Fussball und andere Randsportarten: Grosszügige Grossmäuler

Nr. 8 –

Etrit Hasler über sozial engagierte Trash-Talker

Kennen Sie Zlatan Ibrahimovic? Für FussballkennerInnen mag die Frage vermessen klingen, handelt es sich doch immerhin um den selbst erklärten besten Fussballer der Welt – mit Sicherheit jedoch um den besten Fussballer, der jemals aus Schweden kam. Und dazu wahrscheinlich um das krasseste Grossmaul, das jemals einen Fussballplatz betrat.

Seine Schmähtiraden sind legendär: ob über Gegenspieler wie Stéphane Henchoz («Ich ging nach rechts, das machte er auch. Dann ging ich wieder nach links, und er ging und kaufte sich einen Hotdog»), Mitspieler wie Lionel Messi («Schuljunge ohne eigene Meinung»), Trainer wie Pep Guardiola («ein Trainer ohne Eier») oder auch Funktionäre («Uli Hoeness würde ich nicht als Steuerberater nehmen») – Zlatan nimmt kein Blatt vor den Mund, und natürlich lieben ihn seine Fans dafür und nennen ihn den «son of god». Gerade im aalglatten Fussballsport sind Typen wie Zlatan eine absolute Ausnahmeerscheinung und ein wichtiger Kontrapunkt zu metrosexuellen Gockeln wie CR7 oder Grinseteddys wie Lionel Messi.

Vor kurzem erregte Zlatan wieder einmal Aufmerksamkeit, weil er sein Maul aufriss, allerdings nicht, um jemanden runterzuputzen. Nachdem er beim Spiel gegen Caen bereits in der zweiten Minute das 1 : 0 erzielt hatte, zog er sich das Trikot aus und präsentierte fünfzig vermeintlich tätowierte Namen, die seinen Oberkörper zierten. Wie er in einem Begleitvideo erklärte, das nach dem Spiel im Netz kursierte, handelt es sich dabei um die Namen von fünfzig hungernden Menschen: «Wo ich auch hingehe, erkennen mich die Leute, rufen meinen Namen, jubeln für mich. Aber es gibt Namen, um die sich niemand schert: diejenigen der 805 Millionen Hungernden in der heutigen Welt.» Die Aktion war Teil einer Werbekampagne für das UN-Welternährungsprogramm – eine hehre Geste Zlatans, die man ihm so kaum zugetraut hätte. Wobei irgendwie noch passend für jemanden, der als «son of god» gilt – er «gibt seinen Leib» für einen guten Zweck.

Zlatan hat so etwas wie ein Gegenstück in den USA – den Footballer Richard Sherman, Cornerback (Passblocker) bei den Seattle Seahawks. Sherman gilt ebenfalls vielen (nicht zuletzt sich selber) als der Beste seines Fachs und teilt auch gern aus. Als ihm letztes Jahr eine Fernsehjournalistin kurz nach dem Halbfinalsieg ein Mikrofon unter die Nase hielt, zog Sherman in bester Wrestlermanier über Gegenspieler her. Als er kurz darauf von einem Fernsehkommentator herausgefordert wurde, ihm aufzuzeigen, worin er denn so toll sei, dass er sich für den Besten halte, gab er ihm zur Antwort: «I’m better at life than you» – ich bin besser im Leben als du.

Sherman ist auch einer der wenigen, die den Mut haben, sich mit der allmächtigen Footballliga NFL anzulegen. Der sich über rassistische Teamnamen wie die Washington Redskins auslässt. Oder über die Verlogenheit der Liga, die von ihren Athleten erwartet, Vorzeigemenschen ohne Alkohol und Drogen zu sein, während sie vom weltgrössten Bierhersteller, Anheuser-Busch, gesponsert wird.

Ähnlich wie Zlatan wuchs auch Sherman in armen Verhältnissen auf – Zlatan in einem Balkanviertel Malmös, Sherman im L.A.-Vorort Compton. Diese Herkunft hat er nie vergessen – er betreibt eine Stiftung namens Blanket Coverage, die SchülerInnen in ärmeren Gegenden der USA mit Schulmaterial und Kleidern versorgt. Das mag nicht ganz so global sein wie Zlatans Engagement, geht aber nicht nur im sprichwörtlichen Sinn unter die Haut. Denn die Namen, die Zlatan Ibrahimovic auf seinem Oberkörper präsentierte, waren nur aufgemalt.

Das macht das Engagement nicht per se unehrlich – man darf sich aber durchaus die Frage stellen, ob Zlatan demnächst wieder zur Tagesordnung übergeht. Es wäre schade – immerhin gehört er wie Sherman zu den Trash-Talkern, die tatsächlich etwas zu sagen haben.

Etrit Hasler studiert derzeit in der Schweizer Hauptstadt des Trash-Talks die Fähigkeit, 
mit Trash-Talk Geld zu verdienen.

Unter dem Titel «Fussball und andere Randsportarten» hat die WOZ die besten Kolumnen von Etrit Hasler und Pedro Lenz 
als Buch herausgegeben. Es ist unter 
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