Asylpolitik: Mehr Schlendrian, bitte!

Nr. 40 –

Über 3000 Leute aus der ganzen Schweiz waren am vergangenen Samstag nach Lausanne gekommen, um für das Recht auf Asyl zu demonstrieren. Gefordert wurden sichere Fluchtwege in die Schweiz, ein einfacherer Zugang zu Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen sowie ein Aussetzen der Verhandlungen für ein Rückübernahmeabkommen mit der Türkei. Die lauteste Forderung war aber jene nach einem Stopp der Dublin-Rückschaffungen.

Es war kein Zufall, dass die Demo in Lausanne stattfand. Der Kanton Waadt war in diesem Sommer medial abgestraft worden: Er sei zu lasch bei der Umsetzung von Dublin-Ausschaffungen, er trödle und sei im kantonalen Vergleich «Klassenletzter», hiess es. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik hat es der Kanton Waadt allein zwischen Mai 2015 und April 2016 in 140 Fällen versäumt, Flüchtlinge gemäss Dublin-Verordnung fristgemäss auszuschaffen. Denn wenn sechs Monate verstreichen, ohne dass die Flüchtlinge an das Erstankunftsland überstellt werden können, ist automatisch die Schweiz für das Asylverfahren zuständig.

Der «Schlendrian» des Kantons Waadt ist in erster Linie dem zivilen Ungehorsam zahlreicher Menschen zu verdanken, die unter anderem im Collectif R organisiert sind. Seit eineinhalb Jahren gibt es ein Refugium in der Kirche Saint-Laurent, das Asylsuchenden, die von einer Dublin-Rückschaffung bedroht sind, Unterschlupf gewährt. Das Collectif R hat zudem eine Art Götti-System aufgebaut, in dessen Rahmen Einzelpersonen Asylsuchende bei sich zu Hause anmelden, damit diese nicht als untergetaucht gelten. Dank dieses Engagements ist es mehreren Dutzend Flüchtlingen gelungen, eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz zu erhalten. Doch immer wieder schikaniert die Polizei AktivistInnen und (vermeintliche) FlüchtlingshelferInnen mit Hausdurchsuchungen.

Die Demo in Lausanne war ein Zeichen der Solidarität, nicht nur mit Geflüchteten, sondern auch mit jenen, die zivilen Ungehorsam leisten. Und sie ist insbesondere als Aufruf zu verstehen: für mehr waadtländischen Schlendrian in der ganzen Schweiz!