Taxifahrerinnen gegen Uber: «Muss ich aufs Sozialamt, verlängere ich den Hungerstreik»

Nr. 11 –

Sie haben die Nase voll: TaxifahrerInnen in der Schweiz organisieren sich, um gegen den Fahrdienstvermittler Uber zu protestieren. Die Politik lässt sie weitgehend im Stich.

Mehmet Serif Kaya weiss nicht, ob er nächsten Monat seine Rechnungen bezahlen kann. «Ich habe drei Kinder, die ich ernähren muss. Dafür reichen die 4000 Franken Umsatz nicht, die ich im Moment pro Monat mache.»

Sonntag, 13. März. Kaya sitzt in seinem Taxi neben dem Zürcher Rathaus. Für zwei Tage ist er in den Hungerstreik getreten, um gegen den Fahrdienstvermittler Uber zu protestieren. Er würde länger streiken – doch mehr als einen Arbeitstag kann er nicht ausfallen lassen. «Wenn ich irgendwann tatsächlich aufs Sozialamt muss, werde ich dreissig Tage oder länger in den Hungerstreik treten. Ich gebe nicht auf, bevor ich diese Schlacht nicht gewonnen habe.»

Der Kampf gleicht jenem von David gegen Goliath: David, das sind die TaxifahrerInnen, die um ihre Existenz kämpfen, Goliath, das ist Uber. Der US-amerikanische Fahrdienstvermittler bietet seine Dienste in Genf, Lausanne, Zürich und Basel an, seit 2014 auch den Service Uberpop, bei dem Private auch ohne Lizenz Personen chauffieren dürfen, sofern sie das nicht mehr als zweimal pro Woche tun.

«Seit etwa einem halben Jahr ist unsere Situation richtig prekär geworden. Uber ist wie ein Virus», sagt Roland Höhn, Pressesprecher bei der Taxisektion Zürich. «Fragen Sie irgendeinen der 1600 Taxifahrer in der Stadt Zürich – sie werden Ihnen alle dasselbe sagen. Wenn sie nicht schon vom Sozialamt unterstützt werden, reicht ihnen ihr Lohn nicht mehr zum Leben.»

In Zürich war die Situation für die TaxifahrerInnen schon schwierig, bevor Uber aufgetaucht ist: Seit ungefähr vier Jahren, als das Bundesgericht entschied, dass auswärtige Taxis Fahrgäste in die Stadt fahren dürfen, kamen immer mehr «Landtaxis» nach Zürich, um permanent hier zu arbeiten – ohne Betriebsbewilligung der Stadt Zürich. «Dieses Problem wird durch Uber nur noch verstärkt», sagt Höhn. «Viele Landtaxis fahren heute vor allem für Uber. Sie warten speziell in Gebieten von gut besuchten Discos auf Aufträge, die sie durch die Uber-App erhalten.»

Falsche Versprechungen

Einer, der bereits für Uber fährt, ist Georges Schrepfer. Seit 2009 ist er selbstständiger Taxifahrer im Kanton Zürich. Vor einem Jahr kündigte er seinen Vertrag mit der Taxizentrale und begann, für Uber zu fahren. «Mein Umsatz war im Keller, ich musste irgendetwas machen», sagt er.

Uber, dachte er am Anfang, sei doch eine gute Idee. Auf effiziente Weise KundInnen und FahrerInnen zusammenbringen – was soll daran auszusetzen sein? In den ersten Monaten stieg sein Umsatz tatsächlich wieder an, auf über 6000 Franken. «Doch dann hat der Chef den Anteil, den seine Firma an unserem Umsatz einsteckt, von 20 auf 25 Prozent erhöht», sagt Schrepfer. Auch den Tarif pro Kilometer habe Uber gesenkt. «Dabei hatte der Chef von Uber sogar die Frechheit zu behaupten, dass das gut für die Fahrer sei, weil sie dadurch mehr Kunden gewinnen würden!» Das Gegenteil sei der Fall. Sinkt der Preis pro Kilometer, muss Schrepfer mehr Fahrten machen, um auf denselben Umsatz zu kommen. «Mehr Fahrten bedeuten mehr Kilometer, ergo mehr Fixkosten.»

Mittlerweile hat sich Schrepfer dem Kampf gegen Uber verschrieben. Eine Klage wegen Betrug, da Uber jeweils den Rappenbetrag beim Fahrpreis abgerundet und so dem Kunden geschenkt hatte, hat er bereits geschrieben – er will sie nur noch durch einen Juristen prüfen lassen. Vor zwei Wochen reichte er zudem einen Vorstoss im Kantonsrat ein, in dem er ein Verbot von Uber fordert.

Dass der Regierungsrat auf das Anliegen eintritt, scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Am 23. Februar erst hat er dem Parlament auf eine Motion hin ein neues kantonales Taxigesetz vorgelegt. Das Gesetz hält gewisse Minimalstandards fest, wie etwa, dass TaxifahrerInnen mindestens auf B2-Niveau deutsch sprechen müssten. Uber allerdings wird davon nicht erfasst – mit der Begründung, der Dienstleister falle unter das nationale Limousinengesetz.

«Das ist ein Witz», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, die mit ihrer Motion dem Regierungsrat den Auftrag für ein kantonales Taxigesetz gegeben hatte. «Uber ist eine Konkurrenz zum Taxigeschäft, indem es dieselbe Dienstleistung anbietet. Der Regierungsrat wollte ohnehin kein Taxigesetz und hat versucht, es so schlank wie möglich zu halten.»

Interkantonale Taxiunion

Auch in anderen Städten protestieren die TaxifahrerInnen gegen Uber. So hat Genf zum Beispiel dem Unternehmen verboten, seinen Service Uberpop anzubieten, da dieser gegen das kantonale Gesetz verstösst, wonach ChauffeurInnen von Personen eine Lizenz brauchen. Nachdem das Bundesgericht das Verbot gutgeheissen hat und nicht auf die Klage von Uber einging, versucht nun FDP-Wirtschaftsdirektor Pierre Maudet, das Gesetz so anzupassen, dass Uber trotzdem erlaubt sein würde.

Doch mittlerweile vernetzen sich die TaxifahrerInnen über die Kantone hinweg. Im Oktober gründeten sie die Schweizer Taxiunion, um den Widerstand gegen die illegalen Praktiken von Uber zu organisieren. Vor drei Wochen demonstrierten zwischen 500 und 800 TaxifahrerInnen gemeinsam in Bern. Roland Höhn: «Wenn wir nicht bald ein Signal aus der Politik erhalten, werden einige der Taxifahrer zu radikaleren Mitteln greifen.»