Bankgeheimnis-initiative: Die Freunde der Steuerhinterziehung

Nr. 50 –

Die Ablehnung geht von der SP bis zur Bankiervereinigung. Trotzdem will eine kleine Gruppe ParlamentarierInnen um den millionenschweren SVP-Banker Thomas Matter den Schutz von SteuerhinterzieherInnen in die Verfassung schreiben.

Selbstironisch oder nur noch dreist? SVP-Banker Thomas Matter wäscht Geld für ein Werbevideo seiner Partei. Foto: SVP Schweiz

Eine linke Minderheit versuchte noch, Thomas Matter ein Bein zu stellen. In der Wirtschaftskommission stellten die NationalrätInnen von SP und Grünen den hoffnungslosen Antrag, den Titel der Vorlage zu ändern und sie wenigstens beim Namen zu nennen: «Bundesbeschluss über die Verankerung des Schutzes der Steuerhinterziehung in der Bundesverfassung».

Wenn Anfang 2017 der automatische Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) in Kraft tritt, dann ist dies das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses, wie man es kannte. Künftig werden Bankinformationen zwischen den Steuerbehörden der EU-Staaten ausgetauscht: Einmal im Jahr werden Kontostand sowie die Zinserträge von im Ausland steuerpflichtigen Personen gemeldet und sind für ausländische Steuerbehörden einsehbar. Damit sollen Steuerdelikte und das Bunkern von Geld in der Schweiz verhindert oder wenigstens geahndet werden. Ein Jahr später kommen weitere Staaten dazu, mittlerweile sind es über hundert, die sich dem AIA angeschlossen haben.

Selten also wirkte eine Initiative so aus der Zeit gefallen wie diese: Multimillionär und SVP-Nationalrat Thomas Matter will mit seiner Initiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» das inländische Bankgeheimnis in der Verfassung verankern und so vom Geschäft mit der Steuerhinterziehung retten, was noch zu retten ist.

Lange galt die Matter-Initiative als chancenlos, doch nun debattiert das Parlament über einen direkten Gegenvorschlag, sodass das Bankgeheimnis allen internationalen Entwicklungen zum Trotz zumindest im Inland gestärkt werden könnte. Susanne Leutenegger Oberholzer, altgediente SP-Nationalrätin und Präsidentin der Wirtschaftskommission, sagt, so etwas habe sie in zwanzig Jahren Parlamentstätigkeit nicht erlebt.

Die Wende nach dem Rechtsrutsch

Als Matter die Initiative im Sommer 2013 lancierte, steckte die Schweiz mitten in den Auseinandersetzungen mit den USA über den Umgang mit SteuerdelinquentInnen, und allen, die nicht nostalgisch vernebelt waren, war klar, dass der Finanzplatz einen aussichtslosen Kampf führte. Die Schweiz verlor den Nimbus als unantastbarer Bunker für unversteuerte Gelder aus dem Ausland; und bald drohte auch das Bankgeheimnis im Inland aufgehoben zu werden.

Verantwortlich für diese Weissgeldstrategie war die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, Lieblingsfeindin der SVP. So lancierte der Millionär Matter, der als Kassier der Zürcher SVP gerade erst in die Politik eingestiegen war, denn auch seine Initiative: als Kampfansage an die Finanzministerin.

Die Idee fand damals wenig Anklang, die FDP musste ihren Sektionen als Motivation zwei Franken pro Unterschrift zahlen, und selbst als die Initiative im Sommer 2014 eingereicht wurde, schien es, als würde das Anliegen beim Parlament und später an der Urne ohne grosse Diskussion durchfallen. Der Bundesrat empfahl die Initiative im Sommer 2015 klar zur Ablehnung: Sie gefährde die korrekte Erhebung von Steuern und wirke sich negativ auf die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorfinanzierung aus. Denn sie wollte in der Verfassung festschreiben, dass «Dritte» die Steuerbehörden nur noch sehr eingeschränkt informieren dürften.

Doch dann kam der Herbst 2015: Eveline Widmer-Schlumpf sistierte wegen der hängigen Vorlage die Reform des Steuerstrafrechts, gab ihren Rücktritt bekannt, und das Parlament rutschte noch weiter nach rechts.

