Frontex und die Schweiz: Schnüffelmaschinen für EU-Grenzen

Nr. 15 –

Die ETH Lausanne kassiert Hunderttausende Euro, um dabei zu helfen, Europas Grenzen militärisch abzuriegeln.

Fast sechzig Millionen Menschen befinden sich nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR zurzeit weltweit auf der Flucht. Alleine im ersten Halbjahr 2014 kamen 5,5 Millionen neue Flüchtlinge hinzu. Und obwohl mit 600 000 Asylgesuchen nur ein Bruchteil in Europa landet (in der Schweiz sind es 24 000), werden die europäischen Aussengrenzen immer weiter militärisch aufgerüstet. Hinter dieser politisch geförderten Aufrüstung verbirgt sich ein millionenschwerer Geldsegen für Rüstungs- und Technologiebetriebe. Aber auch Forschungsabteilungen an technischen Universitäten profitieren von den EU-Geldern und entwickeln so laufend neue Produkte.

Verantwortlich für die europäischen Aussengrenzen ist die Grenzschutzagentur Frontex. Wie Recherchen der WOZ zeigen, profitiert sie dabei von tatkräftiger Unterstützung aus der Schweiz.

Der ETH-Duftschwamm

Ein konkretes Beispiel ist das Labor für Sensoren, Antriebe und Mikrosysteme (Samlab), das zur ETH Lausanne (EPFL) gehört. Das Labor ist am sogenannten Sniffer-Projekt beteiligt, dessen erklärtes Ziel eine mit Biosensoren ausgerüstete Schnüffelmaschine ist. Sniffer soll künftig die bisher von Frontex eingesetzten Spürhunde ergänzen. Denn Spürhunde weisen eine Reihe von Nachteilen auf, wie es auf der Projektwebsite heisst: «Hunde können nur eine kleine Auswahl von bestimmten Düften erschnüffeln, sie werden rasch müde und in der Öffentlichkeit als aufdringlich wahrgenommen.» Diese Defizite soll das Sniffer-Projekt beheben, wenn es für die GrenzschützerInnen darum geht, «illegale Substanzen in Koffern und Reisegürteln oder in Schiffscontainern versteckte Menschen zu suchen».

Ein Pressesprecher der EPFL bestätigt gegenüber der WOZ die Beteiligung an Sniffer – die Projektverantwortlichen selbst waren reisebedingt nicht erreichbar. Das Samlab war gemäss EPFL für eine bestimmte Komponente zuständig, die «wie ein Schwamm funktioniert, wo ein bestimmter Duft so lange konzentriert wird, bis er klar bestimmbar ist». Für das Projekt sei ein Samlab-Forscher zu hundert Prozent angestellt, ausserdem arbeite ein Teamleiter im Teilzeitpensum mit, vor allem im organisatorischen Bereich. Das EPFL-Labor spiele in Bezug auf Sniffer aber keine zentrale Rolle, teilt der Pressesprecher mit.

Ein Blick auf die Verteilung der 3,5 Millionen Euro, die die EU im Februar 2012 für das insgesamt 5 Millionen Euro teure Projekt gesprochen hat, deutet aber darauf hin, dass die Samlab-Beteiligung gewichtiger ist, als die EPFL zugeben mag: Das Labor erhielt 361 000 Euro – die vierthöchste Summe von allen fünzehn beteiligten Firmen und Institutionen, zu denen auch Airbus Defence and Space, das französische Innenministerium sowie das israelische Ministerium für öffentliche Sicherheit gehören.

Letztes Jahr ist Sniffer an der jährlich in Warschau stattfindenden Frontex-Messe möglichen KundInnen vorgestellt worden. Im kommenden Monat wird die künstliche Schnüffelmaschine in Paris der breiten Öffentlichkeit präsentiert, nachdem im März die Sniffer-Generalprobe im Athener Flughafen stattgefunden hatte.

Auch die Zollverwaltung ist dabei

Neben Sniffer gibt es vier weitere EU-subventionierte Grenzschutzprojekte mit Schweizer Beteiligung. Das mit Abstand grösste heisst «Perseus». Für das geplante europaweite Kontrollsystem sprach die EU 2011 fast 28 Millionen Euro, wovon 430 500 Euro an die Zuger Softwarefirma DFRC AG gingen.

Für weitere drei Projekte (Cassandra, Contain und Logsec) im Bereich der Überwachung von Versorgungsketten (zum Beispiel von Schiffscontainern) erhielten das unabhängige Waadtländer Forschungsinstitut Cross-border Research Association 761 000 Euro, das Genfer Dienstleistungsunternehmen Conceptivity 499 000 Euro und die Eidgenössische Zollverwaltung 38 000 Euro.