Glencore: Entlassen, damit sich die AktionärInnen beruhigen

Nr. 38 –

Die Rohstoffpreise fallen, die weltweite Nachfrage schwindet, und die Aktien von Glencore stürzen seit fünf Jahren ab. Ausbaden sollen das Debakel die MinenarbeiterInnen in Sambia und im Kongo.

Am 7. September hat der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore überraschend angekündigt, seine Kupferminen in Katanga (Demokratische Republik Kongo, DRK) und bei Kitwe (Sambia) für eineinhalb Jahre zu schliessen. Dies als eine der Massnahmen, um einem stark sinkenden Aktienwert entgegenzuwirken. Dieser Schritt erstaunt. Denn jahrelang hatte etwa die Erklärung von Bern (EvB) gefordert, dass die Kupferminen bei Kitwe eine Schwefelfilteranlage erhalten, um Arbeitende und AnwohnerInnen vor den lebensgefährlichen Luftbelastungen zu schützen – auch wenn dafür die Mine vorübergehend geschlossen werden müsste. Glencore nannte viele Gründe, warum eine Schliessung nicht infrage komme. «Zu teuer», war die häufigste Antwort.

Plötzlich scheint es kein Problem mehr zu sein, die Kupferminen dichtzumachen. Ausschlaggebend war der Druck der AktionärInnen. Was mit den Zehntausenden von Festangestellten und indirekt Beschäftigten geschieht, ist unklar. In einer Pressemitteilung schreibt Glencore, dass ein Grossteil der Angestellten weiterbeschäftigt werde. Aber wie, wer und zu welchen Konditionen, ist völlig unklar: Für Erklärungen war Glencore trotz mehrfacher Anfragen nicht zu erreichen. Emmanuel Umpula Nkumba, Direktor der NGO African Resources Watch (Afrewatch) in Lubumbashi (DRK), sagt gegenüber der WOZ, die MineurInnen seien sehr beunruhigt und wütend. «Die Stadt Kolwezi in der Region Katanga hat 500 000 Einwohner. Alle hängen mehr oder weniger von den Minen ab. Wenn diese schliessen, von was sollen all diese Leute leben?» Es gebe wohl nationale Arbeitsgesetze, die die ArbeiterInnen schützen sollten. Aber viel Vertrauen hat Umpula Nkumba nicht in den kongolesischen Staat.

Und dass sich die MineurInnen gegen Glencore durchsetzen können, ist auch wegen der Verstrickungen des Konzerns bis in die höchsten politischen Ämter unwahrscheinlich. ArbeiterInnen, die gewerkschaftlich ausgehandelte Löhne und Arbeitsbedingungen vor Gericht einforderten, mussten 2009 kapitulieren, obschon sie in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht in Lubumbashi recht erhalten hatten. Aber das Geld reichte nicht, um die Fortführung des Prozesses vor dem nationalen Gericht in der Hauptstadt Kinshasa zu finanzieren. 300 KlägerInnen wurden daraufhin entlassen.

Während der Schliessungszeit will der Rohstoffmulti in die Berufsausbildung investieren, Spitäler für die Angestellten unterhalten und Wasserversorgungsprojekte weiterführen. Doch auch das mag bei Afrewatch niemand so recht glauben. Zu oft seien sie schon getäuscht worden. So seien etwa über neunzig Prozent der Gelder, die der lokalen Bevölkerung hätten zugutekommen sollen, in Infrastrukturprojekte wie Strassen geflossen, von denen primär die Firma profitiere.

Einbruch der Aktienwerte

Durch den Börsengang 2011 sind die Topmanager von Glencore zu Milliardären geworden: Laut EvB lag das Vermögen der sechs Topkader damals höher als das jeweilige Bruttoinlandsprodukt der 96 ärmsten Länder der Welt. Doch die Aktien liegen derzeit nur noch bei rund 25 Prozent ihres damaligen Werts. Allein der Wert des Aktienpakets von CEO Ivan Glasenberg ist innerhalb von einem Jahr von 6 auf 2,2 Milliarden Franken geschmolzen, die Beteiligungen einiger Topmanager sind unter die Milliardengrenze gerutscht. Gründe für den Börseneinbruch gibt es mehrere. Einer davon ist der enorme Schuldenberg von 30 Milliarden US-Dollar, den das Unternehmen trotz beachtlicher Gewinne angehäuft hat. Zudem gibt es bei verschiedenen von Glencore geförderten Rohstoffen einen Nachfrageschwund beziehungsweise eine Überproduktion auf dem Weltmarkt.

