Kommentar zur RTVG-Abstimmung: Privatisierung abgesagt

Nr. 25 –

Das schwache Bekenntnis zum öffentlichen Rundfunk ist eine starke Aufforderung zu kritischem Journalismus.

Die Szenen im Berner Kursaal, wo sich die GegnerInnen des neuen Radio- und Fernsehgesetzes RTVG am Abstimmungssonntag versammelt hatten, wirkten wie aus einem Comic über die Schweizer Konzilianz. SRF-Gegner Hans-Ulrich Bigler wurde von SRF-Angestellten höflich von SRF-Radiomikrofon zu SRF-Fernsehmikrofon gereicht und sprach hinein: «Wir waren mit einem übermächtigen Gegner konfrontiert.» Wer die primitive, millionenteure Kampagne des Gewerbeverbands bezahlt hatte, darüber schwieg Direktor Bigler. «Wir kommunizieren nichts über deren Finanzierung», meinte er.

So knapp das Resultat vom Sonntag ausfiel, so gross ist dessen Bedeutung. Seit einigen Jahren führen die Rechtskonservativen auf dem Feld der Medienpolitik einen veritablen Kulturkampf: Die Übernahmen von «Weltwoche» und «Basler Zeitung» gehören dazu, ebenso der Streit um die Ausrichtung der «Neuen Zürcher Zeitung», nun also die Attacke auf die SRG. Das strategische Ziel umriss FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, Vizepräsident der Aktion für Meinungsfreiheit, im Kursaal: «Die SRG soll nur noch jene Leistungen erbringen, die Private nicht erbringen können.» Im Klartext: Es geht um die Privatisierung des öffentlichen Rundfunks. Diese ist – dank des Widerstands der Romands und der Städte, der Linken und grosser Teile der CVP – fürs Erste abgesagt.

Ihre nächste Chance wittern die Rechtskonservativen nun in einer Diskussion um den medialen Service public. In diesem wolkigen Begriff lassen sich geschäftliche Interessen und politische Absichten bis zur Unkenntlichkeit verwischen. Wenn sich auch linke PolitikerInnen, genervt vom heimattümelnden Programm der SRF-Kanäle, in die Debatte einmischen, sollten sie unterscheiden zwischen der Frage nach der Finanzierung der Medien – und jener nach ihrem Inhalt.

Die Frage nach der Finanzierung ist genauer eine nach Finanzierungsformen. Die Digitalisierung stellt bisherige Geschäftsmodelle der Medien infrage. Die SRG hat ihr Modell erneuert, indem Gebühren künftig nicht mehr pro Empfangsgerät, sondern pro Person erhoben werden. Dass künftig jede und jeder dafür zahlen soll, lässt sich mit der demokratiepolitischen Bedeutung des öffentlichen Rundfunks rechtfertigen, wie nun auch eine knappe Mehrheit bekräftigt hat. Über die Höhe der Gebühren angesichts der steigenden Bevölkerungszahl lässt sich in Zukunft streiten. Gebührende Kostentransparenz wäre die Voraussetzung.

Ratlosigkeit dagegen herrscht bei den Verlagen: Zwar häufen Besitzerfamilien wie Coninx (Tamedia) und Ringier längst Millionengewinne aus Onlinemarktplätzen an. Doch statt ihre Medienmarken mit qualitativ hochwertigem Journalismus zu stärken, prekarisieren sie lieber die Arbeitsbedingungen in den Newsrooms. Um davon abzulenken, wird die SRG als Lieblingsfeindin gepflegt. Die zusätzlichen Millionen fürs Privatfernsehen als Folge der RTVG-Revision nehmen sie gerne.

Statt den Schalmeienklängen der Rechtskonservativen zu folgen, die den VerlegerInnen mit einer Privatisierung der SRG höhere Werbeeinnahmen versprechen, würden sie sich besser der entscheidenden Frage stellen: Wie schaffen wir es, dass uns die LeserInnen weiterhin finanzieren? Hier kommt man zum Inhalt: Vermutlich auch im 21. Jahrhundert mit unabhängigem und eigenständigem Journalismus. Dazu braucht es motivierte JournalistInnen mit anständigen Arbeitsbedingungen und grosszügige LeserInnen – eine gegenseitige Übereinkunft, dass fundierter Journalismus etwas wert ist.

Ein Aufbruch ist auch dem Schweizer Radio- und Fernsehen zu wünschen. Nach Jahren der Anbiederung bei einem rechten Publikum könnten die RedaktorInnen den Teil der Bevölkerung endlich ernst nehmen, der dem neuen Finanzierungsmodell zustimmte. Dafür müssen nicht die Städte anstelle der Berge als Kulisse dienen. Vermutlich erwarten die 50,08 Prozent – und wohl noch einige mehr – vor allem etwas: kritischen statt konzilianten Journalismus.