Standpunkt zur Drogenpolitik: Der hartnäckige Glaube an Verbote

Nr. 17 –

Die Uno-Sonderkonferenz zum Thema Drogenpolitik ist ohne nennenswerte Erfolge zu Ende gegangen. Doch wie wäre ein grundsätzlicher Politikwechsel überhaupt zu erreichen?

Am 21. April endete in New York die drogenpolitische Sondersitzung der Uno-Vollversammlung. Wenn man tags darauf in Onlinemedien nach dem Stichwort «Drogen» suchte, poppten weder Analysen noch Kommentare auf, sondern Mutmassungen über die Todesursache von Prince. Ein herbeigeredeter Drogentoter ist immer noch spannender als eine zerredete Drogenkonferenz, deren Dramaturgie nicht annähernd an einen Song des verstorbenen Popstars herankam.

Plangemäss hätten die 193 Nationen der Uno 2019 einen Plan verabschieden sollen, um das weltweite Angebot an psychoaktiven Substanzen zum Verschwinden zu bringen – und mit den verbotenen Stoffen auch gleich die Nachfrage nach ihnen. Doch die Staatspräsidenten von Kolumbien, Guatemala und Mexiko forderten eine Denkpause, um den Krieg gegen Drogen zu hinterfragen. In ihren Ländern ist die Vision einer drogenfreien Gesellschaft zu einem blutigen Zerrbild verkommen: Der Drogenhandel durchdringt die gesamte Wirtschaft, der Rüstungswettlauf zwischen Sicherheitskräften und Drogenkartellen militarisiert die Gesellschaft, Korruption und Gewalt zernagen die Institutionen.

Der Zwischenhalt in New York sollte die Uno von dem 1998 eingeschlagenen Weg abbringen. Damals verabschiedeten die Mitgliedstaaten vollmundig den Slogan «eine drogenfreie Welt – wir können es schaffen». Achtzehn Jahre später stellt sich die Frage, ob die Staatengemeinschaft es fertigbringt, Doppelmoral, Bigotterie und machtpolitischen Zynismus zu überwinden.

«Veraltete Strategien»

Einer, der weiss, wie das geht, ist der ehemalige Uno-Generalsekretär Kofi Annan. «Die Zeit ist reif, dass sich alle Nationen dem Ziel einer drogenfreien Welt verschreiben», rief er 1998 der Weltgemeinschaft zu, als diese beschloss, bis 2008 Hanf, Coca und Schlafmohn auszurotten. Im Vorfeld des New Yorker Gipfels forderte Annan nun, dass wir «bessere, humanere Wege finden müssen, um mit Drogenabhängigkeit umzugehen». Er kämpft gemeinsam mit der unermüdlichen Altbundesrätin Ruth Dreifuss. Mit ihrer Global Commission on Drug Policy fordern sie eine staatliche Drogenregulierung und ein Ende des Kriegs gegen die Drogen.

Ruth Dreifuss und ihre MitstreiterInnen sind alles andere als zufrieden mit dem Ausgang der Uno-Sondersitzung, zeigten sich sogar «zutiefst enttäuscht». Das Schlussdokument der Konferenz anerkenne weder die Tatsache, dass die weltweiten Anstrengungen, Nachfrage und Angebot zu reduzieren, gescheitert seien, noch gehe es auf das Leid und die Menschenrechtsverletzungen ein, die «veraltete drogenpolitische Strategien» verursachten. Mit anderen Worten: Die Hardliner und Ideologinnen, allen voran Russland, China, Singapur und die arabischen Staaten, haben sich nicht bewegt, die anderen haben den Kopf im Sand stecken lassen.

Der Erfolg der Konferenz liegt kaum im produzierten Papier, sondern darin, dass sie stattgefunden hat. Das bescherte den reformfreudigen Kräften Zeitungsspalten und Sendeminuten. Sogar Bundesrat Alain Berset brach sein langes Schweigen zu den von den Städten geforderten Cannabisversuchen – bloss ein kleiner Schritt auch dies, doch anderes ist man sich in der angeblich so liberalen Schweiz nicht mehr gewohnt.

Initiativen machen Hoffnung

Bleibt die Frage, wie ein Paradigmenwechsel zu erreichen wäre. Welche Obszönitäten der Krieg gegen Drogen anrichtet, ist gut belegt (siehe WOZ Nr. 15/2016 ). Doch die Wirkung von Argumenten ist beschränkt. Vielleicht ist es gar nicht möglich, eine Einigung zwischen Staaten zu finden, die Drogenkonsumierende hinrichten, und solchen, die Drogen kontrolliert zur Verfügung stellen. Möglicherweise ist es sogar einfacher, nationale Fakten zu schaffen, als internationale Normen zu ändern. Initiativen zur Strafbefreiung von Drogen in Staaten wie Uruguay, Portugal, einigen US-Bundesstaaten und neuerdings auch in Kanada und Mexiko machen Hoffnung. In Portugal beispielsweise werden Heroin, Kokain und Haschisch seit fünfzehn Jahren straffrei konsumiert. Insgesamt ist der Konsum in dieser Zeit zurückgegangen, ebenso gesunken sind die HIV-Infektionsraten und die Zahl der Drogentoten, Beschaffungskriminalität gibt es kaum noch.

Doch warum hält sich der Glaube an den Segen der Prohibition so hartnäckig? Das hat wohl weniger mit Drogen an sich zu tun als damit, wofür sie stehen. Wer ein autoritäres Menschenbild vertritt, unterdrückt alles, was die eigene Autorität untergraben könnte. Und wer Drogenkonsum als Entgrenzung oder Verweigerung deutet, braucht die harte Hand gegen den schwachen Geist, um die eigene Position zu halten. Darum werden die Herr-im-Haus-PolitikerInnen und die Herr-im-Haus-Parteien einen liberalen Umgang mit Drogen immer als Schwäche verstehen und bekämpfen. Auch in der Schweiz.

«Niemand kannte die Welt der Süchtigen besser» («Tages-Anzeiger»): Michael Herzig (50) ist Drogenexperte und Dozent für Sozialmanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Von 1998 bis 2014 war er Drogenbeauftragter der Stadt Zürich und schlug unter anderem vor, Kokain an Süchtige abzugeben. Der studierte Historiker schrieb mehrere Kriminalromane.