Innerschweizer CVP-Connection

Der Stimmungswandel in der Bankgeheimnisfrage lässt sich beispielhaft an der CVP ablesen. Im Sommer 2013 beeilte sich die damalige Parteileitung unter Christophe Darbellay und Pirmin Bischof noch, eine klare Linie vorzugeben und die Matter-Initiative abzulehnen: Sie erschwere die Verfolgung von Steuerhinterziehung, stelle internationale Standards infrage und sei in erster Linie zur «persönlichen Bekämpfung von Bundesrätin Widmer-Schlumpf» lanciert worden. Heute aber heisst der CVP-Präsident Gerhard Pfister, und der sitzt gemeinsam mit Christoph Blocher, Fulvio Pelli und Gabi Huber im Komitee der Matter-Initiative.

Auch der direkte Gegenvorschlag setzte sich dank der Innerschweizer CVP-Connection durch. Der frisch gewählte Obwaldner Ständerat und Steuerexperte Erich Ettlin verständigte sich Anfang des Jahres mit Matter auf eine abgeänderte Version seiner Initiative, der Luzerner CVP-Bauer Leo Müller gewann schliesslich eine Mehrheit der Wirtschaftskommission dafür. In der Sache will der Gegenvorschlag dasselbe wie die Initiative (das Bankgeheimnis stärken, den Informationsaustausch im Inland verhindern), die Unterschiede betreffen vor allem ungenaue Formulierungen im Initiativtext.

Erstaunlich ist, dass die Wirtschaftskommission, nachdem sie die Initiative abgelehnt hatte, nun den Gegenvorschlag unterstützte, zumal in der Vernehmlassung eine Mehrheit der Parteien, die grosse Mehrheit der Kantone und fast alle wichtigen Verbände und Organisationen sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag verwarfen. Gewerkschaftsbund, SP, eidgenössische Steuerverwaltung, der Bundesrat, Economiesuisse, die Bankiervereinigung – alle sind sie einer Meinung: Die Verankerung des Bankgeheimnisses in der Verfassung ist unnötig und wäre ein verheerendes Zeichen gegen aussen. Die Steuerverwaltung geht sogar davon aus, dass es zu einem Anstieg der Steuerhinterziehung kommen könnte.

Im Hintergrund spielt sich ein seltsamer Machtkampf innerhalb der Bankenbranche ab: auf der einen Seite die meisten Banken (Grossbanken, Kantonalbanken und Raiffeisenbanken), auf der anderen kleine Kampfverbände wie Alliance Finance um den ehemaligen CVP-Ständerat Arthur Loepfe sowie den Hummler-Vertrauten Martin Janssen oder den SVP-Bankenprofessor Hans Geiger. SP-Wirtschaftspolitiker Beat Jans sagt: «Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund. Es ist ein absurder Kampf zwischen den grossen Banken, die auf Weissgeld setzen, und jenen, die weiter krumme Geschäfte machen wollen. Diese Leute werden angeführt von Banker Matter.»

Wird also einer chancenlosen Initiative nun mit einem Gegenvorschlag doch zum Erfolg verholfen? Hört man sich um, scheint es selbst im Komitee nur noch wenig Begeisterung für die Initiative zu geben (CVP-Präsident Gerhard Pfister: «Gegenvorschlag oder Initiative – ich favorisiere, wofür sich eine Mehrheit im Parlament findet.» SVP-Nationalrat Thomas Matter: «Gegenvorschlag und Initiative erreichen beide das gleiche Ziel, und das Gesetz will, dass wir für einen allfälligen Stichentscheid den Gegenvorschlag empfehlen.» SVP-Nationalrat Alfred Heer: «Ich mache einfach, was Matter sagt.») Für Beat Jans ist klar, dass die InitiantInnen in der Bredouille sind: «Der Gegenvorschlag ist für sie eine Möglichkeit, doch noch irgendwie den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.»

PS: Am Dienstag begann der Nationalrat mit der Debatte, sie wird am Erscheinungstag dieser WOZ fortgesetzt. Der Vorschlag der Linken, «Schutz der Steuerhinterziehung» in den Titel zu schreiben, findet wohl keine Mehrheit.