Der gescheiterte Drogenkrieg: Entmoralisieren, legalisieren!

Nr. 15 –

Tagt nächste Woche in New York wieder einmal die Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Thema Drogen, dann ist kaum damit zu rechnen, dass die Staaten einstimmig auf ein Ende des «War on Drugs» hinwirken. Aber die Reihen der Drogenfeinde stehen nicht mehr geschlossen. Besonders die Staaten Mittelamerikas, die unter der Last dieses Kriegs beinahe zusammenbrechen, wollen sich einen solchen Kreuzzug nicht mehr länger aufzwingen lassen. Und die Weltkommission für Drogenpolitik (Global Commission on Drugs) fordert eine staatliche Drogenregulierung, also das Ende des bizarren Kriegs. Es ist eine illuster besetzte Kommission, darunter der ehemalige US-Aussenminister George Shultz, der britische Milliardär Richard Branson, der ehemalige Uno-Generalsekretär Kofi Annan und Altbundesrätin Ruth Dreifuss.

Der im letzten Jahrhundert angezettelte, längst global geführte Krieg gegen die Drogen ist ein irrer Krieg. Wenn er denn je in der Absicht geführt wurde, Menschen vor sich selbst zu schützen, ist er kläglich gescheitert – politisch, strafrechtlich, ökonomisch, medizinisch und moralisch. Mittlerweile ist auch vielen aus dem Establishment klar, dass er die Süchtigen nicht schützt, sondern sie grausam beschädigt.

Die Zahl der Menschen, die illegale Drogen konsumieren, steigt ständig. 1999 schätzte die Uno sie auf 141 Millionen. Heute sind es etwa 250 Millionen KonsumentInnen. Der «War on Drugs» destabilisiert Staaten, belastet die Staatshaushalte, richtet soziale und gesundheitliche Verheerungen an – und stigmatisiert ganze Bevölkerungsgruppen. Wie in jedem Krieg gibt es Gewinner: Geheimdienste, die mit Drogengeldern schmutzige Kriege finanzieren; die wachsende organisierte Kriminalität; die florierende Sicherheits- und Gefängnisindustrie – und schliesslich die mentalen GewinnerInnen, die Moralapostel.

Alle Fakten sprechen gegen den «War on Drugs». Als die USA Anfang des letzten Jahrhunderts den Verkauf von mit Kokain oder Heroin versetzten Husten-, Kopfweh- und anderen Mitteln verboten und schliesslich einen gnadenlosen Krieg anzettelten, verwandelten sich bis dahin gut integrierte und arbeitende Süchtige in Kleinkriminelle. Von der Prohibition profitierten die kräftig wachsende Antidrogenbehörde, die diesen Krieg führte, und die organisierte Kriminalität. Dieses Muster gilt bis heute in weiten Teilen der Welt. Die Schweiz hat es Anfang der neunziger Jahre unter dem Druck der offenen Drogenszenen der Realität angepasst, wenn auch nicht aufgebrochen: An schwer Süchtige geben staatliche Stellen Stoff ab, bieten medizinische Versorgung und leisten Sozialhilfe. Repressiv bleibt auch das Schweizer System. Doch das offene Elend ist verschwunden.

Es war ein Schritt in die richtige Richtung, aber dieser Weg muss zu Ende gegangen werden: Entmoralisierung, Entkriminalisierung und Legalisierung von Produktion, Vertrieb und Konsum. Dieser Weg ist politisch, sozial und ökonomisch notwendig – nur er entlastet Staatshaushalte, Gerichte, Polizei und Gefängnisse und zerstört einen illegalen Milliardenmarkt. Zunächst aber sollte das Bewusstsein von den moralisierenden Kampagnen der letzten Jahrzehnte für eine drogenfreie Welt befreit werden. Diese Vorstellung ist ein totalitärer Anspruch. Die Welt war nie drogenfrei, und sie wird es auch nie sein. Die grosse Mehrheit derer, die Drogen konsumieren, landet nicht in der Hölle, sondern für kurze Zeit im Himmel. Sie können damit gut umgehen.

Am Beispiel einer der gefährlichsten, aber legalen Drogen lässt sich das nachvollziehen: Alkohol. Von denen, die regelmässig Alkohol konsumieren, wird bloss ein geringer Teil süchtig. Alle anderen kommen damit einigermassen klar. Der Krieg gegen Drogen ist irrational. Wer ihn propagiert, geht vom unmündigen Menschen aus, der nicht weiss, was ihm guttut. Der Krieg gegen die Drogen ist schwarze Sonderpädagogik. Im besten Fall. Wie auch immer: Krieg beenden – und den Frieden ausrufen.

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