USA: «Macht euch nichts vor, Folter funktioniert»

Nr. 4 –

Manche US-Präsidentschaftskandidaten umwerben ihr Wahlvolk mit Rachefantasien gegen den IS und propagieren dabei auch Kriegsverbrechen.

Anfang Dezember veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) einen detaillierten Bericht über die Kriegsverbrechen, die der US-Geheimdienst CIA seit den Anschlägen vom 11. September 2001 begangen hat. Im «Kampf gegen den Terrorismus» verstiess die damalige US-Regierung bekanntlich gegen nationales und internationales Recht. Nur einen Tag nach Erscheinen dieses HRW-Berichts mit dem Titel «No More Excuses» (Schluss mit den Ausreden) erschoss ein mit dem IS sympathisierendes Ehepaar im kalifornischen San Bernardino vierzehn Menschen. Diese Tat lieferte die optimale Ausrede, um auch die neuen Untersuchungen und Empfehlungen der Menschenrechtsorganisation tief in der Versenkung verschwinden zu lassen.

Krude Antiterrorszenarien

Bis heute ist in den USA niemand für das von Präsident George W. Bush genehmigte CIA-Programm zur Verantwortung gezogen worden, obwohl es Entführungen, Geheimgefängnisse, widerrechtliche Befragungsmethoden und die Auslieferung von Gefangenen an Folterregierungen umfasste. Präsident Barack Obama verbot zwar gleich bei seinem Amtsantritt 2009 jegliche Anwendung von Folter, schreckte aber vor einer Strafverfolgung von «hart arbeitenden» CIA-Angestellten oder ehemaligen RegierungsvertreterInnen zurück. HRW fordert nun, dass die Ermittlungen in dieser Sache wieder aufgenommen werden. Ihre Recherchen der letzten 25 Jahre in Dutzenden von Ländern belegen, dass Kriegsverbrechen nur durch strafrechtliche Sanktionen eingedämmt werden können. Der Bericht stellt fest: «Abgesehen von der Verletzung internationalen Rechts entsteht durch die Untätigkeit der US-Regierung angesichts eindeutiger Nachweise von Folter bei den zukünftigen politischen EntscheidungsträgerInnen und Staatsangestellten der USA der Eindruck, dass auch sie Folter und andere Misshandlungen ohne Angst vor Strafe begehen können.»

Und prompt überbieten sich die republikanischen Präsidentschaftskandidaten im aktuellen Wahlkampf mit kruden Antiterrorszenarien, die sich einen Teufel um nationales und internationales Recht oder Kollateralschäden scheren. Jeb Bush, Ted Cruz, Donald Trump und Co. versprechen den verängstigten WählerInnen: Als oberste Kriegsherren würden sie Bombenteppiche legen und durch (atomare) Erstschläge herausfinden wollen, ob der Wüstensand im Dunkeln glüht. Und natürlich würden sie auch ohne Wimpernzucken die alten Foltermethoden zurückbringen und verschärfen. An einer Wahlveranstaltung im November in Ohio brachte Grossmaul Trump die Arroganz der Macht auf den Punkt: «Macht euch nichts vor, Folter funktioniert. Und wenn sie nicht funktioniert, haben sie [die Feinde] sie trotzdem verdient.» Sind sich die Möchtegernpotentaten eigentlich bewusst, welch enormen aussenpolitischen Schaden sie allein schon mit ihrer kriegerischen, ja kriegsverbrecherischen Propaganda – vorab in der islamischen Welt – anrichten?

Schwammige DemokratInnen

Und die demokratischen PräsidentschaftsanwärterInnen, was sagen die zum Thema (Anti-)Terrorismus? Bis vor kurzem so wenig wie möglich. Sowohl Hillary Clinton als auch Bernie Sanders sprachen viel lieber über die innenpolitischen Erfolge der amtierenden demokratischen Regierung als über Präsident Obamas Nahostpolitik und seine wenig wirksame Antiterrorstrategie. Doch das Thema lässt sich nicht länger verdrängen.

Falls sie gewählt werde, sagt Clinton, wolle sie die militärischen Angriffe auf den IS intensivieren. Noch im letzten Herbst pries sie den Sturz von Libyens Präsident Muammar al-Gaddafi, den sie als damalige US-Aussenministerin im Herbst 2011 orchestriert hatte, als «smart power at its best», als Musterbeispiel intelligenter Machtpolitik. Und das, obwohl mittlerweile kaum mehr bestritten werden kann, dass genau solche US-Interventionen wie im Irak und in Libyen ein Machtvakuum in der Region schufen, Waffen in die Hände von Terroristen brachten und die Flüchtlingskrise mitverursachten. Nichtsdestotrotz will Hillary Clinton weitermachen wie die letzten fünfzehn Jahre, bloss entschlossener, härter.

Auch Bernie Sanders ist kein konsequenter Pazifist. Er stimmte zwar 2002 gegen den Krieg im Irak, doch 1999 für den Militäreinsatz im Kosovo und 2001 für den Einmarsch in Afghanistan. Er befürwortet Militäreinsätze «als letztes Mittel». Doch nach fünfzehn Jahren «ewigem Krieg für den ewigen Frieden» möchte er die militärische Präsenz der USA im Nahen Osten zurückfahren. Nach den Pariser Attentaten Mitte November sagte er vor den Medien, der Kampf gegen den gewaltsamen Extremismus des IS sei ein Kampf um die Seele des Islam, und der müsse vorab von muslimischen Ländern ausgetragen werden. Das wird ihm von rechts bis in die eigenen Reihen hinein als Schwäche angerechnet.

Seit neustem betreibt neben den rechtspopulistischen Republikanern auch die Demokratin Clinton offensiv Wahlkampf mit dem Thema Terrorismus. In einem von ehemaligen hohen Regierungsbeamten unterzeichneten Brief fragte das Clinton-Lager süffisant: «Glauben Sie, Bernie Sanders könnte den IS besiegen?» Nein, das schaffe «unser Bernie» ebenso wenig wie Präsident Obama und die übrigen PräsidentschaftskandidatInnen. Doch im Gegensatz zu ihnen gesteht dieser öffentlich ein: «Der Kampf gegen den IS kann und wird nicht durch die USA allein gewonnen werden.»