Kommentar zu Sponsoringverträgen an Schweizer Hochschulen: Forschen für das Geld

Nr. 17 –

Sponsoringverträge zwischen Firmen und Schweizer Unis zeigen: Die Forschungsfreiheit verkommt zur Worthülse.

Schweizer Hochschulen brüsten sich gern damit, wie erfolgreich sie für Forschung und Lehre Drittmittel einwerben. Und blenden tunlichst aus, dass sie so zunehmend von privaten GeldgeberInnen abhängig werden. Die WOZ hat immer wieder mit eigenen Recherchen darauf hingewiesen und, basierend auf dem Öffentlichkeitsgesetz, Einsicht in Sponsoringverträge gefordert. Vergangene Woche hat das SRF-Data-Team nach fast einjähriger Arbeit die Verbindungen zwischen Universitäten und Privatwirtschaft systematisch publik gemacht. Die WOZ hat nun ebenfalls verschiedene Sponsoringverträge eingesehen. Ihr Inhalt macht deutlich, wie schlecht es um die Forschungsfreiheit bestellt ist.

Problem Nummer eins: Mit dem Sponsoring von Lehrstühlen bestimmt die Privatwirtschaft weitgehend, worüber überhaupt geforscht wird. Denn oft ist der Forschungsbereich des Lehrstuhls extrem eng definiert – und deckt sich mit den ureigenen Interessen des Geldgebers. Der Pharmaverband Interpharma sponsert an der Uni Basel eine Professur für Gesundheitsökonomie, die inhaltlich darauf ausgerichtet ist, die Regulierung der Gesundheits- und Medikamentenmärkte zu untersuchen. Der Toxikologielehrstuhl an derselben Uni, finanziert vom Pharmamulti Novartis, soll unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln identifizieren. Die Mobiliar-Versicherung sponsert in Bern einen Lehrstuhl für Klimaforschung; im Fokus stehen extreme Wetterereignisse, aus deren Erforschung sich die Geldgeberin Erkenntnisse «zur Versicherbarkeit von Elementarschadenrisiken» wünscht.

Sponsoringangebote würden nur akzeptiert, wenn sie in die strategische Ausrichtung der Hochschule passten, rechtfertigen sich die Uni-Leitungen oft. Der jüngst geschaffene Lehrstuhl für Muttermilchforschung dürfte die Uni Zürich hier in ziemlichen Argumentationsnotstand bringen.

Problem Nummer zwei: Wer auf einen gesponserten Lehrstuhl berufen wird, braucht dazu oft das Plazet des Sponsors – und bleibt mitunter von diesem abhängig. An vielen Hochschulen sitzen die GeldgeberInnen in der Berufungskommission – teilweise sogar mit Vetorecht, wie im Fall von Nestlé und dem Pharmakonzern Merck Serono an der ETH Lausanne. Oft richten die GeldgeberInnen einen Lehrstuhl so ein, dass sich der Professor nach zwei bis drei Jahren einer Evaluation stellen muss, bevor er definitiv angestellt wird. Mit im Evaluationskomitee: die Geldgeberin – Merck Serono in Lausanne oder Interpharma in Basel, die dem Professor sogar 300 000 Franken in seine Pensionskasse einzahlte.

Problem Nummer drei: Die SponsorInnen versuchen, sich über Verträge kontinuierlichen Einfluss auf die laufende Forschung und ihre Resultate zu sichern. Sie verlangen wissenschaftliche Begleitkomitees, in denen die Forschungsagenda diskutiert, über Projektanträge entschieden und der Fortschritt der Projekte mehrmals pro Jahr überprüft wird. Und diesmal sitzen sie paritätisch mit Uni-VertreterInnen im Komitee. Dahin gehend lautet der Vertrag von Merck Serono mit der ETH Lausanne, ähnlich auch jener von Novartis mit der Uni Basel. Prominentestes Beispiel ist die Adolphe-Merkle-Stiftung, die am gleichnamigen Institut der Uni Fribourg über ihre VertreterInnen im Institutsrat die Forschungsagenda so weit mitbestimmt, dass sogar das Universitätsgesetz abgeändert werden musste.

Forschungsfreiheit sieht jedoch anders aus. Zu lange haben die Hochschulen ihre Autonomie schöngeredet. Noch 2013 hat die Rektorenkonferenz der Schweizer Hochschulen Richtlinien für Lehrstuhlsponsoring, wie sie die Akademien der Wissenschaften formuliert hatten, abgelehnt. Doch die Forderung nach solchen Richtlinien wie auch nach einer unabhängigen Aufsichtsinstanz wird lauter, nicht zuletzt von politischer Seite. Das ist gut so, denn wenn sich der Staat weiter aus der Forschungsfinanzierung zurückzieht, drohen die Hochschulen noch stärker in die Abhängigkeit von Privaten zu geraten. Als Erstes müssen aber die Universitäten selber merken, dass es nicht reicht, sich auf die gesetzliche Grundlage der Forschungsfreiheit zu berufen und sie als Worthülse in Verträge zu schreiben. Freiheit muss immer wieder neu erkämpft werden.