schlapphüte?

Cristina Fernández versuchte deshalb 2013, den Fall pragmatisch aufzuklären: Sie einigte sich mit dem Iran auf eine unabhängige Wahrheitskommission, vor der die Verdächtigten im Iran aussagen sollten. Darauf stützte Nisman seine Vorwürfe: Die Präsidentin habe dem Iran Straffreiheit zugesagt, wenn sie im Gegenzug Öllieferungen bekomme, um die chronische Energiekrise Argentiniens zu lindern. Sein Beweis: Telefonate, die der argentinische Geheimdienst mitgeschnitten habe.

Nun ist das Abkommen über die Wahrheitskommission nie ratifiziert, der Fahndungsaufruf gegen die Iraner nie zurückgezogen worden. Dennoch hat Fernández Ende vergangenen Jahres die beiden Chefs des Geheimdienstes abgesetzt und ihren Meisterspion in Rente geschickt. Die Schlapphüte sind sauer. War Nisman nur ihr willfähriges Instrument? Der für den Bombenanschlag zuständige Ermittlungsrichter hatte schon länger den Eindruck, der Geheimdienst treibe den Staatsanwalt vor sich her. Mag sein, dass der Gehetzte das begriffen und sich selbst gerichtet hat. Aber wer hat ihm die Pistole dazu gereicht? Dass die Waffe neben der Leiche nicht Nisman gehörte (er besass zwei andere), ist nur die letzte Ungereimtheit in diesem mysteriösen Tod. Nur eines ist klar: Es ist kein iranischer, sondern ein rein argentinischer Fall.