Jahrelang konnte der Handel mit Rohstoffen die Ertragsschwankungen aus der Produktion auffangen. Doch dieses integrierte Geschäftsmodell, von dem die Glencore-Kader anfangs enorm profitiert haben, wurde wegen der unsicheren Marktlage immer risikoreicher. So versucht Glasenberg nun, das miserable Rating («long-time debt») nach oben zu korrigieren, indem der Konzern neben den Minenschliessungen auch Unternehmenssparten verkauft und neue Aktien herausgibt. Zudem sollen bis Mitte nächsten Jahres keine Dividenden ausbezahlt werden. Das ärgert die AktionärInnen, der CEO nimmts dagegen scheinbar gelassen, obschon er nach dem Staatsfonds von Katar (Beteiligung 9 Prozent) mit 8,4 Prozent der zweitgrösste Aktionär ist.

Gegenüber dem «Wall Street Journal» sagte Glasenberg, dass die beschlossenen Massnahmen aus seiner Sicht nicht zwingend seien. Es gehe vor allem darum, die AktionärInnen zu beruhigen. Ben Davis von der Investmentbanking-Plattform Liberum Capital nennt die Strategie des Rohstoffgiganten einen «Kampfmodus, den der Markt sicher schätzt». Tatsächlich reagierten die Börsen letzte Woche vorübergehend positiv auf die drastischen Pläne des Konzerns.

Auch die operativen Einheiten des Konzerns sollen sparen. Neben der vorübergehenden Schliessung der Kupferminen, die die weltweit geförderte Kupfermenge um 400 000 Tonnen reduzieren und so die Preise ankurbeln soll, wird das Investitionsbudget im Bergbau um bis zu eine Milliarde US-Dollar gekürzt. Gleichzeitig sollen in Katanga aber 880 Millionen US-Dollar in die Sanierung einer Mine investiert werden, um langfristig die Produktionskosten zu senken und somit auf dem Weltmarkt wieder konkurrenzfähiger zu werden, so das Communiqué. Welche Auswirkungen das auf die Arbeitsplätze hat, bleibt offen.

Ernüchterung in Afrika

Die Entscheidung, die Minen zu schliessen, kommt für die betroffenen Staaten überraschend. Sambia generiert siebzig Prozent seiner Devisen und bis zu dreissig Prozent des Staatshaushalts mit Kupfer. Die Wirtschaft in der DRK ist zwar diversifizierter, aber auch hier ist der Abbau von Rohstoffen die einzige Quelle von Devisen. Laut Afrewatch haben die Minen in Katanga und bei Kitwe 2013 Abgaben von rund 300 respektive 106 Millionen US-Dollar in die jeweiligen Staatskassen gespült. Dabei gebe sich Glencore alle Mühe, Steuerzahlungen möglichst zu drücken, sagt Emmanuel Umpula Nkumba. «Die Firma investiert immer so viel, dass der Gewinn ausgeglichen wird und somit im Land kaum Steuern auf die Profite bezahlt werden müssen.»

Diverse Organisationen haben Glencore ermahnt, besagte Gewinnsteuern zu zahlen. Weil der Konzern das aber laut Afrewatch seit neun Jahren nicht tut, müssen die Staaten auf beträchtliche Einnahmen verzichten: 2011 entging der DRK mit rund 150 Millionen Franken etwa das Dreifache dessen, was die Schweiz an Entwicklungsgeldern in den Kongo leitet.

Und was tut die Schweiz? In einem im März 2013 veröffentlichten Bericht anerkennt der Bundesrat zwar die Risiken des Rohstoffplatzes Schweiz. Griffige Vorschläge für gesetzliche Leitplanken sucht man darin allerdings vergebens. Die Verantwortung für die Folgen des Rohstoffabbaus schiebt die Landesregierung ab und hofft stattdessen auf die Eigenverantwortung der Unternehmen. Glencore ist denn auch stolz darauf, freiwillig die «Grundsätze für Sicherheit und Menschenrechte» des Internationalen Rates für Minen und Metall (ICMM) einzuhalten. Derweil erklärte Bundesrat Johann Schneider-Ammann, dass die regulatorische Zurückhaltung eben eines der Rezepte für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz sei.