Zürcher Polizeikessel: War es das wert, Richard Wolff?

Nr. 9 –

Am vergangenen Samstag wurden in Zürich 800 Fussballfans fichiert. Der linke Polizeivorsteher nimmt Stellung.

Ein antisemitischer Umzug von Fans des FC Luzern Mitte Februar wird von den St. Galler Behörden als «Fasnacht» bezeichnet. Ein Derbymarsch der «Zürcher Südkurve» des FC Zürich, seit Jahren toleriert, wird am Samstag mit einem Kessel beendet, 800 Leute werden registriert.

Ein Marsch wie jener der Luzerner ist im Schweizer Fussball eine Ausnahme, auch dank der «Südkurve», die sich antirassistisch positioniert. Ihr Vergehen: Pyrotechnik. Hier hört für die Behörden die «Fasnacht» auf. Die Stadtpolizei meldete: «Schwere Ausschreitungen bei Derby». Die Fichierung wurde in einem Nebensatz erwähnt. Die Dramaturgie ging jedoch so: Zuerst der Marsch, dann der Kessel wegen Pyros. Dann versuchten einige Fans, aus dem Kessel auszubrechen, worauf es zu Ausschreitungen kam.

Sobald die Polizei angegriffen wird, muss sie handeln. Aber muss sie auch so handeln, dass sie angegriffen wird? AL-Politikerin Manuela Schiller twitterte ihrem Parteikollegen, Polizeivorsteher Richard Wolff: «Kein Pyro und keine Böller aus Prinzip. War es das / ist es das wert?»

WOZ: Richard Wolff, am Samstagabend wurden wegen Pyros 800 FCZ-Fans eingekesselt und fichiert. Was sagen Sie dazu?
Richard Wolff: Es war eine unerfreuliche Situation für alle Beteiligten. Es wäre aber falsch, den Samstag als Ausdruck einer verschärften Politik zu betrachten. Die Praxis hatte sich bewährt: Man toleriert die Märsche, solange Dritte nicht gefährdet werden. Dazu gehörte auch, dass die Polizei ein gewisses Mass an Pyros toleriert.

Der strategische Plan des Polizeidepartements für 2015 bis 2019 sieht ein strengeres Vorgehen gegen Pyros vor. War der Samstag wirklich kein Ausdruck einer härteren Gangart?
Pyros sind verboten. Und natürlich muss es deswegen das Ziel der Politik sein, Pyros einzudämmen. Wir konnten aber mit der bisherigen Praxis leben. Diese Praxis beruht aber auch darauf, dass auch die Fans eine gewisse Zurückhaltung üben. Am Samstag wurden derart viele Pyros und Böller gezündet, dass der Einsatzleiter zum Schluss kam: Das ist zu viel.

Und dafür nehmen Sie die Fichierung Hunderter Unbeteiligter in Kauf?
«Fichierung», das ist Ihre Wortwahl. Die Polizei hat am Samstag die Pyrozünder gefilmt. Dass man von allen Leuten, die man einkesselte, Fotos gemacht und die Personalien aufgenommen hat, soll helfen, die Täter zu identifizieren. Die Fotos aller Unbeteiligten werden gelöscht.

Ihre Namen werden für fünf Jahre in der Polizeidatenbank Polis gespeichert, auf die Tausende Polizisten Zugriff haben. Manuela Schiller erkämpfte 2005, dass der Zugang zu Polis in Bezug auf 224 Fans des FC Basel auf 4 Beamte des Rechtsdiensts eingeschränkt wurde. Sie waren in einer ähnlichen Situation kontrolliert worden.
Ich kenne diesen Fall nicht. Aber wenn sich die Sache so ereignet hat, wäre das prüfenswert.

Sie sagten, der Grund des Kessels seien Pyros gewesen. Andere Theorie: Der Kessel war geplant, auch um mögliche Teilnehmer der letztjährigen «Reclaim the Streets»-Demo zu identifizieren.
Als politischer Chef dieses Departements versichere ich: Der Kessel war nicht geplant und hatte mit «Reclaim the Streets» nichts zu tun.

Fans sagten mir, unter dem Alternativen Wolff habe die Repression zugenommen.
Ich wüsste nicht, aufgrund wovon.

Zum Beispiel wegen des letzten Samstags.
Am Tag selbst, an dem innert kürzester Zeit vom Einsatzleiter Entscheide gefällt werden müssen, gibt es keinen politischen Spielraum. Bei der Analyse einer Aktion wie am Samstag aber gibt es diesen Spielraum: Was ist passiert? Was könnte man besser machen? Was könnte man anders machen?

Hat diese Analyse in Bezug auf den Samstag schon stattgefunden?
Sie läuft. Es braucht viel Denkarbeit, viele Diskussionen und Gespräche. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich mich einbringe. Zu behaupten, unter mir hätte die Repression zugenommen, ist kühn. Mir liegt nichts an einer Politik der Verschärfung.