Freihandel: Konkurrenzlos billig

Nr. 43 –

Dass in Malaysia Korruption herrscht, weiss man sogar in Hollywood. Aber der Bundesrat will weiterhin ein Freihandelsabkommen.

Leonardo DiCaprio bereut. Der Hollywoodstar, der gerade seinen neuen Weltrettungsfilm «Before the Flood» vorgestellt hat, ist über einen seiner grössten Erfolge gestolpert: «The Wolf of Wall Street». Genauer gesagt über die Männer, die den Film finanziert haben: Jho Low und Riza Aziz, zwei glamouröse Vertraute des malaysischen Premiers Najib Razak. Das Geld, das DiCaprio nun zurückzahlen will, haben die beiden der malaysischen Bevölkerung gestohlen: aus dem Staatsfonds 1MDB, der für Entwicklungsprojekte im Land bestimmt war. Insgesamt, so schätzt das US-Justizdepartement, verschwanden mindestens dreieinhalb Milliarden US-Dollar. Sie landeten unter anderem bei einem saudischen Ölunternehmen und bei verschiedenen Briefkastenfirmen, zum Teil auf Schweizer Bankkonten.

Als der 1MDB-Skandal aufflog, wurde Premier Razak noch autoritärer, als er ohnehin schon war, schränkte die Redefreiheit ein und schasste den malaysischen Bundesanwalt. Kein Wunder: Auch Razak hat sich am Fonds bereichert. In diversen Ländern laufen Ermittlungen. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat Malaysia mehrmals um Rechtshilfe gebeten – vergebens. Dabei wollte man doch Handelspartner sein: Seit vier Jahren verhandelt die Schweiz im Rahmen der Efta, zusammen mit Norwegen, Island und Liechtenstein, mit Malaysia über ein Freihandelsabkommen. Doch ob das Abkommen je zustande kommt, weiss niemand.

Wunderbaum als Albtraum

Das liegt nicht am korrupten malaysischen Staat, sondern an einem Baum: der Ölpalme. Mit keiner anderen Pflanze lässt sich pro Hektare so viel Öl produzieren, kein anderes Öl wird global in solchen Mengen konsumiert. Aus Palmöl lassen sich Nutella oder Handcreme, Blätterteig oder Treibstoff herstellen. Die Lebensmittelindustrie liebt den vielseitigen Rohstoff, doch seine Produktion ist eine Katastrophe. Der Grossteil des Palmöls stammt aus Indonesien und Malaysia. Wo vor kurzem noch Regenwald wucherte – pro Hektare mehr Baumarten als in ganz Europa –, wächst heute noch genau eine Baumart in Reih und Glied. Allein in Malaysia auf einer Fläche, die grösser ist als die Schweiz.

Wie dreckig dieses Business ist, erzählt die Aktivistin Sarojeni Rengam. Sie engagiert sich in Malaysias grösstem Bundesstaat Sarawak – dort, wo der Schweizer Bruno Manser mit dem Volk der Penan gegen die Abholzung kämpfte und im Jahr 2000 spurlos verschwand. Mansers grösster Gegner, der Potentat Abdul Taib Mahmud, dominiert Sarawaks Politik bis heute. Er hat weite Teile des Bundesstaats seinen Familienmitgliedern geschenkt oder gegen Schmiergelder an Firmen verschachert. «Nach dem Gesetz darf Land nur verpachtet werden, wenn die indigenen Bewohner einwilligen», sagt Sarojeni Rengam. «Aber niemand fragt sie. Wenn sie sich wehren, werden sie verhaftet.» Auf den Ölpalmenplantagen arbeiten vor allem MigrantInnen aus Asiens ärmsten Ländern wie Bangladesch oder Nepal. «Die Firmen behalten ihre Pässe, so können sie die Plantagen nicht verlassen. Aber wenn sie krank werden, schickt man sie nach Hause.»

Links-rechts-Allianz

Heute schlägt die Schweiz hundert Prozent Zoll auf Palmöl. Trotzdem ist es billiger als alle anderen Pflanzenöle. Ohne Zoll wäre es konkurrenzlos billig. Das hat die Schweizer LandwirtInnen aufgeschreckt. Und das ist der Grund, warum es möglich sein könnte, das Freihandelsabkommen zu stoppen: mit einer Allianz aus SP, Grünen und SVP.

Der Bruno-Manser-Fonds (BMF) fordert, dass die Schweiz die Verhandlungen stoppt, bis Malaysia auf das Rechtshilfeersuchen im Fall 1MDB eingeht. «Wieso soll die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit einem Land abschliessen, das so grosse rechtsstaatliche Probleme hat?», fragt Johanna Michel vom BMF. «Und wie will sie verhindern, dass auch Schweizer Firmen in Korruption verwickelt werden, wenn sie mit Malaysia handeln?»

Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) heisst es, der Bundesrat nehme das Korruptionsproblem ernst. In den Text des Abkommens «soll ausdrücklich ein Verweis auf die Korruptionsbekämpfung aufgenommen werden». Zur verweigerten Rechtshilfe will sich das Seco nicht äussern. «Unsere Verhandlungen laufen im gewohnten Rahmen weiter.»