Präimplantationsdiagnostik: Es gibt so viele Kinder da draussen

Nr. 19 –

Ist es ein Fortschritt, wenn man behinderte Embryonen schon im Reagenzglas aussortieren kann? Diese Frage steht im Zentrum der Abstimmung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) vom 5. Juni. Und sie steht – wie viele Fragen, die Technik betreffen – quer zum üblichen Links-rechts-Schema. Die SP ist gespalten und hat Stimmfreigabe beschlossen. Seit Atombombe, AKW und Gentechnik haben viele der einst technikverliebten Linken verstanden, dass Erfindungen, die das Leben besser und einfacher machen sollten, ins Totalitäre umschlagen können.

Auch die PID führt zu einem fast unlösbaren Zwiespalt. In seinem ersten Vorschlag wollte sie der Bundesrat nur Paaren mit schweren Erbkrankheiten zugänglich machen, doch die jetzige Vorlage erlaubt die PID allen Paaren, «die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können» (Abstimmungsbüchlein). Das fördert die gefährliche Illusion, alles sei planbar, und es gebe eine Garantie für ein gesundes Kind – dabei entsteht die Mehrheit der Behinderungen durch Krankheiten und Unfälle. Die PID, so breit angewendet, wird die Gesellschaft sicher nicht behindertenfreundlicher machen.

Auf der anderen Seite ist die Pränataldiagnostik – also während der Schwangerschaft – heute schon erlaubt. Bleibt die PID verboten, werden viele Frauen einfach abtreiben. Eine solche Schwangerschaft auf Probe ist eine Zumutung für die Frauen, da haben die PID-BefürworterInnen recht. Allerdings ist vieles auf dem Weg zur PID eine Zumutung: die körperlich riskanten und psychisch belastenden Hormonbehandlungen, die Eientnahme (eine Operation unter Narkose), die Abhängigkeit von ExpertInnen.

Die Frage dahinter, die kaum jemand stellt: Warum leibliche Kinder um jeden Preis? Es gibt so viele Kinder da draussen, für die Erwachsene zu wenig Zeit haben und die dringend Tanten und Göttis bräuchten. Klar hat der Kinderwunsch eine biologische Komponente, aber die Gesellschaft spielt darin auch eine gewichtige Rolle. Und was, wenn sich das jahrelang geplante In-vitro-Kind, für das man so viel Geld und Arztbesuche bezahlt hat, dann nicht so verhält wie geplant?